Berlin – Das Mainzer Unternehmen BioNTech und sein US-amerikanischer Partner Pfizer haben am Montag verkündet, dass sie für ihren Corona-Impfstoff in Kürze die Zulassung beantragen wollen. Der Impfstoff biete einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19, hieß es. Was bedeutet das im Einzelnen? Hierzu Fragen und Antworten:
Wie wirksam ist der Impfstoff?
Die Wirksamkeit des Impfstoffs von BioNTech sei “überraschend hoch“, sagt Klaus Überla, Leiter des Virologischen Instituts an der Universitätsklinik Erlangen und Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut. In die jüngste Studie seien rund 44.000 Probanden eingeschlossen gewesen; rund die Hälfte von ihnen habe den Impfstoff bekommen. Dabei habe es keine Hinweise auf schwere Nebenwirkungen gegeben. Es sei im Übrigen damit zu rechnen, dass der Impfstoff mindestens ein oder zwei Jahre wirke. Allerdings sei noch offen, wie der Impfstoff bei älteren Menschen über 70 oder 80 anschlage. Das sei ein entscheidender Punkt. Und dann müsse man mehr zum Schutz vor Nebenwirkungen wissen.
Warum geht es jetzt so schnell? Zuletzt hieß es immer, die Entwicklung eines Impfstoffs könne Jahre dauern. Und vielleicht komme er auch nie.
In der Vergangenheit habe die Entwicklung von Impfstoffen manchmal zehn bis 15 Jahre in Anspruch genommen, sagt Überla. Dass es jetzt schneller gehe, liege daran, dass viele Entscheidungs- und Verwaltungsprozesse extrem beschleunigt würden. Gleichzeitig hätten die Impfstoffentwickler längst begonnen, Impfstoffe zu produzieren, obwohl die Wirksamkeit noch nicht hundertprozentig nachgewiesen sei. Das hätten Hersteller früher niemals getan. Zugleich trat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) jedoch Bedenken entgegen, ein Impfstoff könne vorschnell genehmigt werden. “Wir halten uns an unsere hohen Qualitätsstandards im Zulassungsverfahren“, versicherte sie am Dienstag. “Darauf sollen die Menschen sich verlassen können.“
Wie sind die nächsten Schritte?
Der Hersteller muss zunächst die Zulassung für den Impfstoff beantragen. Anschließend muss die Europäische Zulassungsbehörde die Zulassung erteilen. Danach wird es eine Stellungnahme der Ständigen Impfkommission geben, ob und für wen sie die Impfung empfiehlt. Schließlich kann der Impfstoff unter der Hoheit der 16 Länder ausgebracht werden. Das ist eine logistische Herausforderung, auch weil der Impfstoff stets kühl gelagert werden muss. So soll allein Berlin sechs Impfzentren bekommen. Überla hofft nach eigenen Worten darauf, dass schon im ersten Quartal des nächsten Jahres die ersten Impfungen durchgeführt werden können.
Was tut die Politik?
Wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag berichtete, soll der Impfstoff von BioNtech und Pfizer nach einer Zulassung schnell zur Verfügung stehen. “Die Verhandlungen mit der Pharmaindustrie sind abgeschlossen“, hieß es demnach in Kommissionskreisen. “Der Vertrag ist in trockenen Tüchern.“ Deutschland möchte bis zu 100 Millionen Dosen erhalten. Damit sei die Bundesregierung in den Gesprächen in der EU angetreten, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Berlin. Für eine Immunisierung sollen zwei Impfdosen pro Person nötig sein. Nach Vertragsabschluss in der EU haben alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Deutschland hat einen Anteil von rund 19 Prozent.
Wer übernimmt die Kosten für die Impfstoffe?
Die Kosten übernimmt zumindest zunächst der Bund. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), Martin Litsch, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): “Zu finanzieren sind neben den Impfstoffen auch ärztliche Leistungen und Infrastruktur-Kosten. Die AOK sind als gesetzliche Krankenversicherung gerne bereit, ihre Strukturen für die Abrechnung dieser Kosten bereitzustellen, soweit die Kosten über Bundeszuschüsse ausgeglichen werden.“
Werden Privatversicherte an den Kosten beteiligt?
Da der Bund zunächst für die Kosten der bundesweiten Impfkampagne aufkommen wird, ist die Art der Versicherung unerheblich für deren Ausgleich. Egal ob Nichtversicherte, gesetzlich Krankenversicherte oder Privatversicherte – alle sollen Zugang zu dem Impfstoff erhalten. “Das wäre im Rahmen der Pandemiebekämpfung auch die angemessene Lösung“, sagte Litsch dem RND. “Infektionsschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und betrifft nicht nur Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherungen.“
Wird es weitere Corona-Impfstoffe geben?
Damit ist auf jeden Fall zu rechnen, da an weiteren Impfstoffen ebenfalls intensiv gearbeitet wird. Die Ständige Impfkommission werde dann eine Empfehlung aussprechen, welcher Impfstoff womöglich besser geeignet sei, sagt der Virologe Klaus Überla. Da gebe es viele Varianten. Es sei so oder so damit zu rechnen, dass am Ende mehrere Impfstoffe auf den Markt kämen.
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Kann der absehbare Erfolg beim Corona-Impfstoff Vorbild für die Entwicklung anderer Impfstoffe gegen andere Infektionskrankheiten sein?
“Wenn mehr Geld fließt, kann die Entwicklung von Impfstoffen beschleunigt werden“, sagt Überla. “Allerdings ist es unterschiedlich schwierig, Impfstoffe zu entwickeln. Es gibt keine Garantie. Bei HIV zum Beispiel versucht es die Wissenschaft seit Anfang der 1990er-Jahre, mit sehr viel Unterstützung. Trotzdem ist es bisher nicht gelungen. Bei Sars-Cov-2 scheint es bisher relativ einfach zu sein. Das Wissen über andere Coronaviren hat dabei auch geholfen.“