Der Klub muss sich einen neuen Trainer suchen und den alten abfinden. Die FC-Bosse und Baumgart fanden nicht mehr zueinander.
Abschied mit AbfindungSteffen Baumgart und die FC-Bosse fanden nicht mehr zueinander
Steffen Baumgart war nach der 0:2-Niederlage des 1. FC Köln bei Union Berlin in Köpenick geblieben; der beliebte Trainer hat nach seiner Zeit bei den „Eisernen“ weiter seinen Hauptwohnsitz im Südosten der Hauptstadt. Am Donnerstag trat der 51-Jährige dann die Reise nach Österreich an, in Saalbach-Hinterglemm verbringt die Familie traditionell die Weihnachtstage und Silvester.
Doch davor galt es noch, Entscheidendes zu klären. Schon vor ein paar Tagen, vielleicht auch Wochen, war bei Baumgart innerlich eine Entscheidung gereift, die er nach dem Zusammenbruch seiner Mannschaft in Berlin schon unmittelbar nach dem Abpfiff beinahe kundgetan hätte, sie dann aber erst am Donnerstagvormittag Sport-Geschäftsführer Christian Keller telefonisch mitteilte: Baumgart erklärte, dass es besser sei, sich nach den jüngsten Entwicklungen zu trennen.
Am Nachmittag folgte die offizielle Verkündung. „Der 1. FC Köln und Cheftrainer Steffen Baumgart beenden die Zusammenarbeit mit Wirkung zum Jahresende.“ Keller, Lizenzspielleiter Thomas Kessler und der 51-Jährige hätten den bisherigen Saisonverlauf und die aktuelle Situation analysiert. „Dabei gilt es vollkommen zu respektieren, dass Steffen seine persönliche Überzeugung hinterfragt hat. Im Ergebnis sind wir deshalb gemeinsam zur Entscheidung gelangt, die Zusammenarbeit zu beenden – auch wenn das menschlich schmerzhaft ist.“ Übersetzt teilte der Verein also mit, dass Baumgart sich zwar Gedanken gemacht, im Ergebnis aber bei seiner Meinung geblieben sei.
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Der Trainer, der in den vergangenen zweieinhalb zu dem Gesicht des Klubs geworden war, soll nicht mehr den Rückhalt der FC-Bosse gespürt und erhebliche Zweifel gehabt haben, ob mit dem Kölner Kader der Klassenerhalt möglich sei. Nach der jetzt feststehenden Transfersperre wird dieser Kader weder in diesem Januar noch im kommenden Sommer verstärkt werden können. Der „eingeschlagene Weg“ des Klubs habe viel Überzeugung verlangt, man habe sich „in den vergangenen Tagen sehr offen, direkt, sachlich und respektvoll ausgetauscht, ob diese Kraft und Überzeugung wirklich noch in ausreichendem Maße vorhanden sind“, wurde Keller in der Klub-Mitteilung weiter zitiert.
Baumgart teilte mit, dass ihm die Entscheidung nicht leichtgefallen sei. „Der Klub ist in den letzten zweieinhalb Jahren Heimat für mich geworden. Was wir hier gemeinsam mit der Mannschaft, meinem Trainerteam, aber auch mit dem gesamten Verein erreicht haben, macht mich stolz. Gleichzeitig ist das aber auch der Grund, warum ich jetzt das Gefühl hatte, dass es eine Veränderung braucht. Der FC steht über allem – und obwohl wir in den letzten Wochen und Monaten sehr viel investiert haben, fehlen die Ergebnisse. Wahrscheinlich braucht es dazu dann eben doch einen neuen Impuls. Zu gehen, tut weh, aber ich bin dankbar für die Zeit hier“, sagte der Rostocker – und dankte allen.
FC muss Baumgart und Co. mit Millionen-Summe abfinden
Die Trennung von Baumgart wird den ohnehin schon finanziell gebeutelten Klub teuer zu stehen kommen. Der Coach ist nicht zurückgetreten. Eine Abfindung wird fällig. Baumgart soll nach Informationen dieser Zeitung rund 150.000 Euro monatlich beim FC verdient haben. Bei noch anderthalb Jahren Restlaufzeit des Vertrags würden da rund 2,7 Millionen Euro zusammenkommen. Diese Summe indes muss der FC nicht bezahlen, die Abfindung ist offenbar gedeckelt und könnte bei rund der Hälfte liegen. Offen ist noch, wie mit dem Trainerteam verfahren wird. Co-Trainer René Wagner (35) kam 2021 mit dem Chefcoach zum FC, auch er dürfte wohl gehen. Fraglich ist zudem, ob Torwarttrainer Uwe Gospodarek (50) noch eine Zukunft am Geißbockheim hat oder sie auch sieht. Der langjährige FC-Assistent André Pawlak (52) soll hingegen bleiben. Die Verträge der Assistenten laufen ebenfalls bis 2025.
U21-Trainer Sbonias fehlt die benötigte Uefa-Pro-Lizenz
Gedankenspiele, U21-Trainer Evangelos Sbonias (vorerst) zum Cheftrainer der Profis zu befördern, lassen sich aufgrund der Statuten nicht realisieren. Der 41-Jährige besitzt die Uefa-A-Lizenz, nicht aber die geforderte Uefa-Pro-Lizenz.
Zurück zum Rücktritt des Cheftrainers. Der Gefühlsmensch Baumgart hatte bereits nach dem Auftritt im Stadion an der Alten Försterei schwer getroffen gewirkt. Desillusioniert, leer. Das war aus seinen Aussagen zu verstehen. „In der Gesamtheit sieht die Situation nicht gut aus. Deswegen machen wir uns in alle Richtungen Gedanken“, erklärte er, und weiter: „Es geht um den Verein. Es geht darum, was das Beste für den FC ist. Wir haben alle eine Verantwortung, und der müssen wir uns stellen.“
Das hatten viele schon als Rücktritts-Gedanken interpretiert, und tatsächlich war Baumgart schon kurz nach dem Schlusspfiff offenbar bereit, die Brocken hinzuwerfen. Zu brutal war der Zusammenbruch seiner Mannschaft. Nach überlegen geführten 55 Minuten hatte sich der FC nach dem 0:1 in sein Schicksal ergeben und eine deutlich höhere Pleite kassieren können als das 0:2 durch Tore von Hollerbach (55.) und Fofana (78.).
Die Mannschaft hatte noch klar für einen Verbleib des Trainers plädiert
Die Spieler plädierten noch am Mittwochabend für Baumgarts Verbleib. „Wir stehen voll und ganz hinter dem Trainer und wissen, was wir an ihm haben. Wir wissen, dass wir immer einen guten Plan an die Hand bekommen. An ihm liegt es nicht“, sagte Torhüter Marvin Schwäbe. „Steffen Baumgart und sein Team haben uns überragend eingestellt. Am Ende sind wir es auf dem Platz, die die Dinger reinmachen müssen“, urteilte Davie Selke. Doch das ist jetzt alles Makulatur. Genau wie der ursprüngliche Plan, die Hinrunde erst am Freitag zu analysieren. Baumgart kam der Entscheidung zuvor.
Bis zuletzt hatte Baumgart viele Fans auf seiner Seite, die Stimmung schien eher gegen Christian Keller und die Klubführung zu drehen, die einen Weg der nachhaltigen Gesundung verfolgen, der angesichts der Lage in Verein und Liga folgerichtig scheint. Doch leisten sich die Verantwortlichen derzeit zu viele Fehler, um auf diese Art erfolgreich zu sein.
Sportchef Keller hatte sich offenbar noch vorstellen können, die Zusammenarbeit mit dem Trainer fortzusetzen. Ob das auch der Vorstand so sah, ist schwer zu sagen. Das Präsidium schwieg bisher und wird sich wohl am Freitag erklären, erklären müssen – natürlich auch zum Cas-Urteil und seinen Folgen. Donnerstag beließ es Präsident Werner Wolf bei der Würdigung von Baumgarts Leistungen und wünschte dem Trainer „alles Gute und den gebührenden Erfolg“.
Thomas Reis ein Nachfolge-Kandidat am Geißbockheim
Und wer könnte Baumgart nachfolgen? Wie diese Zeitung erfuhr, gilt Thomas Reis als einer der Kandidaten. Der 50-Jährige war erfolgreich beim VfL Bochum und später weniger erfolgreich bei Schalke 04 tätig. Es ist bekannt, dass Baumgart und Reis befreundet sind. Das soll aber kein Ausschluss-Kriterium sein. Doch an Reis, so war zu erfahren, soll auch Abstiegskonkurrent Mainz 05 interessiert sein.