- Mit der gescheiterten Anstellung von Fritz Esser als neuen Kommunikationschef hat sich der 1. FC Köln nicht mit Ruhm bekleckert – ganz im Gegenteil.
- Die Hintergründe.
Köln – Wieder eine Woche, in der sich der 1. FC Köln selbst maximalen Schaden zugefügt hat. Nicht nur sportlich. Die gescheiterte Berufung eines neuen Kommunikationschefs ist ein Politikum geworden, das nur Verlierer produziert hat: den FC-Vorstand, der offenkundig schwere Fehler im Auswahlverfahren begangen hat. Und den Kandidaten Fritz Esser, der nun schwer beschädigt ist.
Es ist nun keine Frage mehr, ob der 39-Jährige der richtige Mann für die Kommunikation nach innen und außen beim FC hätte sein können. Einer, der hilft, das ramponierte Bild des Vereins aufzupolieren und die internen Gräben zu überbrücken. Um die Frage zu beantworten: Nein, Esser wäre bei genauer Betrachtung dafür der falsche Mann gewesen. So hat der ehemalige „Bild“-Redakteur FC-Ultras als „Schwachmaten“ bezeichnet.
Für einen anderen Kritikpunkt muss man ins Jahr 2017 zurück gehen und bei Twitter auf die Suche gehen. Hier lobte Esser eine Rede des AfD-Politikers Bernd Baumann, der im Bundestag mit einem Göring-Vergleich scharfe Proteste ausgelöst hatte. Die FC-Verantwortlichen müssen sich fragen lassen, warum sie sich kein besseres Bild von den Schwachstellen des Profils des Kandidaten machten, den sie als Kommunikationschef holen wollten.
Man muss Köln dafür lieben
Bemerkenswert ist aber auch, wie es dann zur hektischen Rolle rückwärts des Vereins mit Bauchlandung kam – zwei Tage, bevor Esser der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte. Da leitet ein Comedy-Autor auf Twitter an Zehntausende Follower Essers deplatzierten, inhaltlich misslungenen AfD-Tweet sowie einen zumindest angreifbaren Kommentar zur Asylpolitik weiter. Man musste kein Prophet sein, um zu wissen, was folgen würde: Binnen Stunden formierten sich Kölner Prominente und Fans zu einer Front des Protests.
Unbestritten: Man muss Köln dafür lieben, dass das „Arsch-huh“-Gen in der DNA vieler Menschen tief verankert ist. Ob Pegida oder gewaltbereite und rechtsgerichtete Hooligans – totalitäre Gesinnung hat in Köln und im Rheinland keine Chance. Auf die Stadt und ihre Bürger ist Verlass – und das ist gut so.
Im Falle Essers aber bleibt ein schaler Beigeschmack. Alexander Graf Lambsdorff – FDP-Fraktionsvize im Bundestag und glühender FC-Fan – brachte es als einer von wenigen in der Social-Media-Öffentlichkeit auf den Punkt: „Ich schaue mir das vergangene Wirken von Fritz Esser gerne an und bewerte das. Wegen eines Kommentars und eines isolierten Tweets aber eine öffentliche Twitter-Hetzjagd auf ihn zu starten? Da bin ich ganz sicher nicht dabei“, schrieb der liberale Politiker auf Twitter.
Man darf es sich nicht zu einfach machen
Eine bemerkenswerte Position, weil sie daran erinnert, dass man es sich nicht zu einfach machen darf. Ein Bild aus mehr als zwei, drei schnell hingeworfenen Strichen sollte wohl das Mindeste sein, bevor man den Stab über die Positionen eines Menschen, seine Fähigkeiten oder seine Eignung für bestimmte Aufgaben bricht. Ja, der FC-Vorstand hätte es besser wissen können, sogar müssen. Doch all diejenigen, die so schnell negative Posts im Vorwurfsmodus weitergeleitet und damit einen Shitstorm ausgelöst haben, sollten sich prüfen, ob wir wirklich so miteinander umgehen sollten.
Man könnte sogar so weit gehen und fragen, wie es eigentlich um unsere Fehlerkultur bestellt ist, wenn ein Tweet und ein Kommentar ausreichen, um jemanden derart an den Pranger zu stellen. Es ist dem FDP-Politiker Lambsdorff zu verdanken, dass er Unsitten in Zweifel zieht, die durch die Allgegenwart der digitalen Kommunikation leider alltäglich geworden sind: Andere auf isolierte Wortbeiträge oder ein (punktuelles) Fehlverhalten reduzieren, eine Protestlawine lostreten und in Windeseile ein öffentliches Urteil provozieren.
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Wie wäre es gewesen, vorher einmal innezuhalten und Esser die Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen ausführlich zu äußern? So wünschen wir es uns in einem respektvollen Miteinander. Und so handhaben wir es in unserem Rechtssystem. Doch das Twitter-Gericht kennt weder die Unschuldsvermutung noch den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“. Und erst recht kennt es kein Erbarmen.