Köln – Natürlich gibt es nach wie vor einen Heimvorteil, auch das leere Stadion bleibt schließlich das eigene. „Wenn ich nach Hause komme, und die Familie ist nicht da, bin ich ja trotzdem zu Hause“, so beschreibt es Markus Gisdol. Man spiele lieber daheim als an einem Ort, an dem man fremd ist, befindet der Trainer des 1. FC Köln vor der Partie am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) im Rhein-Energie-Stadion, das auch ohne Fans der Heimmannschaft also seine Kraft entwickeln soll. Der Trainer war zuletzt mehr als sonst damit befasst, die Psyche seiner Spieler im Auge zu behalten. Die Sehnsucht seiner Leute nach dem Ende des Quarantäne-ähnlichen Aufenthalts im Dorint-Hotel am Heumarkt ist auch zu den Verantwortlichen vorgedrungen. Doch abseits der Erfahrungen, die Gisdol als „ungewohnt und neu“ beschreibt, hat er eine insgesamt gute Stimmung erlebt.
Fünf Geburtstage gefeiert
Allein fünf Geburtstage habe man zu feiern gehabt in den vergangenen Tagen, jedoch „keine Hochzeiten“, sagt der Trainer heiter. Im persönlichen Umgang seien ihm keine Schwankungen aufgefallen, und auch auf dem Platz habe er nichts Negatives feststellen können. „Ich hätte mehr Schwankungen erwartet“, sagt Gisdol. Es wäre ja möglich gewesen, dass ein Spieler fern jeder Ablenkung eine Steigerung erfährt. Doch der Befund des Trainers fällt neutral aus. „Überschaubar“ seien die Reaktionen auf die jüngste Phase gewesen.
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Auf dem Platz habe er die Mannschaft vor allem daran erinnern müssen, was sie sich vor der Pause erarbeitet hatte und was sie zu acht Siegen aus den vergangenen elf Spielen geführt hat. Für die Mannschaft sei es wichtig gewesen, mit einem positiven Gefühl in die Pause zu gehen, das habe die Dinge erleichtert. Dennoch sei er gespannt, wie sich der Fußball nun entwickeln werde. Ein Teil der Motivation von außen falle schließlich weg, es wird nun an den Trainern und Spielern selbst liegen, die entscheidenden letzten Meter herauszuholen. „Ich bin auf die Daten gespannt, wie sich die Laufleistungen ohne das Adrenalin entwickeln“, sagt Gisdol. Emotionen erwarte er dennoch, schließlich sei da immer noch ein Gegner auf dem Platz, der wolle schließlich auch gewinnen. Mark Uth hatte zuletzt von seinen Erfahrungen aus dem Derby bei Borussia Mönchengladbach am 11. März (1:2) berichtet. Dem Stürmer habe ein Teil des Antriebs gefehlt, den er daraus zieht, dass einen „die eigenen Fans anfeuern und die gegnerischen ausbuhen“. Die „Grundspannung“ habe gefehlt, doch mit dem Anpfiff habe das keine große Rolle mehr gespielt: „Sobald ich auf dem Platz stehe, blende ich alles aus, was außerhalb passiert. Dann gebe ich Vollgas.“
Ausspucken und einander aufhelfen ist verboten
Nach dem Training in Gruppen hatte Markus Gisdol (50) zuletzt wieder seine gesamte Mannschaft auf dem Platz. Trotz der Anreise mit Mundschutz im Bus und den Abstandsregeln in den Kabinen habe er sein Programm ohne Einschränkung absolvieren können. „Das Training ist wie vorher. Nur der Rahmen hat sich geändert.“
Wie die Hygieneregeln auf dem Platz einzuhalten sein werden, mag der Trainer jedoch nicht beurteilen. Inniger Torjubel ist den Spielern ebenso untersagt wie Ausspucken oder einander aufzuhelfen. Gisdol mag nichts garantieren. „Die Spieler kennen alle Regeln und werden versuchen, sich so gut wie möglich daran zu halten. Aber es muss immer ein Stück Menschlichkeit bleiben“, fordert er: „Man sollte aufhören, die Spieler wie Polizisten zu beobachten. Wenn einer am Boden liegt und ein anderer hilft ihm auf, halte ich das nicht für das Allerschlimmste. Alle Spieler auf dem Platz und alle drumherum sind negativ getestet.“ Und was das Spucken angehe: „Vielleicht hat ja ein Spieler auch nur eine Mücke im Mund.“
Jakobs nach Quarantäne im Kader
Interessant wird sein, wie die Einhaltung der Hygieneregeln auf dem Platz überhaupt gehandhabt wird. Die Schiedsrichter sind mit den Spielregeln befasst. Sanktionen für den Fall, dass ein Torhüter seinem Verteidiger nach einer Grätsche im Strafraum auf die Beine hilft, müsste wohl das Ordnungsamt verhängen, doch Markus Gisdol hofft auf Kulanz. „Wir sind alle nicht frei von Fehlern“, sagt er und nimmt damit auch Bezug auf Augsburgs Trainer Heiko Herrlich, der seine Mannschaft am Samstag gegen den VfL Wolfsburg nicht betreuen kann, weil er das Hotel verlassen hat. „Heiko wird verurteilt, als habe er eine Bank überfallen. Er weiß, dass er etwas gemacht hat, das nicht in Ordnung war. Aber die Verurteilung geht mir zu weit.“
Bis auf Rafael Czichos, der nach seiner Nackenverletzung im Spiel bei Hertha BSC am Karnevalssamstag noch nicht wieder in Wettkampfform ist, kann Gisdol auf seinen vollständigen Kader zurückgreifen. Sogar Ismail Jakobs steht grundsätzlich bereit, obwohl der erst am Donnerstag aus seiner zweiwöchigen, allerdings symptomfreien Quarantäne nach einem positiven Corona-Test zurückgekehrt ist.