Berlin – Vor der am kommenden Dienstag geplanten Konferenz von Bund und Ländern zum Corona-Kurs im Herbst und Winter zeichnen sich harte Auseinandersetzungen insbesondere zwischen CDU/CSU und SPD ab. Der zentrale Streitpunkt: Werden Ungeimpfte mit einem Corona-Test weiterhin genauso behandelt wie Geimpfte und Genesene oder müssen sie bei steigenden Infektionszahlen von Veranstaltungen oder Restaurantbesuchen ausgeschlossen werden?
Während die SPD eine Ungleichbehandlung ablehnt, fordern führende Vertreter der Union eine Verschärfung der Corona-Regeln für Ungeimpfte, auch wenn diese getestet sind. Sie halten es für notwendig, dass es künftig sogenannte 2G-Veranstaltungen gibt, bei denen nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt haben.
Essenzielle Dinge weiterhin zugänglich
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, für essenzielle Dinge wie öffentliche Verkehrsmittel oder den Rathaus- oder Krankenhausbesuch müsse ein Zugang weiterhin auch mit Maske oder mit Test möglich sein. Für Discos, Stadien oder Theater könne er sich aber auch einen Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene vorstellen. Auch ein beschränkter Zugang für Ungeimpfte sei denkbar: “Dass zum Beispiel zu einem Fußballspiel im Bayern-Stadion 30 000 Geimpfte und dazu noch 2000 Getestete kommen dürfen.“
Kompromissloser äußerte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Beim Treffen der Länderchefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Dienstag werde Sachsen die Haltung vertreten, “dass bei zunehmenden Infektionen und zunehmender Belegung der Krankenhäuser große Sport- und Kulturveranstaltungen nur von geimpften und genesenen Menschen besucht werden können“, sagte er am Freitag.
„Ausschluss vom öffentlichen Leben“
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) und mehrere SPD-Länderchefs wiesen das zurück. Lambrecht sagte in einem Interview: “Die Inzidenz müsste schon dramatisch ansteigen, dass man über dieses Mittel dann im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nachdenken kann. Und diese Situation wollen wir alle gemeinsam verhindern.“ Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) erklärten, es sei unzulässig, Ungeimpfte vom öffentlichen Leben auszuschließen.
Ähnlich positionierten sich auch die Linken. “Die Vorschläge aus dem Gesundheitsministerium vergiften das gesellschaftliche Klima und spalten das Land“, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch dem RND. Erneut würden die Familien aus dem Blick geraten. “Es wäre für viele ein Schlag ins Gesicht, wenn der gemeinsame Kinobesuch oder das Familienessen ausfallen müssten“, so der Linken-Politiker. “Die Bundesregierung sollte stattdessen die Impfkampagne vorantreiben - die Impfungen über intelligente Wege in den Alltag der Menschen bringen - und keine Corona-Zwei-Klassengesellschaft vorbereiten“, sagte er.
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Scharfe Kritik kam auch von der FDP. “Dem Versuch von Minister Spahn, mittels Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften eine Impfpflicht durch die Hintertür einführen zu wollen, ist eine klare Absage zu erteilen“, sagte der Vize-Fraktionschef Michael Theurer dem RND. Die FDP sei der Ansicht, dass Personen, von denen keine Infektionsgefahr ausgeht, ihre Freiheitsrechte ausüben können müssten. Dabei sei es unerheblich, ob ein Mensch geimpft, genesen oder negativ getestet sei.
Die Grünen brachten unterdessen auch für Deutschland einen “Green-Pass“, also einen elektronischen Nachweis über Impfung oder Testung ins Spiel. “Ziel muss es sein, trotz der sich ankündigenden vierten Welle erneute weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens und insbesondere von Schulen zu vermeiden. Dazu braucht es ein Sicherheitsgeländer für den Herbst“, sagte die Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink dem RND. Andere Länder wie Italien hätten einen “Green-Pass“ bereits eingeführt. “Eine Impfpflicht durch die Hintertür ist das nicht“, so Klein-Schmeink.