Christine Lambrechts möglicher Rücktritt reiht sich ein in viele Affären, die Politiker zu Wackelkandidaten gemacht haben. Manch einer trat zurück, andere jedoch standen Skandale einfach durch. Ein Überblick.
Einer ist Kanzler, einer RTL-ModeratorProminente Rücktritte aus der Politik – und wer sich aus der Affäre gezogen hat
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wird aller Wahrscheinlichkeit nach am Montag zurücktreten. Monatelang stand sie in der Kritik, zuletzt wurden auch die Rücktrittsforderungen immer lauter. Erste Anzeichen deuteten darauf hin, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits ihre Absetzung plante. Dem will Lambrecht den Berichten nach nun zuvorkommen. Damit würde sie politische Konsequenzen aus den Vorwürfen ziehen.
Skandale gibt es in der Politik immer wieder – im drastischsten Fall enden sie mit einem Rücktritt. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen sich die Ministerinnen und Minister trotz Fehlern im Amt hielten. Einige prominente Beispiele.
Anne Spiegel: Sind Politik und Familie miteinander vereinbar?
Die ehemalige Familienministerin stand wegen ihres Frankreichurlaubs zehn Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 mit 134 Todesopfern in der Kritik. Zu dem Zeitpunkt war die Grünen-Politikerin rheinland-pfälzische Familien- und kommissarische Umweltministerin. Den Urlaub rechtfertigte sie mit einer dringend benötigten Auszeit.
Alles zum Thema Armin Laschet
- Tag der Entscheidung Kölner CDU-Vorstand stimmt über die OB-Kandidatensuche ab
- NRW-Check Politik-Experte zur Bundestagswahl: „Nach allen Seiten offen“
- Poker um Listenplätze Wer ist für die NRW-CDU wichtiger? Jens Spahn oder Armin Laschet?
- „Sehe der Wahl gelassen entgegen“ Kölner CDU-Vorstand will Votum über OB-Kandidaten verschieben
- Geehrt Kölner Köche verleihen erstmals Fritz Schramma-Preis – Wahl fällt auf NRW-Minister
- Laschet zieht harten Vergleich „Fake News“ und „Operation Abendsonne“ – Scharfe Kritik an Scholz‘ Neuwahlplänen
- „Der Kölner Dom steht immer noch“ Streit um Kreuz an der Wand nimmt bizarre Züge an – Laschet belehrt Aiwanger
Spiegel musste zudem einräumen, dass sie sich nicht, wie zunächst behauptet, aus den Ferien zu Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte. Zuvor sorgte bereits ein SMS-Wechsel für Aufsehen, in dem Spiegel in Bezug auf die Flutkatastrophe von einem „Blame Game“ (also gegenseitige Schuldzuweisungen) sprach.
Spiegels emotionale Erklärung und Entschuldigung vor Pressevertretern führte zu einer Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und die Arbeit in der Politik. Ihren Posten konnte Spiegel mit dem Auftritt allerdings nicht retten. Am 11. April gab sie ihren Rücktritt in einer E-Mail bekannt.
Franziska Giffey: Plagiatsaffäre
Bevor Franziska Giffey (SPD) in der Wiederholungswahl im Februar nun auch um ihr Amt als Regierende Bürgermeisterin von Berlin bangen muss, war sie die Vorgängerin von Anne Spiegel als Familienministerin. Giffey stolperte schlussendlich über die Affäre um Plagiate in ihrer Doktorarbeit, die sich über Jahre hingezogen hatte.
Im Mai 2021 erklärte sie nach rund drei Jahren im Amt ihren Rücktritt. Nur drei Wochen später teilte die Freie Universität nach wiederholter Prüfung der Arbeit mit, dass sie der Politikerin den Doktortitel entzieht. Diese habe ihren Doktorgrad durch „Täuschung über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung“ erworben.
Armin Laschet: Maskenaffäre mit Sohn „Joe“
Der ehemalige Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) war Ende 2020 in eine Affäre um Deals mit Corona-Schutzausrüstung in Nordrhein-Westfalen verwickelt. Als NRW-Ministerpräsident hatte Laschet einen Vertrag in Höhe von rund 45 Millionen Euro mit der Modefirma van Laack abgeschlossen. Das Problem: Den Kontakt mit der Firma hatte sein Sohn, Johannes „Joe“ Laschet, hergestellt. Der junge Laschet arbeitet als Modeblogger und hatte Werbeverträge mit van Laack.
Die Landesregierung bestellte trotzdem mehrmals Schutzausrüstung bei der Firma – ohne vorherige Ausschreibung. Das brachte Armin Laschet den Vorwurf der Vetternwirtschaft ein. Die SPD forderte damals eine genaue Untersuchung über den Abschluss des Deals. Sein Amt kostete Laschet die Affäre jedoch nicht. Stattdessen wurde er wenige Monate später Unionskanzlerkandidat für die Bundestagswahl.
Annegret Kramp-Karrenbauer: Ein Tabubruch in Thüringen kostete sie den CDU-Vorsitz
Im Februar 2020 gab Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Posten als CDU-Vorsitzende auf – und damit auch ihre Ambitionen auf die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel. Hintergrund für diesen Schritt war das Debakel um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.
Dort ließ sich der FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD und CDU zum Regierungschef wählen. Die gemeinsame Sache mit den Rechtspopulisten sorgte bundesweit für Empörung und wurde auch unter Liberalen und in der Union als Tabubruch verstanden. Kramp-Karrenbauer zog daraus politische Konsequenzen. Ihren Posten als Verteidigungsministerin behielt sie aber – auf den Wunsch der damaligen Kanzlerin Angela Merkel.
Olaf Scholz: G20, Cum-Ex und Wirecard
Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat schon einige Spitzenämter der deutschen Politik bekleidet. So war er bereits Bundesarbeitsminister, dann von 2011 bis 2018 Bürgermeister Hamburgs und dann unter Kanzlerin Angela Merkel Bundesfinanzminister sowie Vizekanzler. Und in beinahe all seinen Ämtern hat es Skandale gegeben, die ihm teilweise noch bis heute nachhängen.
So gab es beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg schwerste Ausschreitungen zwischen Gegnerinnen und Gegnern des Treffens sowie Einsatzkräften der Polizei. Im Nachgang wurde die massive Gewalt von der Politik angeprangert, aber auch Gewalt vonseiten der Polizei von vielen Seiten scharf kritisiert. Scholz bekamt Rücktrittsaufforderungen, hatte er doch vor dem Gipfel einen reibungslosen Ablauf versprochen. Dennoch hielt er sich im Amt.
Ebenfalls als Hamburger Bürgermeister bekam es Scholz mit dem Cum-Ex-Skandal zu tun, der auch aktuell noch Thema eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Hamburger Bürgerschaft ist. Bei Cum-Ex-Deals nutzten Banken und andere Beteiligte ein Schlupfloch, durch das ihnen teilweise nicht gezahlte Steuern rückerstattet wurden. Es geht dabei auch um den Vorwurf der Einflussnahme führender SPD-Politiker – darunter auch der heutige Bundeskanzler – auf die steuerliche Behandlung der Hamburger Warburg Bank. Scholz bestreitet jegliche Einflussnahme und beruft sich stellenweise auf Erinnerungslücken.
Als Bundesfinanzminister dann war Scholz Vorgesetzter der Bundesfinanzaufsicht (Bafin), die Finanzinstitute prüfen soll. 2020 flog der Wirecard-Skandal auf und brachte die Bafin sowie den damaligen Finanzminister in die Bredouille: Das Unternehmen meldete Insolvenz an, zudem „fehlten“ rund 1,9 Milliarden Euro. Auch der Bund hatte den Finanzdienstleister unterstützt, die Pleite kostete den Steuerzahler gut 30 Milliarden Euro. Ein Untersuchungsausschuss machte auch Scholz dafür verantwortlich. Dennoch trat er nicht zurück.
Jens Spahn: Besorgte er als Gesundheitsminister unbrauchbare Masken?
Nicht nur Armin Laschet stolperte über eine Maskenaffäre, auch der zu Beginn der Corona-Pandemie amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könnte in eine solche verwickelt gewesen sein. So habe sein Ministerium laut Berichten am Anfang der Pandemie haufenweise unbrauchbarer, weil nicht zertifizierter, Schutzmasken gekauft. Kostenpunkt: gut eine Milliarde Euro.
Spahn aber sortierte die Masken nicht aus, sondern bot sie Wohnungslosen und Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern in Deutschland an. Das Ministerium dementierte diese Berichte. Die Opposition jedoch forderte Spahns Rücktritt und beobachtete fortan sein Corona-Management mit Argusaugen. So sorgte auch die schleppende Beschaffung von Impfstoffen gegen das Coronavirus für große Kritik. Spahn beendete die Legislaturperiode im Amt, spielt seitdem innerhalb der Partei und in der deutschen Politik jedoch eher eine Nebenrolle.
Karl-Theodor zu Guttenberg: CSU-Shootingstar mit Plagiatsaffäre
Für besonderes Aufsehen in der jüngeren Geschichte Deutschlands sorgte der Rücktritt eines einstigen CSU-Shootingstars: Karl-Theodor zu Guttenberg. Mit nur 37 Jahren wurde der Politiker 2009 nach einer schnellen Parteikarriere zum jüngsten Bundeswirtschaftsminister Deutschlands. Nach den Bundestagswahlen im selben Jahr wechselte er ins Verteidigungsministerium und wurde auch dort jüngster Ressortchef der Geschichte.
Doch dem steilen Aufstieg folgte ein schneller Fall: denn zu Guttenberg hatte in seiner Doktorarbeit umfangreich plagiiert, einige Textstellen fast wortgleich aus anderen Publikationen übernommen, ohne sie entsprechend zu kennzeichnen. Kurz nach dem Bekanntwerden der Affäre trat der CSU-Politiker von allen politischen Ämtern zurück. Seitdem verdingt sich zu Guttenberg vor allem als Berater und Lobbyist in verschiedenen Positionen. Im vergangenen Jahr moderierte der ehemalige Politiker zudem gemeinsam mit Thomas Gottschalk den RTL-Jahresrückblick.
Andreas Scheuer: Hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt – und doch im Amt geblieben
Ein Dauerbrenner der Rücktrittsforderungen kommt ebenfalls aus der CSU: Andreas Scheuer. Kaum ein Minister stand jemals so langanhaltend in der Kritik und schaffte es dennoch, sich im Amt zu halten. Scheuers Herzensprojekt als Bundesverkehrsminister im Kabinett Angela Merkels war die Pkw-Maut, die vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde, da sie nur für ausländische Fahrzeuge gelten sollte.
Doch Scheuer hatte die Pläne bereits weit vorangetrieben und Verträge unterzeichnet. Die als Betreiber vorgesehenen Firmen forderten daraufhin 560 Millionen Euro Schadensersatz. Rücktrittsforderungen wurden laut, ließen Scheuer jedoch offenbar völlig kalt. Er berief sich darauf, dass Bundestag und Bundesrat das Projekt beschlossen hätten. Als Minister sei er demnach in der Pflicht gewesen, die Maut umzusetzen.
Nicht zuletzt soll Scheuer mithilfe von Beamten seines Ministeriums die Arbeit des eingesetzten Untersuchungsausschusses behindert haben. So wurden Dokumente, die dem Ausschuss zur Verfügung gestellt werden sollten, als vertraulich eingestuft. Scheuer überstand auch diesen Vorwurf und hielt sich bis zum Ende der Regierungszeit an der Spitze des Verkehrsministeriums.