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Tempolimit, autofreie SonntageWas bringen diese Maßnahmen zum Energiesparen wirklich?

Lesezeit 6 Minuten
Tankstelle Preise

Autofahrer zahlen hohe Spritpreise.

Berlin – Im Zuge des russischen Krieges in der Ukraine wird nicht nur das Tempolimit wieder aktiv diskutiert. Auch das Konzept der autofreien Sonntage ist erneut aufgekommen. Laut einer Umfrage des Instituts Civey ist fast die Hälfte der Bürger in Deutschland angesichts der Ölabhängigkeit von Russland dafür: 48 Prozent der Befragten bejahten die Frage, ob autofreie Sonntag eingeführt werden sollten, um den Bedarf an russischen Ölimporten zu senken. 45 Prozent der 5072 Befragten waren dagegen, 7 Prozent waren unentschieden.

Nach Ansicht der SPD-Bundes­tags­abgeordneten Nina Scheer könnten diese zur Entlastung bei hohen Energiepreisen beitragen. „Autofreie Sonntage haben uns in der Vergangenheit nicht geschadet und könnten auch in der heutigen Zeit einen Beitrag leisten, wenn eine entsprechende Verknappung dies erfordert“, sagte Scheer der „Welt“. „Jede Einsparung senkt die Nachfrage und entlastet damit auch die Märkte.“ Die Ein­spar­möglichkeiten dabei seien groß.

Russlands Drohung, die Gaslieferungen einzustellen, sei eine „Macht­demonstration und kennzeichnet die Gefahr von einseitigen Ressourcen­abhängigkeiten, die wir überwinden müssen“, so Scheer.

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Das Konzept der autofreien Sonntage ist nicht ganz neu. Bereits während der Ölkrise im Jahr 1973 hatte die damalige sozial-liberale Bundes­regierung vier autofreie Sonntage und ein auf sechs Monate befristetes Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf anderen Straßen erlassen. An vier Sonntagen gehörten die Autobahnen zudem Spaziergängern und Radfahrern. Ausgenommen waren Taxen, Busse, Polizei- und Rettungs­fahr­zeuge, Ärzte, Ärztinnen und Lieferungen verderblicher Waren.

Ampel appelliert an Verbraucher – Tempolimit scheiterte an FDP

Bei den Koalitions­verhandlungen von SPD, Grünen und FDP war die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen am Widerstand der Liberalen gescheitert. Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass es kein generelles Tempolimit geben wird. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief am Mittwoch die Frühwarnstufe eines Notfallplans Gas aus, die erste von drei Stufen. Damit soll die Vorsorge für einen möglichen russischen Lieferstopp gestärkt werden. An Verbraucher und Firmen ging der Appell, Energie einzusparen.

Insbesondere auf der Autobahn ist der Verbrauch pro Kilometer stark von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Laut Umwelt­bundes­amt verbraucht beispiels­weise ein typisches Fahrzeug mit 90 Stunden­kilometern auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde. Autofreie Sonntage, wie sie in der Ölkrise 1973/74 üblich waren, könnten laut IEA 380.000 Barrel Öl sparen. Dennoch: Die Regierung pocht auf Freiwilligkeit und eine schnelle Abkehr von fossilen Energien.

300 Millionen Liter Benzin?

Verschiedene Umwelt­verbände haben sich bereits für den autofreien Sonntag und das Tempolimit ausgesprochen. Jens Hilgenberg, Leiter der Verkehrs­politik beim Umwelt­verband BUND, sagte der dpa: „Um die Abhängigkeit von Energie­importen zu reduzieren, müssen sofort Erfolge beim Energiesparen realisiert werden. Im Verkehrs­bereich sind dafür kurzfristig wirksame Maßnahmen, wie ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, autofreie Sonntage und ein Stopp von Kurz­strecken­flügen sofort umzusetzen.“

Die Deutsche Umwelthilfe betonte auf Twitter, dass durch ein Tempolimit seit Kriegsbeginn mehr als 300 Millionen Liter Benzin und Diesel hätten eingespart werden können. „Aber die Bundes­regierung beschließt einen Tankrabatt. Ergebnis: Total­versagen bei Roh­stoff­einsparung, Förderung von Raserei gegen Klimaschutz und weitere Putin-Finanzierung.“

Auch eine beim Bundestag durch Bürger eingereichte Petition fordert ein Sofort­programm zur Beschleunigung der Mobilitätswende – auch, um Deutschland energetisch unabhängiger von Russland zu machen. Darin enthalten: Die autofreien Sonntage sowie ein Tempolimit mit 100 auf der Autobahn, 80 außerorts und 30 innerorts.

Autofreie Sonntage: Symbolischer Akt mit Wirkung

Wulf-Holger Arndt forscht an der Technischen Universität Berlin im Bereich Mobilität und Raum. „Die autofreien Sonntage sind ein sehr symbolischer Akt, der aber durchaus auch Wirkung hat“, sagte er dem RND. Etwa 10 Prozent des CO₂-Ausstoßes ließen sich dadurch einsparen. „Wir brauchen ein anderes Verhalten“, so Arndt. „Die Leute müssen merken, dass es auch andere Alternativen gibt. Viele Fahrten werden einfach gemacht, weil das Auto das ist.“ Ein autofreier Sonntag gebe Anlass zum Reflektieren.

Auch ein Tempolimit hält Arndt für sinnvoll. „Das bringt auf jeden Fall auch Einsparungen“, sagte er. Ein weiterer positiver Effekt auf der Autobahn sei eine Kapazitäts­erhöhung und die Vermeidung von Staus. „Und in der Stadt führt ein Tempolimit auf 30 zu einem harmonischen Fahrverhalten und einer höheren Verkehrs­sicherheit.“

Laut der Umwelt­organisation Greenpeace würde ein autofreier Sonntag zweimal pro Monat den Kraft­stoff­absatz um 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr verringern. Wäre jeder Sonntag autofrei, ließen sich 2,9 Millionen Tonnen Kraftstoff vermeiden, was etwa 5,6 Prozent des gesamten Kraft­stoff­absatzes entspricht. Die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen würde den Kraft­stoff­bedarf sogar um 2 Millionen Tonnen pro Jahr senken. Die CO₂‑Emissionen würden um circa 6,2 Millionen Tonnen verringert werden. Eine zusätzliche Geschwindig­keits­begrenzung außerorts auf 80 km/h würde weitere 0,4 Millionen Tonnen Kraftstoff und 1,3 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen.

Auch der Autofahrerclub ADAC ruft die Bürger auf, gerade am Wochenende zu prüfen, ob Autofahrten verzichtbar seien und welche Alternativen es gebe. Auf kurzen Strecken sei das Fahrrad häufig die beste Wahl, sagte ADAC-Sprecher Andreas Hölzel dem RND.

ADAC: Verzicht muss freiwillig sein

Generell spreche nichts gegen einen freiwilligen Verzicht, verpflichtend könne dieser aber nicht sein. „Viele Menschen sind auch am Sonntag auf ein Auto angewiesen sind, zum Beispiel um Angehörige zu pflegen oder für den Weg zur Arbeit“, so Hölzel. Neben dem Verzicht auf das Auto gebe es noch weitere Spar­möglichkeiten: „So kann allein durch eine spritsparende Fahrweise der Verbrauch um bis zu 20 Prozent reduziert werden.“

Ablehnung kommt auch von der FDP im Bundestag: „Angesichts des schrecklichen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine helfen uns keine Symbolpolitik und unsinnige Forderungen, wie die Rufe nach Tempolimits oder staatlich verordneten autofreien Sonntagen“, sagte ihr verkehrs­politischer Sprecher, Bernd Reuther, dem RND.

„Die Bundesregierung hat Maßnahmen gegen die hohen Kraft­stoff­preise ergriffen und unterstützt die Menschen ganz konkret mit zwei Entlastungs­paketen, unter anderem mit Vergünstigungen von Kraftstoffen und ÖPNV“, so Reuther. Darüber hinaus liege es in der Hand jedes Einzelnen, sein Konsum­verhalten zu hinterfragen und vermeidbare Fahrten einzusparen.

Einschränkung der Mobilität auf dem Land

Wiebke Winter aus dem Bundes­vorstand der CDU findet, dass autofreie Sonntage keinen großen Effekt auf den Energie­verbrauch hätten. „Selbst wenn wir alle einen Sonntag im Monat kein Auto nutzen würden, würden wir damit nur einen verschwindend kleinen Teil des jährlich importierten Öls einsparen“, sagte sie dem RND. „Dazu kommt, dass wir Öl einfacher als russisches Gas auch aus anderen Ländern importieren können – es besteht derzeit keine Knappheit.“

Winter betonte, dass Menschen in Großstädten zwar problemlos auf Bus und Bahn umsteigen könnten, anderswo seien autofreie Sonntage jedoch eine große Mobilitäts­einschränkung: „Für viele Menschen auf dem Land ohne oder mit nur schlechter ÖPNV-Anbindung oder Menschen, die sonst auf das Auto angewiesen sind, ist ein autofreier Sonntag eine große Freiheits­einschränkung, wenn sie dadurch nicht mehr die Enkel besuchen oder am Wochenende zur Freundin fahren können.“

Die CDU-Politikerin lehnt auch ein generelles Tempolimit ab. „Wir sollten allerdings die Menschen darauf hinweisen, dass sich mit einer geringeren Geschwindigkeit nicht nur viel Geld fürs Tanken, sondern auch CO₂ einsparen lässt.“ Individuelle Einsparungen seien jedoch sowohl bei der Mobilität, als auch beim Wohnen „nicht der große Wurf“. Um den Verbrauch zu reduzieren, müsse die Energiewende konsequent angegangen werden. Zum Beispiel mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für mehr E‑Autos.