- Trainer Markus Gisdol ist nach Cheftrainer-Stationen in Ulm, Hoffenheim und beim Hamburger SV seit November beim 1. FC Köln.
- „Mich hat der ganze Verein regelrecht gepackt“, sagt er im Interview über den FC.
- Außerdem ist er sich sicher: „Wir brauchen noch mehr Körperlichkeit, noch mehr Energie, mehr Läufe, mehr Aggressivität.“
Köln – Herr Gisdol, vor Ihrem Engagement beim 1. FC Köln waren Sie fast zwei Jahre ohne Job. Wird man da unruhig?
Markus Gisdol: Nein, überhaupt nicht. Ich wollte mich nicht treiben lassen, sondern auf den Moment warten, in dem alles passt. Endlich hatte ich zudem mal genug Zeit, um Dinge zu machen, zu denen man nicht kommt, wenn man im Job ist. Ich habe mich sehr viel fortgebildet. Und ich hatte mir ganz fest vorgenommen, nach der Zeit in Hamburg eine ganz vernünftige und keine vorschnelle Entscheidung zu treffen. Das hatte ich auch mit meiner Frau so besprochen. Und das habe ich geschafft. Ich bin glücklich drüber, denn es gab schon Jobs, die mir angeboten wurden.
Warum haben Sie dann den Job beim 1. FC Köln übernommen, der damals mit dem Rücken zur Wand stand?
Wir stehen noch immer mit dem Rücken zur Wand. Man kann es manchmal nicht so richtig beschreiben. Aber die Aufgabe beim FC mit dieser spannenden Mannschaft hat mich sofort gereizt. Mich hat der ganze Verein regelrecht gepackt. Von Anfang an hatte ich sehr gute Gespräche. Ich habe gleich gespürt, dass diese Aufgabe, dieser Job zu mir passen könnte. Deshalb hatte ich auch keine Bedenken, das Angebot in dieser Situation anzunehmen.
Nach Ihren Jobs in Hoffenheim und Hamburg haben Sie den Ruf als Feuerwehrmann weg. Stört Sie das?
Bis zu meinem Start in der Bundesliga bin ich kein Retter gewesen, sondern war mit meinen Mannschaften immer sehr erfolgreich. So bin ich ja erst in die Bundesliga gekommen. In Hoffenheim habe ich in einer eigentlich aussichtslosen Situation angefangen, wir erreichten aber noch den Klassenerhalt. In den Spielzeiten danach sind wir dann Neunter und Achter geworden.
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Da haben wir einiges entwickelt, aber das hat weniger interessiert. Dennoch sehe ich mich eher in dieser Rolle. Ich weiß, dass ich Mannschaften retten kann, aber ich gestalte lieber. Ein Verein muss auch immer eine Perspektive haben.
Was haben Sie aus Ihren Entlassungen gelernt?
Grundsätzlich ist Haltung in unserem Geschäft ganz wichtig. Man muss lernen, mit schwierigen Situationen umzugehen. In unserem Sport ist alles von sehr vielen Emotionen geprägt. Mein Pegel schlägt deshalb nie zu sehr nach oben oder unten aus.
Geislingen ist jetzt keine Großstadt. Aber auch die Allgöwer-Brüder kommen von dort, und Jürgen Klinsmann startete im Klub seine Karriere.
Ja, Jürgen hat beim SC Geislingen gespielt und auch heute noch eine enge Verbindung zum Klub.
Und wie ist Ihre Verbindung zu Klinsmann?
Wir haben uns erst neulich bei einem Benefizspiel in Geislingen getroffen, da waren wir beide noch nicht im Amt, er noch nicht bei Hertha und ich noch beim FC. Es war daher witzig, dass wir zwei Geislinger fast zeitgleich wieder in der Bundesliga eingestiegen sind. Wir treffen uns manchmal beim Italiener in Geislingen und verstehen uns sehr gut.
Hat es Sie gewundert, dass er zu Hertha gewechselt ist?
Nein, ich wusste, dass Jürgen wieder im Spitzenfußball und am liebsten in Deutschland arbeiten möchte.
Jürgen Klinsmann hat als Spieler eine Weltkarriere hingelegt. Sie mussten aus Verletzungsgründen mit 27 Jahren die Fußballschuhe an den Nagel hängen.
Ja, aber das war der Start für mich als Trainer. Ich war leidenschaftlicher Fußballer, hatte aber einen Knorpelschaden im Knie und habe leider nicht höher als in der Dritten Liga gespielt. Dennoch war meine Passion für den Sport immer unglaublich hoch. Schon als Spieler habe ich gedacht wie ein Trainer. Ich habe dann tatsächlich in den untersten Ligen angefangen, ich weiß nicht, ob es noch einen Bundesliga-Trainer gibt, der in der Kreisliga B begonnen hat.
Empfinden Sie bei Ihrer Vita das Bundesliga-Geschäft als sehr spezielles?
Ja, das ist es. Es ist hektisch, aber es hat sich so entwickelt und überträgt sich selbst auf den Amateurfußball. Trotzdem ist die Bundesliga die Liga, in der jeder gerne als Trainer arbeiten möchte. Bei aller Hektik und allem Tohuwabohu ist das ein wunderbarer Job. Ich darf mit den besten Athleten arbeiten, das ist ein Privileg. Das schätze ich sehr.
Beim FC war jüngst ein großes Thema, dass Sie vier Spieler aussortiert haben. In Hoffenheim hatten Sie einst einen „Bautrupp“ aufgemacht mit Tim Wiese an der Spitze.
Man muss für den Erfolg manchmal auch unpopuläre Entscheidungen treffen und durchgreifen. Dennoch kann man die Situationen nicht vergleichen, in Hoffenheim hatten wir damals 43 Spieler. Es gab keine andere Lösung. Zu Tim habe ich heute übrigens noch einen guten Draht, es ist immer wichtig, dass man vernünftig miteinander umgeht und das bespricht. Auch beim FC haben wir das den Spielern genau erklärt.
Nach Ihren Abschieden aus Hoffenheim und Hamburg gab es auch kritische Stimmen Ihrer Person gegenüber.
Ganz ehrlich, ich habe keine Energie, mich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Dafür habe ich beim FC eine zu große Aufgabe.
Was war eigentlich die Idee hinter dem Transfer von Mark Uth?
Kennen Sie die nicht?
Eigentlich war der FC doch offensiv ganz gut aufgestellt, da gab es doch eher andere Baustellen im Kader.
Das sehe ich anders. Für mich ist Mark ein Zehner, und wir hatten bisher keinen Spielertypen wie ihn. Er ist ein ganz anderer Spielertyp als Jhon, Simon oder Tony.
Die drei Siege vor der Winterpause waren extrem wichtig. Was war gut und was müssen Sie noch verbessern, um den Klassenerhalt zu schaffen?
Der erste wichtige Schritt war, dass wir die kritische Situation richtig angenommen haben. Jetzt geht es darum, die Art und Weise unseres Fußballs zu stabilisieren. Wir brauchen noch mehr Körperlichkeit, noch mehr Energie, mehr Läufe, mehr Aggressivität. Wir haben gute Kicker im Team, aber diese Eigenschaften brauchen wir als Basis.
Wie empfinden Sie die Kölner Mentalität, dieses Nahbare?
Die Mentalität ist anders, aber mir gefällt sie sehr. Manchmal hast du vielleicht das Gefühl: Hoppla, das geht aber schnell, dieses Nahbare, wie Sie sagen. Aber vom ersten Moment an wurde ich super aufgenommen – ob bei der Mannschaft oder auf der Geschäftsstelle. Ich hatte es noch nie, dass ich mich so schnell so wohlgefühlt habe wie jetzt hier beim FC. Das ist wie bei einer kleinen Familie. Wir haben uns alle verbündet. Aber nur so geht es.
Ex-Vorstand äußert sich zum Kölner Engagement in China
Markus Ritterbach, ehemaliger FC-Vizepräsident, hat sich zur Absage des Kölner Engagements in China geäußert. Im vergangenen Sommer war das Projekt, eine Fußballakademie im Nordosten des Landes zu konzipieren und sportlich zu leiten, nicht weiter verfolgt worden.
Damals war Stefan Müller-Römer Teil des Vorstands. In einem Interview mit der „Kölnischen Rundschau“ hatte der Anwalt kurz vor der Jahreshauptversammlung im September Bilanz gezogen. Neben anderen Engagements „konnte ich verhindern, dass die umstrittenen geschäftlichen Beziehungen nach China vor der Vorstandswahl weiter ausgebaut werden“, sagte er.
Die Vizepräsidenten verzichteten darauf, Müller-Römer im Vorstand zu überstimmen und die Akademie auf den Weg zu bringen, dabei hatte der Vorstand noch in Werner Spinners Amtszeit und mit Unterstützung der Gremien viel Arbeit in die Kooperation mit China investiert.
Ritterbach erklärt allerdings, dass es gar nicht zu einer Entscheidung im Vorstand gekommen sei. „Richtig ist vielmehr, dass das Projekt eine Größenordnung hatte, bei der nicht der Vorstand, sondern der Gemeinsame Ausschuss zuständig war“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Da der Vertrag erst im Spätsommer ausverhandelt war, entschied der Gemeinsame Ausschuss, dass dieses Projekt aufgrund seiner strategischen Ausrichtung erst nach der Mitgliederversammlung durch die neu gewählten Gremien entschieden werden sollte“, sagt Ritterbach. (ksta)