Nahtlos, vernetzt und integriert: Mit diesen Vokabeln werben die Lufthansa und die Deutsche Bahn für ihre neuen Expressangebote. Bahnfahren und Fliegerei sollen enger verknüpft, inländische Zubringerflüge zu den großen Flughäfen verringert werden. Umweltschützer begrüßen die Initiative. Sie fordern aber zusätzliche Schritte.
Die Neuerungen im Einzelnen: Von Juli an fahren erstmals „extraschnelle Sprinterzüge“, so die Bahn, von München und von Hamburg zu Deutschlands größtem Airport in Frankfurt. Von Dezember an kommen Verbindungen von Berlin, Bremen und Münster hinzu. Derzeit halten am Fernbahnhof des Flughafens bereits täglich 134 Züge aus 17 deutschen Städten.
Zügige ICE-Verbindungen zwischen München und Köln werden ab Dezember das Angebot erweitern. Die Fahrzeit soll sich dabei auf weniger als vier Stunden verkürzen. Von und nach München und Nürnberg geht es dann zweimal am Tag in drei beziehungsweise zwei Stunden ohne weitere Zwischenstopps zum Flughafen der Mainmetropole und wieder zurück. Das ist jeweils eine halbe Stunde schneller als heute. Und dies soll „passgenau“ zu den Abflug- und Ankunftszeiten der Lufthansa geschehen, die am Standort Frankfurt ihr wichtigstes Drehkreuz für internationale Flüge betreibt.
Lufthansa-Kunden mit Business- und First-Class-Tickets fahren auch in der Bahn auf Erste-Klasse-Niveau und sie bekommen Zugang zu den sogenannten DB-Lounges in den Bahnhöfen. Unterwegs gibt es ein „kostenfreies gastronomisches Angebot“ am Platz, und über freies WLAN sollen Reisende während der Fahrt E-Mails abarbeiten oder schon auf „Informationsinhalte“ der Lufthansa zugreifen können. Das Angebot ist auf Geschäftsreisende ausgerichtet, die die wichtigste Kundengruppe der Lufthansa waren – bis die Pandemie kam. Die teuren Business-Class-Tickets ermöglichten Deutschlands größter Fluggesellschaft hohe Gewinnspannen.
Videokonferenzen statt Geschäftsreisen
Derzeit werden die Geschäftsreisen vielfach durch Videokonferenzen ersetzt. Die Lufthansa hofft aber, dass die dienstlich Fliegenden mit der Eindämmung der Pandemie wieder zurückkehren. Deren Wegbleiben macht Inlandsflüge, die ohnehin kaum lukrativ sind, derzeit vielfach zu einem Verlustgeschäft. Lufthansa-Chef Carsten Spohr ließ zuletzt durchblicken, dass er einige der Kurzstreckenverbindungen „lieber heute als morgen einstellen“ würde.„Aus einer guten Kooperation wird jetzt eine umfassende Partnerschaft, wie es sie zwischen Lufthansa und Deutscher Bahn noch nicht gegeben hat“, betonte Bahn-Vorstand Berthold Huber. Reisen mit der Bahn werde nun schneller und komfortabler. Harry Hohmeister, Mitglied im Lufthansa-Vorstand, lobte die vernetzte und integrierte Mobilität, die Verbrauchern und der Umwelt nutze. Das Mobilitätsangebot in Deutschland und damit der Wirtschaftsstandort würden gestärkt.
An Verknüpfungen von Schienen- und Luftverkehr wird seit in frühen Achtzigerjahren gebastelt – seinerzeit gehörte die Lufthansa noch vollständig dem Staat. Inzwischen ist der Bund wieder größter Anteilseigner. Die Verlagerung der Zubringerfahrten auf die Gleise krankte immer wieder daran, dass die Reisezeiten am Boden teils erheblich länger waren als Kurzstreckenflüge. Hinzu kam die Unpünktlichkeit der Bahn, die bei Lufthansa-Managern für viel Verdruss sorgte. Ein weiterer wichtiger Faktor waren enorme Probleme beim Gepäcktransport. Das Aufgeben der Koffer am Bahnhof war immer ein Problem. Die systematische Vernetzung der beiden Verkehrssysteme blieb rudimentär – gleichwohl fahren in normalen Zeiten täglich Tausende Fluggäste mit der Bahn zum Frankfurter Flughafen. Dort wurde 1999 ein eigener Fernbahnhof fertiggestellt. Doch Frankfurt macht eine Ausnahme. Am zweiten großen Lufthansa-Drehkreuz in München müssen die Passagiere erst zum Hauptbahnhof fahren und dort mit Sack und Pack in die S-Bahn umsteigen.
Ganz so nahtlos läuft es also noch nicht. Bahn und Lufthansa machen indes darauf aufmerksam, dass für die Zubringerdienste künftig bevorzugt Züge der neuesten Generation „mit großen Gepäckfächern“ eingesetzt werden. Kunden des „Express Rail“-Angebots sollen zudem die Fastlane bei den Sicherheitskontrollen am Flughafen nutzen dürfen. Und am Frankfurter Flughafen sollen die Koffer dieser Fahrgäste „priorisiert behandelt“ werden.
„Das Heben von bestehenden Potenzialen zur Vermeidung von Kurzstreckenflügen ist überfällig“, sagte Jens Hilgenberg dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Der Mobilitätsexperte der Umweltorganisation BUND fordert nun „gezielte Investitionen zur Beseitigung von Engstellen, für den Ausbau von Bahnknotenpunkten und den Bau von Überholgleisen“. Zudem müsse der Flughafen München ans Fernbahnnetz angeschlossen werden. All das soll helfen, noch erheblich mehr Inlandsflüge in Bahnfahrten umzuwandeln. Auch Spohr hatte kürzlich beklagt, dass die Zahl der Kunden, die mit der Bahn zum Flieger gebracht werden können, „leider begrenzt“ sei.
Der BUND verlangt indes zur Finanzierung des Ausbaus der Bahninfrastruktur unter anderem eine deutliche Erhöhung der Luftverkehrsteuer für innerdeutsche Verbindungen auf 24 Euro pro Flugticket und Passagier. „Das Ziel einer neuen Bundesregierung muss es sein, dass 2030 Kurzstreckenflüge inklusive Zubringerflügen komplett auf die Schiene verlagert sind“, forderte Hilgenberg. Dafür müssten Bahn- und Flugnetz in Deutschland als Gesamtsystem gezielt weiterentwickelt werden, inklusive der Schließung von Regionalflughäfen.