Köln – Herr Funkel, Sie wurden kürzlich als neuer Schalke-Trainer gehandelt. Was war da dran?Friedhelm Funkel: Ob ich im Gespräch war, das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass ich keinen Kontakt zu Schalke hatte.
Sie hatten eigentlich Ihre Karriere beendet. Hätte Sie Schalke dennoch gereizt?
Ja – auch wenn ich mir keine großen Gedanken darüber gemacht habe, da es keine Anfrage gab. Aber durch Corona hat sich auch meine Lebenssituation verändert. Mit meiner Frau Anja hatte ich geplant, viel in der Welt zu verreisen. Wir hatten uns vorgestellt, jetzt in Kanada oder Neuseeland zu sein. Das war unser Traum. Aber der war und ist erst einmal nicht möglich. Darum bin ich wieder für vieles offen.
Schalke hat sich für Christian Gross entschieden.
Sportvorstand Jochen Schneider kennt ihn ja noch gut aus Stuttgarter Tagen. Christian Gross ist ein ganz anderer Trainertyp als Manuel Baum – nicht nur von der Statur her. Er ist durchsetzungsstark, hat viel Erfahrung und einige Erfolge vorzuweisen. Für Schalke geht es nur um Platz 16. Aber die Lage ist nicht hoffnungslos. Der Kader ist zwar nicht ausgeglichen besetzt, das ist das Problem, aber mit Serdar, Uth, Mascarell oder Raman hat Schalke auch richtig gute Spieler. Es ist ein Wahnsinn, dass diese Mannschaft seit 29 Spielen nicht mehr gewonnen hat. Wenn Schalke endlich ein Erfolgserlebnis gelingt, kann noch was gehen. Aber das muss schnell her.
Mainz 05 hat die Reißleine gezogen, den Manager gewechselt und sich erneut auch vom Trainer getrennt. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Ich denke, die Entscheidungen waren richtig. Mainz hat zuletzt ein ziemlich chaotisches Bild abgeben. Eine unmögliche Sache war schon der Spielerstreik im Herbst. Das habe ich in all den Jahren noch nie erlebt. Wie konnte man das nur zulassen? Als über eine Rückkehr von Christian Heidel spekuliert wurde, war für mich sonnenklar, dass es so kommt. Er verkörpert Mainz wie vielleicht nur noch einst Jürgen Klopp und kennt dort alles und jeden. Christian ist entscheidungsfreudig und hat früher in Mainz bei der Trainerwahl fast immer richtig gelegen. Einen Klopp oder Thomas Tuchel hatte er ja quasi aus dem Hut gezaubert.
Was sind die wichtigsten Tugenden eines Trainers im Abstiegskampf?
Das gilt nicht nur für den Abstiegskampf: Er muss einen sehr guten Zugang zur Mannschaft und das Vertrauen der Spieler haben. Er darf nicht hektisch werden, muss aber situationsbedingt handeln können. Und dann muss er energisch und ehrlich sein. Und er muss authentisch bleiben, darf sich nicht verändern – nur um vielleicht öffentlich besser dar zu stehen.
Ihr Ex-Klub, der 1. FC Köln, hat trotz 18 sieglosen Bundesligaspielen in Folge an Trainer Markus Gisdol festgehalten.
Ich habe viele FC-Spiele und zuletzt eine Mannschaft gesehen, die gut eingestellt war, Leidenschaft gezeigt hat, fit ist. Horst Heldt hat dem Druck standgehalten, für den Trainer gekämpft und sich auf seinen Eindruck verlassen. Und der ist: Markus Gisdol erreicht die Jungs. Horst und Alex Wehrle sind die entscheidenden Personen beim FC. Sie identifizieren sich zu 100 Prozent mit dem Klub, bei ihnen liegt er in guten Händen. Über den Vorstand kann ich wenig sagen, er tritt überörtlich kaum in Erscheinung. Aber das ist nicht schlimm, beide repräsentieren den FC ja gut nach außen.
Welcher Klub hat im Abstiegskampf die besten Chancen?
Ich wünsche mir nicht nur, dass der FC mindestens 15. wird, sondern er hat von den vier Teams auf den Plätzen 15 bis 18 auch die größten Chancen, die Klasse zu halten. Der FC macht den stabilsten Eindruck, Mannschaft und Trainer wirken geschlossen. Ich finde auch den Weg des Klubs richtig, wieder mehr auf die eigenen Talente zu setzen. Und das nicht nur wegen der Corona-Krise und der finanziellen Situation, sondern vor allem weil der FC eine richtig gute Nachwuchsarbeit hat. Die U21, die U19, die U17: Sie alle stehen hervorragend da. Auch, weil der FC im Nachwuchs gute Trainer wie Stefan Ruthenbeck beschäftigt hat.
Dennoch hat der FC das Ausnahmetalent Florian Wirtz an Leverkusen verloren.
Das ist bitter, ließ sich im letzten Winter aber nicht mehr verhindern. Da hätte der FC schon vor zwei, drei Jahren reagieren müssen, das Talent von Florian Wirtz war ja offensichtlich. Mit Bayer hat er eine Top-Mannschaft, in der er sich optimal entwickeln kann. Er hat beste Voraussetzungen für eine große Karriere. Wirtz hat nicht nur das Talent, sondern wirkt charakterlich fest und tritt bescheiden auf.
Rechnen Sie mit Leverkusen nach der vermeidbaren Niederlage gegen die Bayern noch im Meisterrennen?
Leverkusen wird sich dennoch nicht so leicht abschütteln lassen, die Bayern müssen sich weiter strecken. Leverkusen hat die Belastung im Europapokal bisher überragend weggesteckt. Der Titelkampf wird spannender als zuletzt – auch wenn ich die Bayern am Ende im Vorteil sehe.