Der FC dreht ein schon verloren geglaubtes Spiel gegen Bochum und siegt dank seiner Joker 2:1. Doch es gibt neue Sorgen um Davie Selke.
Glücksgefühle nach 2:1 gegen BochumEin unglaubliches Finale, das dem 1. FC Köln Hoffnung gibt
Der eine hatte „Schwierigkeiten, die Emotionen in Worte zu fassen.“ Der andere staunte ob des Jubelorkans nach dem Siegtor: „Wie laut das Stadion war – das war extrem. Doch genau dafür spielen wir Fußball.“ Und der Geschäftsführer benutzte Worte, die man von ihm nur ganz selten hört: „krass“, „phänomenal“, „kaum zu glauben“.
Dieses Spiel wird Steffen Tigges, Luca Waldschmidt und Christian Keller lange in Erinnerung bleiben. Aber nicht nur den Last-Minute-Torschützen und dem Sport-Geschäftsführer des 1. FC Köln dürfte es so ergehen. Beim Keller-Duell gegen den VfL Bochum kam es zu einer denkwürdigen Nachspielzeit, in der der FC in 95 Sekunden einen Rückstand noch durch die Tore der Joker Tigges und Waldschmidt in einen 2:1-Sieg umwandelte. Pure Ekstase herrschte danach im Lager der Kölner, vor Freude brachen alle Dämme. Die Bochumer dagegen wirkten erst erstarrt, dann entsetzt und am Ende nur noch leer.
Für den FC war es das dringend benötigte Lebenszeichen im Kampf um den Bundesliga-Klassenerhalt. Hätten die lange Zeit enttäuschenden und gelähmt wirkenden Kölner nicht mehr getroffen, der Rückstand auf den FSV Mainz 05 wäre auf vier Punkte angewachsen, der auf Bochum sogar auf zehn Zähler. Die Abstiegsangst, sie wäre groß geworden. Doch jetzt stellt sich die Situation anders dar: Nach dem überlebenswichtigen Sieg hat der FC einen Zähler Rückstand auf die Mainzer, die den designierten Absteiger Darmstadt mit 4:0 bezwangen. Und Bochum ist jetzt nur noch vier Punkte entfernt.
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„Es war hinten raus natürlich krass. In der ganzen Saison hatten wir es nie, dass wir ein Spiel mal richtig drehen. Und das in der Nachspielzeit mit zwei Toren. Das ist natürlich, wenn man sich den Spielverlauf anschaut, phänomenal und irgendwie auch kaum zu glauben. Andererseits hat die Mannschaft dauernd daran geglaubt und das war wahrscheinlich auch der Schlüssel, dass wir es hinbekommen haben“, lobte Sportchef Keller die Einstellung der Mannschaft, die mit großer Moral ein schon verlorenen geglaubtes Spiel noch gedreht hatte. Und daran hätten auch die FC-Fans einen großen Anteil, befand Trainer Timo Schultz. „In vielen Stadien wäre so ein Finish nicht möglich gewesen. In Köln, mit den Fans, da geht das. Nach dem 1:1 haben wir alle Fesseln abgeworfen und noch mal einen Gang hochgeschaltet. Dementsprechend bin ich sehr erleichtert.“
1. FC Köln: Furioses Finale nach ganz zähem Verlauf
Doch nach diesem Befreiungsschlag hatte es lange Zeit überhaupt nicht ausgesehen. In einem Spiel auf schwachem Niveau war Bochum in der 53. Minute durch Felix Passlack in Führung gegangen. Das verunsicherte den FC noch mehr, spielerisch lief nichts zusammen. Als dann nach 68 Minuten Torjäger Davie Selke verletzt ausgewechselt werden musste und Faride Alidou kurz darauf nur den Pfosten traf, schien fast alles gegen die Kölner zu laufen. Rund um die 80. Minute waren erste und vereinzelte Pfiffe zu hören, unüberhörbar skandierten einige Fans: „Wir wollen euch kämpfen sehen.“ Die Stimmung drohte zu kippen.
Und sie erhellte sich auch nicht wirklich, als Schultz nach der Hereinnahme von Alidou und Denis Huseinbasic (ab 63. Minute) und Waldschmidt (68.) dann in der 84. Minute seine letzten Wechsel vornahm. Für Sargis Adamyan und Jan Thielmann kamen Tigges und Benno Schmitz in die Partie. Spieler, die zuletzt viel Frust schoben. Wechsel, die wie das letzte Aufgebot anmuteten.
Doch da ahnte noch keiner, dass ausgerechnet Tigges, Schmitz und Waldschmidt noch zu Kölner Helden werden würden. In der Nachspielzeit nahm das Unfassbare seinen Lauf. Florian Kainz hatte in diesem Spiel eine große Streuung in seinen Standards, doch in der 91. Minute gelang dem Kapitän die perfekte Ecke, nach der Tigges per Kopf zum Ausgleich traf. Und nur 95 Sekunden später flankte Schmitz, der „kölsche Cafu“, mustergültig auf Waldschmidt, der ebenfalls einköpfte und Müngersdorf ausflippen ließ. „Das Spiel so zu drehen – das sind einfach unglaubliche Emotionen. Wir sind wild herumgelaufen, haben wild herumgeschrien. Es war echt ein Spiel, das in Erinnerung bleibt“, meinte Kainz.
Erstes Tor nach 322 Tagen: Kölns Stürmer Steffen Tigges wird emotional
Dabei war Tigges zuvor ein Stürmer der traurigen Gestalt, 322 Tage hatte er in der Bundesliga nicht getroffen. „Die letzte Zeit war natürlich nicht einfach für mich. Dass es heute so gut geklappt hat, bedeutet mir extrem viel, weil mir die Mannschaft immer den Rücken gestärkt hat, auch wenn es nicht gut in dieser Saison gelaufen ist. Deswegen freue ich mich, dass ich der Mannschaft und den Fans einfach mal etwas zurückgeben konnte“, befand ein emotionaler Tigges. Und Waldschmidt sagte mit einem Strahlen im Gesicht: „Das war sehr emotional. Nach dem 1:1 hat das Stadion schon getobt, nach dem 2:1 dann noch mal. Es war extrem wichtig, dass wir heute gewinnen, da brauchen wir nicht drum herumreden. Das war für uns als Team wichtig und für die Fans genauso. Mit dem Gefühl können wir in die nächsten Wochen gehen.“
Doch bei aller Freude über den so wichtigen Sieg und bei allem Lob über die Moral der Mannschaft gehört auch zur Wahrheit, dass am Samstag beim FC sehr vieles im Argen lag Das sah auch Keller so: „Bis zum Gegentor war offensichtlich, dass es für beide Mannschaften um extrem viel geht und beiden Mannschaften das auch bewusst ist. Meiner Meinung nach hatten wir damit mental mehr zu kämpfen als Bochum. Wir haben uns fast nur auf lange Bälle konzentriert, um dann zweite Bälle aufzusammeln. Das war sicher nicht unsere Idee.“
Und einen personellen Wermutstropfen gab es zudem: Am Montag muss sich Davie Selke einer MRT-Untersuchung unterziehen, dann steht fest, ob oder wie lange der Stürmer dem 1. FC Köln fehlen wird. Doch die ersten Aussagen und die Bilder von Selke, der nach seiner Auswechslung in der 68. Minute getragen werden musste und einen Eisbeutel um seinen linken Fuß legte, lassen erneut eine längere Zwangspause befürchten.
Selke hat sich an dem Fuß verletzt, an dem sich der Angreifer bereits im Januar einen Knochenbruch zugezogen hatte. Der mit sechs Liga-Toren bester Kölner Schütze war nach einem Kopfball-Duell unglücklich aufgekommen. „Das sah schon schrecklich aus“, schilderte Teamkollege Steffen Tigges. Beim Auswärtsspiel beim FC Bayern (Samstag, 15.30 Uhr) muss der FC definitiv auf Eric Martel verzichten, der nach seiner fünften Gelben Karte nun gesperrt ist.
Doch nach dem sagenhaften Finish ist der FC mit 22 Punkten jetzt wieder im Geschäft. Und sieht sich für den Endspurt gerüstet – vor allem mental. „In den letzten Spielen wird vieles, vieles im Kopf entschieden, nicht unbedingt nur in den Beinen oder mit dem Ball. Für diese Phase sind wir auf jeden Fall bereit. Dass wir ganz eng zusammen sind, die Jungs Charakter haben, füreinander da sind, das wird unser größtes Faustpfand in den letzten Wochen“, legte sich Trainer Schultz fest.