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1. FC Köln stoppt China-Engagement„Wollen eine brutale Diktatur nicht unterstützen”

Lesezeit 4 Minuten
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November 2016: Chinas stellvertretende Ministerpräsidentin Liu Yandong zu Besuch beim 1. FC Köln, Alexander Wehrle (l.) und Werner Spinner (r.) empfangen die mächtige Politikerin.

  1. China träumt vom großen Fußball im eigenen Land samt großer Erfolge. Deswegen hat das Riesenreich in der Vergangenheit Verträge mit vielen westlichen Staaten geschlossen.
  2. Auch mit Deutschland gibt es eine Kooperation, der 1. FC Köln sollte eine wichtige Rolle übernehmen.
  3. Der Bundesligist sollte eine Jugend-Akademie in Shenjang leiten und dafür 1,8 Millionen Euro erhalten. Doch daraus wird nichts. Wir erklären, warum.

Köln – Im November 2016 schlossen Vertreter der deutschen und der chinesischen Regierung ein Abkommen. Für zunächst fünf Jahre vereinbarten beide Länder eine „weitreichende Zusammenarbeit im Fußball“. Der Deutsche Fußball-Bund erklärte, es solle durch „umfangreiche Maßnahmen die Entwicklung des chinesischen Fußballs unterstützt werden – etwa in der Ausbildung von Spielern, Trainern und Schiedsrichtern sowie durch einen Wissensaustausch“. Anlässlich eines Besuchs der Kanzlerin in Peking hatten Chinas Staatspräsident Xi Jinping und Angela Merkel viel über Fußball geredet. Zum Gegenbesuch schickte Chinas Staatschef die mächtigste Frau im Lande, die stellvertretende Ministerpräsidentin Liu Yandong.

Deutsch-Chinesische Sehnsüchte

Chinas Nationalmannschaft darbt, dabei gibt es rund 400 Millionen Fußballfans im Land, jedenfalls sind das die Zahlen, die stets genannt werden und für Euphorie sorgen aufseiten derer, die stets nach Menschen suchen, denen sie noch etwas verkaufen können – sei es ein Trikot oder ein TV-Abonnement. Die Kooperation bedient also zwei Sehnsüchte: Die der Deutschen nach neuen Märkten in Fernost. Und die der Chinesen, im komplexen Spiel Fußball endlich ein Faktor zu werden. China steht vor gesellschaftlichen Umbrüchen, früher oder später wird Ideologie allein nicht mehr genügen, um das Riesenreich zu einen. Fußball könnte eine Klammer sein, auch da ist Deutschland mit seinem Sommermärchen 2006 ein Vorbild: China träumt davon, die WM auszurichten. Und selbstverständlich will China dann gewinnen.

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Aus Berlin reiste Liu Yandong im Herbst 2016 weiter zum 1. FC Köln, um sich im Grüngürtel anzusehen, wie ein Bundesligaklub vorgeht. Die deutschen Nachwuchsleistungszentren werden in einem umfangreichen Prozess zertifiziert, die Jugendarbeit beim 1. FC Köln gilt als vorbildlich. FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle und Werner Spinner, damals Vereinspräsident, fungierten als Gastgeber der chinesischen Delegation. Auch DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius und Liga-Präsident Reinhard Rauball waren in den Grüngürtel gekommen. Liu Yandong sah sich ein Jugendtraining an und war überzeugt: Um eines Tages die WM gewinnen zu können, müsste die Ausbildung der Spieler in einer Nachwuchsakademie nach deutschem Vorbild ihren Anfang nehmen. So etwas wollten die Chinesen haben.

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Werner Wolf

Das Kölner China-Engagement sollte also auf dem Transfer von Wissen beruhen. Einen Fanshop in der chinesischen Provinz zu eröffnen und auf einer Sommertournee die FC-Profis vorzuführen, die schon im eigenen Land nur begrenzten Star-Appeal haben, war nicht Teil des Konzepts. Stattdessen wollte man dabei helfen, dass eines Tages eine chinesische Nationalmannschaft im WM-Finale im eigenen Land steht, in der zahlreiche Akteure auflaufen, die in einer Akademie nach Kölner Standards ausgebildet wurden. So wollte man den 1. FC Köln in Chinas Fußball-DNA verankern und sich Zugang verschaffen zu den Verheißungen des größten Marktes der Welt.

1,8 Millionen Euro sollten nach Köln fließen

Partner waren bereits gefunden. Der chinesisch-deutsche Automobil-Hersteller BMW-Brilliance, der sein größtes Werk in Shenjang in Chinas Nordosten unterhält, wollte in Zusammenarbeit mit der örtlichen Universität und dem regionalen Fußballverband die Akademie bauen. Der 1. FC Köln sollte die sportliche Leitung übernehmen. Ein Sechsjahresvertrag war im Gespräch, 1,8 Millionen Euro sollten nach Köln fließen. Ein Mitarbeiter des FC hätte die Akademie geleitet. Doch zu einem Vertragsschluss wird es nicht kommen.

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Stefan Müller-Römer

Im vergangenen Sommer lehnte Interims-Vorstand Stefan Müller-Römer das Engagement ab, seine Kollegen Toni Schumacher und Markus Ritterbach verzichteten auf eine Intervention. Der neue Vorstand hat die Kooperation nun endgültig gestoppt. „Wir haben beschlossen, dieses Projekt in der derzeitigen sportlichen Situation nicht zu machen. Das hat mit dem Bündeln von Ressourcen und dem Setzen von Prioritäten zu tun, denn wir hätten bei dem Projekt auch Personal einsetzen müssen. Der FC hätte das sportliche und pädagogische Konzept verantwortet und umgesetzt, auch mit Trainern“, sagte Präsident Werner Wolf dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Geldverdienen nicht um jeden Preis“

Müller-Römer (51), der nach seinem Engagement im Vorstand nun wieder im Mitgliederrat des Vereins wirkt, begrüßt die Entscheidung. „Ich verstehe, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht vollständig an der Wirtschaftskraft Chinas vorbeikommt und also insoweit ein Austausch stattfindet. Aber im Sport brauchen wir China nicht, dabei bleibe ich. Vielmehr will China bei uns Wissen absaugen, wie es das in der Wirtschaft seit über 20 Jahren tun kann, weil unsere Wirtschaftsführer in Teilen völlig naiv sind“, sagt der Anwalt im Gespräch mit dieser Zeitung. „In China werden die Menschenrechte in massiver Form missachtet; dort wird ein totaler Überwachungsstaat aufgebaut, wie ihn sich George Orwell nicht schlimmer hätte ausdenken können. Ich beobachte die Entwicklung in China seit mehr als 20 Jahren und war viermal im Land. Ich weiß daher, wovon ich rede. Deswegen bin ich nach wie vor der Ansicht, dass ein Verein wie der 1. FC Köln dort nicht aktiv sein sollte, weil Geldverdienen um jeden Preis für mich nicht in Frage kommt. Abgesehen davon ist sehr fraglich, ob man dort überhaupt Geld verdienen kann. Aber selbst wenn es so sein sollte, gibt es höhere Werte als Geld. Und als gemeinnütziger Verein, der sich sozial engagiert, können wir eine so totalitäre und brutale Diktatur nicht unterstützen.“