Der CDU-Politiker fordert Sanktionen gegen „Arbeitsunwillige“ und kritisiert die Bürgergeld-Anhebung. Nun wird ihm Diskriminierung vorgeworfen.
„Künstliche Empörungswelle“Spahn ätzt Bürgergeld-Erhöhung – obwohl er selbst zustimmte
Das Bürgergeld soll zum 1. Januar 2024 deutlich angehoben werden, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag verkündet hat. Erwachsene bekommen dann 61 Euro mehr, das entspricht einer Erhöhung um zwölf Prozent. Hintergrund ist eine Anpassung der Bezüge an die im vergangenen Jahr deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten.
In der Union ruft diese Erhöhung Kritik hervor. Der CDU-Politiker und ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte der „Bild“-Zeitung, er halte dies für ein „falsches Signal“. Zudem forderte er mehr Strafen für arbeitsunwillige Erwerbslose. Spahn sprach von „spürbaren finanziellen Konsequenzen“.
„Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet“, sagte Spahn. Nach heutiger Rechtslage erhalte eine vierköpfige Familie im Schnitt 2311 Euro Bürgergeld – und damit faktisch so viel wie eine Durchschnittsverdiener-Familie in Deutschland, rechnete Spahn. „Wenn jetzt das Bürgergeld stärker steigt als die Löhne von vielen Millionen Beschäftigten, ist das das falsche Signal“, sagte Spahn.
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Kritik an Jens Spahn: CDU verweigert sich Erhöhung des Mindestlohns
Fehlende Konsequenz wurde Spahn in der Folge allerdings selber vorgeworfen. Hintergrund: Die Union verweigere sich einer Erhöhung des Mindestlohns. Denn wer einen deutlicheren finanziellen Abstand zwischen Bürgergeld und den niedrigen Lohngruppen fordere, müsse eben auch dafür sorgen, dass es für Erwerbsarbeit auch eine angemessene Bezahlung gebe. Darauf verweisen verschiedene Kommentare im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter.
Der Mindestlohn war zuletzt zum Oktober 2022 per Beschluss der Ampel-Koalition auf 12 Euro angehoben worden. Für den 1. Januar 2024 ist eine Erhöhung auf 12,41 Euro geplant, damit soll der Vorschlag der Mindestlohnkommission umgesetzt werden. Sozialverbänden und Gewerkschaften ist diese Erhöhung im Cent-Bereich zu wenig. Ihre Argumentation: Die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten erlitten damit einen enormen Reallohnverlust. Der Mindestlohn müsste für einen Inflationsausgleich ihrer Meinung auf 13,50 Euro steigen.
Dies ist aber mit der Arbeitgeberseite und auch der CDU/CSU politisch nicht durchsetzbar, obwohl sich in der SPD auch Parteichef Lars Klingbeil dafür ausgesprochen hatte. Die Union sprach daraufhin von einem „parteipolitischen Überbietungswettbewerb“.
Jens Spahn wird Gespräch mit Sozialverbänden vor Ort empfohlen
Auch Grünen-Politiker Andreas Audretsch weist darauf hin, dass die CDU in den vergangenen Jahren nichts getan habe, um Geringverdiener besser zu stellen. Es gehe bei der Erhöhung des Bürgergeldes um einen Inflationsausgleich. „Für einen Blick in die Realität empfehle ich Jens #Spahn ein Gespräch mit Diakonie oder Caritas vor Ort“, schreibt Audretsch weiter.
Jens Spahn wird von zahlreichen X-Usern Populismus vorgeworfen. „Einmal mehr betätigt sich Spahn als populistischer Scharfmacher und diskriminiert Arbeitslose in Deutschland“, schreibt Journalist Karsten Heyde.
Jens Spahn stimmte Bürgergeld zu
Bundesarbeitsminister Heil selber antwortet Spahn zudem indirekt auf X. Er verweist darauf, dass die Anhebung der Regelsätze für das Bürgergeld auch von der CDU und Jens Spahn mitgetragen worden sei.
Nach einer langen Diskussion und Kompromissen im Vermittlungsausschuss hatte die Union im November 2022 dem Bürgergeld im Bundestag zugestimmt – und damit auch einer Anpassung der Regelsätze zum Jahreswechsel als Inflationsausgleich. Daran erinnert bei X auch dieses SPD-Mitglied, das Spahns Rhetorik „lächerlich und unredlich“ nennt und von einer „künstlichen Empörungswelle“ spricht.
FDP-Politiker bezeichnet Kindergrundsicherung als „Sozialklimbim“
Erst kurz zuvor hatte sich ein FDP-Politiker negativ über die von der Ampel beschlossene Kindergrundsicherung geäußert. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler hatte bei X geschrieben, dass es gut sei, „dass Lisa Paus von ihrer utopischen Forderung von 12 Mrd. € abgerückt ist“. 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung sei „im Bereich des Erträglichen“. Jetzt sei aber Schluss mit dem „Sozialklimbim“, so Schäffler.
Schäffler musste nach harscher Kritik zurückrudern und entschuldigte sich – immerhin ist seine eigene Partei an der Regierung beteiligt, und ein zu heftiges Nachtreten gegen die Grüne Familienministerin Lisa Paus kam bei den Koalitionspartnern nicht gut an. Andere Parteifreunde Schäfflers versuchten den Eindruck von der FDP als der Partei der sozialen Kälte zu zerstreuen. Die Kindergrundsicherung sei wichtig, schrieb der schleswig-holsteinische FDP-Politiker Dennys Bornhöft.
Das Bürgergeld soll im kommenden Jahr um rund zwölf Prozent steigen. Erwachsene Bezieherinnen und Bezieher sollen vom 1. Januar an monatlich 563 Euro bekommen - also 61 Euro mehr als derzeit, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag in Berlin angekündigt hatte. Er sprach von einer „deutlichen Erhöhung“ in einem von Inflation und Krisen geprägten Umfeld.
Sozialverbände kritisierten die geplante Erhöhung allerdings als nicht ausreichend. Aktuell beziehen mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld. (mit afp)