Köln – Der 1. FC Köln scheint entschlossen, aus seinen Fehlern zu lernen. Der teuerste Fehler der Vereinsgeschichte hört auf den Namen Florian Wirtz, ist 17 Jahre alt und als einer der wertvollsten deutschen Nachwuchsspieler vom Geißbockheim nach Leverkusen gewechselt, ohne bei den Kölner Profis auch nur in den Trainingsbetrieb eingebunden gewesen zu sein. Die Reife dazu hätte er wohl gehabt, wie der Offensivmann derzeit in Leverkusen unter Beweis stellt.
Ein fester Platz in der Umkleidekabine der Profis, womöglich die Aussicht auf eine eigene Rückennummer – viel mehr braucht es oft gar nicht, um einen Spieler aus der eigenen Jugend dazu zu bewegen, den Schritt in den Erwachsenenfußball im eigenen Verein zu vollziehen. Im Falle des Wunderspielers Wirtz haben die Kölner diese Möglichkeit verstreichen lassen und müssen sich nun mit dem Gedanken anfreunden, in den kommenden Jahren wieder und wieder an ihr Versäumnis erinnert zu werden: Bei Wirtz’ Debüt in der A-Nationalmannschaft etwa, oder bei seinem ersten ganz großen Transfer.
Obuz wird befördert
Immerhin werden die Kölner dann sagen können: Das ist uns nicht noch einmal passiert. Denn ein weiterer Spieler aus der Mannschaft, die vor anderthalb Jahren die Deutsche Meisterschaft der B-Junioren im Finale gegen Borussia Dortmund gewann, wird von Januar an mit den Profis trainieren: Marvin Obuz spielte zuletzt für die Regionalliga-Reserve der Kölner, soll aber nach ersten Trainingsteilnahmen bei Markus Gisdol und Einsätzen in Testspielen nun dauerhaft mit den Profis arbeiten. Der Linksaußen wird im Januar 19, nun soll er seinen ehemaligen Mitspielern Tim Lemperle und Jan Thielmann folgen.
Die Kölner wollen aus ihren Nöten eine Tugend machen, der Einbau eigener Talente in die Profimannschaft soll in jede Richtung wirken: Junge Spieler werden durch die konkrete Aussicht auf eine Bundesligakarriere motiviert, sich dem FC anzuschließen. Die etablierten Profis wissen, dass Konkurrenz in den eigenen Reihen nachwächst. Die Sportliche Leitung kann dem Präsidium Erfolge präsentieren und den Kader auffrischen, ohne Geld ausgeben zu müssen, das man nicht hat – für Spieler, die man nicht kennt. Und die Fans verzeihen Spielern aus dem eigenen Verein mehr als hinzugekauftem Personal.
Einen Vertrag hat Marvin Obuz allerdings noch nicht unterschrieben beim FC, doch könnte die Beförderung in den Profibetrieb ein Signal sein – auch an die Kölner Agentur SportsTotal, die Obuz berät und beste Drähte zum FC hat. Berater stehen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht allzu hoch im Kurs. Doch haben Agenten durchaus das Potenzial, einen Verein davor zu bewahren, ein Top-Talent durch Untätigkeit, falsche Ansprache oder einfach nur totales Missverstehen zu verlieren. Denn wenn auf Vereinsseite Menschen am Werk sind, die ihre Arbeit nicht verstehen, können Spielerberater noch immer vieles retten. Die Bereitschaft des Spielers ist da: „Ich würde gerne über die Saison hinaus für den 1. FC Köln spielen. Der FC ist mein Herzensklub“, sagte Obuz jüngst im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Andersson fällt wochenlang aus
Obuz wird jedoch kein kurzfristiger Ersatz für Sebastian Andersson sein, eher eine Alternative für den ebenfalls noch immer sehr jungen Ismail Jakobs (21), der auf der linken Kölner Seite Spiel an Spiel reihen muss. Andersson leidet weiter an den Folgen eines Trainingsunfalls im September. Nach einer Operation galt er zwar als wieder hergestellt, spielte jedoch weiter mit Beschwerden. „Sebastian ist hierhergekommen, um zu spielen. Deshalb hat er auf die Zähne gebissen, er wollte sich in den schwierigen Zeiten unbedingt in den Dienst der Mannschaft stellen“, sagte FC-Geschäftsführer Horst Heldt vor den Feiertagen. „Er hat aber nach wie vor Schmerzen und kann sein Knie nicht zu hundert Prozent belasten. Deshalb haben wir entschieden, dass Seb zunächst mit dem Mannschaftstraining aussetzt.“
Schwierige Lage auf dem Transfermarkt
Selbst mit Andersson waren die Kölner im Sturm nicht unbedingt herausragend besetzt. Jhon Córdoba hatte immer wieder hinterlegt, dass er den Verein verlassen wolle, eigentlich seit Monaten. Doch hatte er auch im Sommer zunächst keinen Verein präsentiert, der ihn den Kölnern abkaufen wollte. Es dauerte dann bis in den September, eher der Kolumbianer in Hertha BSC einen Abnehmer präsentierte.
Erst danach war der FC in der Lage, Andersson zu verpflichten, zudem nahmen sie Tolu Arokodare in den Kader auf, den 19-Jährigen Nigerianer mit großartigen körperlichen Anlagen, von dem allerdings auch nach einem Vierteljahr im Trainingsbetrieb niemand sagen kann, ob er wirklich das Zeug zum Bundesligaspieler hat. Weil Anthony Modeste die gesamte Sommer-Vorbereitung verpasst hatte und im Alter von nun 32 Jahren Schwierigkeiten haben wird, die verlorenen Monate aufzuholen, war Andersson der entscheidende Transfer des Sommers – und grundsätzlich kein falscher, schließlich hatte der Schwede in den vergangenen zwei Spielzeiten kaum ein Spiel verpasst und zuverlässig getroffen.
Doch angesichts der anstehenden Pause ist auch Anderssons Alter nun ein Thema, immerhin ist er schon 29, auch da gibt es keine Garantien mehr, dass schon alles gut gehen wird.
Sorgen in der Offensive
Die Offensive bleibt damit in diesem Winter die große Sorge der Kölner. Die Möglichkeiten des Kaders sind beschränkt, doch gilt dasselbe für die Mittel der Kölner: Wenn kein Spieler mehr geht, kann kein neuer kommen, das war die klare Aussage von Kölns Sportchef Horst Heldt – allerdings bevor klar war, dass Andersson nun vier, womöglich sechs Wochen fehlen würde.
Das Transferfenster in diesem Winter ist angesichts der fortdauernden die Corona-Pandemie noch problematischer als sonst: Es ist beinahe unmöglich, einen Spieler loszuwerden, den man nicht mehr zu brauchen glaubt, denn es ist kaum davon auszugehen, dass ein Bundesligaverein einen Spieler verpflichtet, auf den der 1. FC Köln verzichten möchte. Es bliebe also nur die Möglichkeit eines Transfers nach unten, doch kein Zweit- oder Drittligist zahlt Gehälter, wie sie beim FC für Spieler üblich sind, die nicht gebraucht werden. Dennoch wird Horst Heldt die Augen offenhalten, sollte sich bis zum 1. Februar eine Möglichkeit ergeben.