FC-Ärzte Schäferhoff und Klein„Dann komme ich auf den Platz und hol' dich runter“
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Schon als Kind saß er bei den Spielen des 1. FC Köln auf der Tribüne. Lange überlegen musste Peter Schäferhoff also nicht, als er 1996 den Anruf des damaligen FC-Geschäftsführers Wolfgang Loos erhielt.
Im Interview erzählt er gemeinsam mit Paul Klein, vor welcher Verletzung sich die Spieler am meisten fürchten und wer im Streitfall entscheidet, ob ein Spieler aufläuft oder nicht.
Herr Schäferhoff, wie wird man Mannschaftsarzt beim 1. FC Köln?Peter Schäferhoff: Als ich damals anfing, war ich in Köln in einer Klinik tätig, die sich um die Kölner Haie gekümmert hat. Wir wurden gefragt, ob wir die regelmäßig betreuen könnten; der damalige Chef hat zugesagt. Als ich aus dem Urlaub zurückkam, sah ich einen „Haie-Dienstplan“ für die nächsten sechs Wochen – mit sechs verschiedenen Ärzten. Da habe ich gesagt: Das geht nicht. Du kannst einem Profi nicht in jeder Woche einen anderen Arzt vorsetzen; das muss etwas Individuelles sein, zwei Ärzte maximal – mehr nicht.
Sie haben sich durchgesetzt?
Schäferhoff: Ja, mit einem Kollegen war ich ein paar Jahre lang Mannschaftsarzt bei den Haien. Und dann rief Wolfgang Loos an, damals Geschäftsführer beim FC – sie brauchten einen neuen Mannschaftsarzt. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, weil ich schon als Kind bei den Spielen auf der Tribüne war. Genau genommen: vor der Tribüne, da habe ich gegen Tennis Borussia an der Aschenbahn auf einem Bänkchen gesessen...
Schäferhoff: Ja, genau so. Und dann haben wir uns geeinigt. 23 Jahre ist das jetzt her.
Herr Klein, wie war das bei Ihnen?
Paul Klein: So ähnlich. Ich bin damals in die Praxis gekommen, und mein Chef – und jetziger Partner – Peter Schäferhoff war Mannschaftsarzt der Kölner Haie und des FC. Damals gab es in Köln den Basketball-Erstligisten Rhein-Energie Köln mit Trainer Svetislav Pesic. Da durfte ich anfangen, im Profisport zu arbeiten. Vier Jahre lang habe ich das gemacht, seit 2004 kümmere ich mich auch um die FC-Profis.
Was studiert man, um Mannschaftsarzt der Profis zu werden?
Schäferhoff: Medizin; wir sind beide Fachärzte für Orthopädie mit einer Zusatzausbildung in Sportmedizin.
Christoph Daum hat mal, da war er noch Trainer bei Bayer Leverkusen, die Aufgabenbereiche seines Funktionsteams beschrieben. Die Aufgabe der medizinischen Abteilung sei es, meinte er, ihm die Spieler im bestmöglichen körperlichen Zustand zur Verfügung zu stellen. Trifft das Ihr Aufgabenbild?
Klein: Wir sind ein Teil des Ganzen. Man hat immer mehr spezifizierte Berufsgruppen um die Mannschaft herum: Athletiktrainer, Rehatrainer, Physios – das hat sich alles sehr erweitert. Mit diesen Leuten diskutiert man, zum Beispiel mit dem Athletiktrainer. Ich weiß ja nicht, wie man ein Training aufbaut...
Schäferhoff: Diese Trainer fragen uns zum Beispiel, ob sie mit dem Spieler jetzt diese oder jene Übung machen können. Da sagen wir dann ja oder nein. Da muss man im stetigen Austausch sein , und das ist bei uns und beim 1. FC Köln der Fall.
Zu den Personen
Paul Klein, geboren am 23, Mai 1967, in Prüm, Facharzt für Orthopädie mit der Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Schwerpunkte sind die konservative Behandlung bei sporttraumatologischen Erkrankungen und Verletzungen der Muskulatur, der Sehnen, der Gelenke und des Rumpfes, Behandlung von funktionellen Bewegungsstörungen.
1988 – 1997 Medizinstudium in Köln
2003 Promotion an der Universität zu Köln.
2000 – 2003 Betreuer des Basketball-Bundesliga -Teams „RheinEnergie Köln
Seit 2004 Mannschaftsarzt 1. FC Köln.
Peter Schäferhoff, geboren am 14. Januar 1955 in Köln, ist Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie sowie Diplom-Sportlehrer.
1974 – 1981 Sportstudium an der Deutschen Sporthochschule Köln, Diplomarbeit, Promotion
1980 – 1986 Medizinstudium Universität zu Köln, Promotion
Schäferhoff: Athletiktrainer, Rehatrainer, drei Physios mit unterschiedlichen Spezifikationen – die sind direkt beim Verein. Im Hintergrund gibt es dann noch Internisten, Osteopathen, ein Chiropraktor, einen Psychologen vielleicht.
Und sind Sie die Chefs dieser Abteilung?
Schäferhoff: Formell ja. Aber tatsächlich denkt man da nicht hierarchisch. Jeder hat seine Aufgaben, und da, wo es sich überlappt, muss man anständig kommunizieren.
Klein: Wir sind ja nicht ständig am Trainingszentrum. Es gibt nur wenige Vereine in Deutschland, die das haben – und es hat sich gezeigt, dass das keinen nennenswerten Einfluss hat auf die Verletzungshäufigkeit.
Schäferhoff: Das ist momentan ein großes Thema. Wir glauben, dass das nicht sinnvoll ist, dass ein Vereinsarzt rund um die Uhr bei der Mannschaft ist. Man sieht dann, nach unserem Dafürhalten, nicht genug Patienten. Wir sind sozusagen wie Voll-Profis dauernd im Training, weil wir konstant mit Patienten arbeiten. Beim Verein gäbe es auch viel Leerlauf. Wir glauben, es ist besser, wenn man in der Klinik oder in der Praxis arbeitet. Aber man muss natürlich immer zur Verfügung stehen. Das tun wir.
Wenn jetzt – in diesem Moment – ein Spieler im Training umknickt. Was passiert denn dann?
Schäferhoff: Dann ruft Klaus Maierstein an, informiert uns kurz über das, was passiert ist und dann kommen wir direkt vorbei. In manchen Fällen geht es für die Spieler auch direkt zu uns, hier können sie immer sofort in den Kernspin. Das ist auch rund um die Spiele so. Verletzt sich ein Spieler am Wochenende, können wir ihn bei uns in der Klinik direkt untersuchen. Das ist nicht bei allen Klubs der Fall, da besteht zum Teil erst am Montag die Chance auf einen MRT-Termin. „Wir haben Wochenende“ – das gibt es bei uns nicht. Bei uns stehen die Radiologen, die man zum erweiterten Team zählen kann, Gewehr bei Fuß. Das ist wichtig für den Verein, aber am wichtigsten natürlich für den Spieler, damit er Gewissheit hat.
Welche Verletzungen begegnen Ihnen am häufigsten?
Klein: Das sind ganz klar Muskelverletzungen, die unteren Extremitäten beim Fußballer; dann kommen Gelenkverletzungen im Knie, Sprunggelenkverletzungen. Im Handball ist es etwas anders: Da hat man mehr Schulterverletzungen. Kopfverletzungen sind etwas, was im amerikanischen Sport – beim Football, beim Eishockey – eine sehr große Rolle spielt. Beim Fußball haben die Diskussionen darüber zuletzt zugenommen, spätestens seit Christoph Kramer im WM-Finale 2014 gefragt hat, wo er eigentlich ist. Seitdem ist die Sensibilität höher – man nimmt die Spieler zu Seite und schickt sie erst wieder zurück aufs Feld, wenn man beispielsweise eine Gehirnerschütterung ausschließen kann.
Klein: Man versucht, die Spieler auf die Belastungen bestmöglich einzustellen. Knochen, Sehnen, Muskeln. Das alles muss man gut dosieren, damit man nicht zu schnell zu viel macht – auch daraus entstehen wieder Verletzungen. Da ist Kommunikation wieder wichtig, zum Beispiel mit dem Athletiktrainer.
Schäferhoff: Da sieht man, wie wichtig diese funktionelle Testung in der Bewegungsanalyse ist, die wir jetzt seit fünf Jahren zur Verfügung haben.
Klein: Man kann genau sagen: Du läufst zu sehr mit X-Bein, du läufst zu sehr in Richtung O-Bein, du musst ökonomischer laufen – was dann auch eine Art Prophylaxe ist. Gibt es Muskeldefizite? Das alles kann man inzwischen messen. Das haben wir für den FC gemacht, aber auch für Fortuna Düsseldorf oder Bayer 04 Leverkusen. Damit haben die Klubs nun Basiswerte, da kann man nach einer Verletzung oder nach einer OP den richtigen Zeitpunkt ablesen, wann ein Sportler wieder ins Training einsteigen kann. Das war früher immer so ein bisschen, naja, Wischiwaschi.
Bauchgefühl...
Schäferhoff: Genau. Es gab Standards: Kreuzbandriss dauert sechs Monate.
Da es im Profisport eben auch um Geld, um viel Geld geht – wie frei sind die Ärzte in ihrer Entscheidung? Sagt der Klub schon mal: Du weißt, was der gekostet hat – ich brauche den in zwei Wochen wieder?
Schäferhoff: Auf gar keinen Fall. Bei unseren Entscheidungen, ob ein Spieler ins Training zurück darf oder nicht, hat nur eins Priorität: die Gesundheit des Spielers, und die ist nicht diskutabel. Auch völlig unabhängig von Drucksituationen, egal ob man um die Meisterschaft, den Aufstieg oder gegen den Abstieg spielt.
Klein: Wir sind da in einer ganz guten Position, eben weil wir nicht fest angestellt sind beim Verein. Wir sind also völlig frei in der Entscheidung.
Schäferhoff: Als Arzt würde man aber trotzdem nicht anders entscheiden...
Klein: Natürlich nicht, aber das Abhängigkeitsverhältnis wäre dennoch ein anderes. Und man muss sehen, dass ein Spieler dann für den Verein am wertvollsten ist, wenn er perspektivisch gesund ist – und nicht nur für ein, zwei Spiele.
Wer hat das letzte Wort, wenn Spieler und Trainer sich gegen den Arztwillen einig sind?
Schäferhoff: Wenn es nicht vertretbar ist und wir der Meinung sind „Nein“, dann bleibt es bei „Nein“. Wir hatten schon die Situation, wo wir Spielern gesagt haben: Du kannst gerne auflaufen, aber dann komme ich auf den Platz und hol’ dich da runter (lacht). Die meisten sind dann doch vernünftig.
Welche Verletzung würde ich mir als Fußballer auf gar keinen Fall aussuchen? Kreuzbandriss?
Schäferhoff: Das ist ja alles noch steigerbar. Wenn nur das Kreuzband betroffen ist, hat man eine gute Wahrscheinlichkeit, dass man wieder spielen kann. Aber wenn zum Beispiel auch die Menisken betroffen sind... Ganz genau weiß man es nie: Ich habe schon Leute operiert, da dachte ich, als ich in dem Knie war: Ach du meine Güte! Und dann war es gar kein großes Problem. Und umgekehrt genauso: Man denkt, das ist gar keine so große Sache – und dann dauert es ewig, bis der Spieler auf die Beine kommt.