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Derby wird wohl GeisterspielKölner Wut über Handhabung der Corona-Krise

Lesezeit 6 Minuten
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Blick in den leeren Borussia-Park in Mönchengladbach 

  1. Die erste Partie unter Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund des Coronavirus könnte das Derby in Gladbach sein.
  2. FC-Sportchef Horst Heldt kritisiert die Vorgehensweise der Entscheidungsträger beim Umgang mit der Austragung
  3. Sehr viele Fragen sind noch ungeklärt, etwa die nach den wirtschaftlichen Schäden für die Klubs und die bezüglich einer Wettbewerbsverzerrung.

Köln – Es herrscht Unsicherheit, Unklarheit und Ratlosigkeit, wohin man schaut und hört. Und die vielen kryptischen Aussagen der Entscheidungsträger bringen auch noch keinen so richtig weiter. Eigentlich müsste die Vorfreude beim 1. FC Köln auf das Derby am Mittwoch bei Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr/Sky) so groß sein wie schon lange nicht mehr. Nach acht Siegen in zehn Spielen hat die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol eine breite Brust.

Doch da ist das grassierende Coronavirus, das auch nicht vor der Bundesliga und dem Derby halt macht. Es gibt viele Fragen, aber wenige eindeutige Antworten. Die neue Lage, sie überfordert offenbar viele Verantwortliche.

Dabei wird das Derby im Borussia-Park fast sicher zum ersten Geisterspiel in der Bundesliga aufgrund des Coronavirus. So wie dies bereits in anderen betroffenen Ländern gehandhabt wird. Die jüngsten Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und -Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (alle CDU), nach denen Großveranstaltung ab 1000 Personen vorerst nicht mehr stattfinden sollen um eine Ansteckung einzudämmen, lassen eigentlich keine andere Interpretation zu, als dass es zu zahlreichen Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit kommt.

Die Bundesliga steht vor zahlreichen Geisterspielen

Nur offiziell verkündet hat dies noch keiner. Auch eine Entscheidung, ob das Derby am Mittwoch ohne Zuschauer ausgetragen oder vielleicht sogar erneut verschoben wird – Mitte Februar verhindert Sturmtief „Sabine“ die Austragung – gab es am Montag noch nicht.

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Bundesminister Spahn kann zwar Empfehlungen aussprechen, doch entschieden wird auf Länderebene. Und vor Ort sind Städte und Gesundheitsämter verantwortlich. Laumann traf sich am Montagabend mit den Stadtspitzen aus NRW. Die Stadt Mönchengladbach gab am Montag bekannt, dass eine Entscheidung über die Austragung des Derbys als Geisterspiel oder eine Absage erst am Dienstag getroffen werde.

Man muss kein Prophet sein: Die Bundesliga steht vor zahlreichen Geisterspielen, die heilige Kuh des deutschen Sports, sie ist ebenfalls infiziert. Und Nordrhein-Westfalen ist mit seinen Bundesligisten Köln, Gladbach, Dortmund, Schalke, Leverkusen, Düsseldorf und Paderborn besonders betroffen. Klar ist: Der Ball wird weiter rollen. Und dies eher ohne denn mit Zuschauern.

„Bleiben die Fans Zuhause?“

Beim 1. FC Köln sind die Verantwortlichen bei allem Verständnis für die Komplexität der neuen Bedrohungslage genervt von der Unklarheit. FC-Sportchef Horst Heldt zeigte keinerlei Verständnis, dass das Thema so unterschiedlich behandelt wird. Eine einheitliche Regelung vermisst er. „Ich finde es konsequent inkonsequent, was wir gerade tun. Wir handeln gerade inkonsequent in vielerlei Hinsicht“, sagte Heldt am Montagmittag und forderte mehr Klarheit und Transparenz. Manche Spiele würden ohne Fans ausgetragen, andere, wie die Zweitliga-Partie am Abend in Stuttgart, wiederum nicht. „Ich wünsche mir, dass irgendwann jemand mal eine klare Ansage macht. Das wäre sinnvoll für alle Beteiligten. Menschen in Führungspositionen müssen führen. Das muss der Trainer, das muss ich. Das würde ich mir von anderen auch manchmal wünschen. Wir sind aber nur Empfänger und entscheiden es letztlich nicht.“

Für Heldt sei das ganze Thema auch nicht zu Ende gedacht. „Was passiert am Mittwoch? Bleiben die Fans alle Zuhause?“ Und wie stehe es um andere Lebensbereiche? „Ich weiß nicht, ob morgen der Bahnverkehr eingestellt wird oder bei Ford nicht mehr in der Kantine gegessen werden darf“, sagte der 50-Jährige.

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Ob der FC auch innerhalb des Klubs Maßnahmen aufgrund des Coronavirus ergreife, wurde der Kölner Sportchef gefragt. Der antwortete mit etwas Flachs: Man liege sich nicht permanent in den Armen. Zudem sollen Mitarbeiter und Gäste, die die Geschäftsstelle betreten, sich desinfizieren. Dazu hat der FC innerhalb seiner Räumlichkeiten zahlreiche Desinfektionsspender aufgestellt.

Borussia schottet sich ab

In Mönchengladbach ist man schon einen Schritt weiter. Der Klub aus der unmittelbaren Nähe zum Kreis Heinsberg, dem bisherigen Corona-Herd Deutschlands, verhängte erste Maßnahmen. So finden alle Trainingseinheiten dieser Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zudem sollen die Profis keinen Fan-Kontakt haben, Selfies oder Autogramme-Wünsche werden vorerst nicht erfüllt. Auch sind den Spielern Interviews mit Medienvertretern untersagt.

Und dann ist da der wirtschaftliche Schaden aufgrund von Spielen ohne Fans, der auf die Klubs unweigerlich zukäme und in die Millionen ginge. Natürlich wäre auch der FC als Ausrichter betroffen, schon am Samstag, wenn der FC im Rhein-Energie-Stadion den FSV Mainz 05 empfängt.

„Wirschaftlichen Schaden kalkulieren wir durch"

„Den wirtschaftlichen Schaden durch mögliche Geisterspiele kalkulieren wir natürlich durch. Und das wird spannend bei der Lizenzierung für die nächste Saison. Wenn Zuschauereinnahmen wegbrechen, wird das ein Problem für fast alle Bundesligisten. Und was ist mit den Dauerkarten?“, fragte Heldt. Ebenso stellen sich die Fragen der Regressansprüche und der Wettbewerbsverzerrung, die ebenfalls noch ungeklärt sind. Wäre es richtig, wenn der eine Klub noch vor Zuschauern auftreten und Einnahmen generieren kann und ein anderer Bundesligist Geisterspiele hat? Und wie läuft das jetzt mit den Tickets? FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle, der dem DFL-Präsidium angehört, das am Montag zu einer Krisensitzung zusammen kam, konnte und wollte auf Anfrage dieser Zeitung zu diesen Fragen noch keine Stellung beziehen.

Heldt erlebte schon einmal als Verantwortlicher ein Geisterspiel – als Manager von Schalke 04. Ende August 2013 trafen die Königsblauen in der Qualifikation zur Champions League auf Paok Saloniki, das Rückspiel in Griechenland fand aufgrund von Ausschreitungen der Paok-Anhänger zuvor ohne Zuschauer statt. Schalke zog zwar in die lukrative Gruppenphase der Königsklasse ein, Heldt hatte dennoch keine guten Erinnerungen an das Rückspiel. „Es war total beschissen. Es ist sehr schwer, sich zu motivieren. Es gibt da keinen Favoriten.“

Gisdols schwierige Kabinen-Ansprache

Markus Gisdol hatte solch eine Ausnahmesituation noch nie, wie er sagte. Dem Trainer des 1. FC Köln obliegt aber die Aufgabe, seine Mannschaft auf das gänzlich ungewohnte Szenario in einem leeren 54000-Zuschauer-Stadion vorzubereiten: „Ich muss mir über meine Ansprache Gedanken machen. Es wird wohl ein Testspielcharakter haben. Wir haben das ja ein paar Mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit geprobt.“

Bornauw fällt weiterhin aus

Für die Kölner kann ein Derby unter ohne Fans ein Vorteil sein, muss es aber nicht. Der FC hat zuletzt enorm viel Selbstvertrauen getankt, dennoch sieht Gisdol die Borussia immer noch als Favoriten an. „Na, klar. Ich tue mich schwer den Komplettwandel mitzumachen vom krassesten Absteiger aller Zeiten zum Champions League-Gegner auf Augenhöhe. Uns auf eine Stufe mit Gladbach zu setzen, das fände ich fast respektlos. Wir haben Respekt, aber keinesfalls Angst“, sagte der Coach, der weiter auf Innenverteidiger Sebastiaan Bornauw verzichten muss, der muskuläre Probleme habe. Genauer wurde Gisdol nicht. Eine Prognose beim jungen Belgier abzugeben sei schwierig. Es handele sich bei Bornauws Ausfall aber um Tage und nicht um Wochen, so Gisdol. Ansonsten könne er aus dem Vollen schöpfen, sogar Noah Katterbach sei wieder fit und könne bereits eine Alternative sein. Und das sind immerhin mal gute Nachrichten.