Eigentlich wäre jetzt die Zeit für Grundsatzentscheidungen. Stattdessen herrscht beim 1. FC Köln nur noch eine Kultur der sportlichen Ambitionslosigkeit.
Prinzip HoffnungDer 1. FC Köln, der gelähmte Verein
Seit nunmehr anderthalb Jahren befindet sich der 1. FC Köln, der zwischenzeitlich noch ein Hoch und sich im Sommer 2022 für das internationale Geschäft qualifiziert hatte, auf sportlicher Tal- und Irrfahrt. Ungebremst, so wie es ausschaut. Die leidgeprüften Fans, die früher am Marathontor in ganz anderen Situationen ihrem Unmut Luft gemacht hatten, haben vieles geduldig ertragen: den sportlichen Absturz, der im siebten Abstieg der Vereinsgeschichte mündete.
Die selbst verschuldete Transfersperre, die im deutschen Profifußball ihresgleichen sucht. Unverständliche Personal- und Trainerentscheidungen. Eine oft unwürdige Außendarstellung eines 140.000 Mitglieder großen, wuchtigen Traditionsklubs. Permanent befindet man sich im Entschuldigungs- und Rechtfertigungsmodus. Konsequenzen auf Führungsebene hatte all das keine.
1. FC Köln: Geduld der Fans ist aufgebraucht
Doch irgendwann ist bei allem berechtigten Wunsch nach Kontinuität die Geduld der Fans, die das höchste Gut des Vereins ist, aufgebraucht. Der Frust entlud sich nach dem 1:2 gegen Paderborn und dem Absturz auf mittlerweile Platz elf der 2. Bundesliga. Er richtete sich insbesondere gegen Sport-Geschäftsführer Christian Keller, seit nunmehr über zweieinhalb Jahren im Amt, dessen Entlassung die Fans forderten. Keller hatte nach dem 1:5 in Darmstadt die Mannschaft zerlegt („desolat, bodenlos, fürchterlich“), Trainer Gerhard Struber das Team in den letzten Tagen mit Geheimtraining abgeschottet. Maßnahmen, die wieder einmal verpufften.
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Doch es ist nicht verwunderlich, dass es auch am Wochenende keinerlei Konsequenzen gab. Präsident Werner Wolf gab dafür eine weitere Durchhalteparole ab, vermied allerdings auch ein längerfristiges Bekenntnis zu Keller und Struber. Man müsse sich „schon mal schütteln“, habe aber weiter das „große Ganze“ im Blick. Was immer das „große Ganze“ auch sein mag...
1. FC Köln: Fällt der offenbar überforderte Trainer Struber, dann fällt auch Keller
Der Verein, er wirkt wie gelähmt. Da ist zum einen der befürchtete Dominoeffekt. Denn fällt der offenbar überforderte Struber, dann fällt auch Keller, der erneut bei der Trainerwahl danebengelegen hätte. Und schnell geriete auch der angezählte, höchstumstrittene Vorstand wieder unter massivem Druck.
Zum anderen gibt es keinen Druck aus dem Verein. Wer soll diesen derzeit auch ausüben? Der Mitgliederrat ist das Aufsichtsgremiums des Vorstands, hat sich jüngst aber erst konstituiert und ist ebenfalls nicht unumstritten. Während der jüngsten Mitgliederversammlung hatte der Mitgliederrat nach den fatalen Ereignissen allerdings massive Kritik am Vorstand geübt und dessen die Nicht-Entlastung vorgeschlagen, die dann auch erfolgte.
Das Präsidium reagierte beleidigt. Der eigentliche Aufsichtsrat besteht ohnehin nur noch aus vier Personen, darunter das Vorstands-Trio. Und der Beirat, ein weiteres Gremium, dessen Mitglieder vom Präsidium berufen wurden, sollen den Verein mit „Rat und Tat“ unterstützen.
So sind nun einmal die Strukturen des Klubs, die er sich selbst gegeben hat. Dazu kommt, dass eine seriöse, ernstzunehmende Opposition im Umfeld des Klubs nicht auszumachen ist. Zumindest aktuell noch nicht. Das alles entbehrt nicht einer gewissen Tragik.
1. FC Köln: Zeit für Grundsatzentscheidungen
Dabei ist spätestens jetzt die Zeit für Grundsatzentscheidungen gekommen. Denn auf den 1. FC Köln warten so viele Aufgaben. Traut die Vereinsführung Trainer Struber wirklich den Turnaround zu, der, so war zu hören, bei der Mannschaft bisher nicht wirklich angekommen ist? Vertraut der Vorstand Sportchef Keller, der sich zudem auf der Geschäftsstelle nicht nur Freunde gemacht hat, ernsthaft die nächste Transferperiode an?
Die überwiegende Anzahl der Spielerverträge laufen 2025 und 2026 aus. Dümpelt der FC weiterhin in der 2. Bundesliga herum, hat der Klub wenige bis keine sportlichen Argumente, um vor allem die talentierten Spieler zu halten. Es sind Fragen, die beantwortet werden müssen. Man kann sie nicht erneut aussitzen. Liga-Konkurrent Fürth, ähnlich platziert, hat sie beispielsweise für sich beantwortet: Geschäftsführer Azzouzi und Trainer Zorniger mussten vor wenigen Tagen gehen.
Beim 1. FC Köln herrscht eine Kultur der sportlichen Ambitionslosigkeit
Doch wer würde im Fall einer Demission überhaupt auf Keller und Struber folgen? Und da gibt es insbesondere in der Personalie des Sportchefs bereits das nächste Dilemma: Zwar werden schon einige Manager- und Trainer-Namen, viele davon die „üblichen Verdächtigen“, am Geißbockheim gehandelt. Doch welcher gestandene Geschäftsführer Sport, geholt von einem Vorstand, der womöglich nur noch bis kommenden September überhaupt im Amt ist, wäre bei diesem Szenario zu dieser Aufgabe überhaupt bereit? Große Überzeugungsarbeit wäre auf jeden Fall notwendig. Auf dem Markt sind hingegen einige Kandidaten – Manager und Trainer.
Die Vereinsführung hat nun schon seit geraumer Zeit die falschen Prioritäten gesetzt. Natürlich, sie hat den Klub konsolidiert, was auch notwendig war. Das ging aber dramatisch auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit. Manifestiert wurde stattdessen eine Kultur der sportlichen Ambitionslosigkeit. Die FC-Bosse, so wirkt es, setzen weiter nur auf ein Prinzip: und zwar das der Hoffnung. Das kann mit ganz viel Glück aufgehen, aber derzeit spricht wenig bis nichts dafür.
Bonjour Tristesse.