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Interview

Lukas Podolski
„Der 1. FC Köln war und ist meine Familie“

Lesezeit 7 Minuten
Lukas Podolski lässt sich vor seinem Abschiedsspiel im Kölner Rhein-Energie-Stadion fotografieren.

Lukas Podolski vor seinem „Abschiedsspiel“ im Kölner Rhein-Energie-Stadion

Lukas Podolski läuft am Donnerstag vor 50.000 Fans letztmals im Kölner Stadion auf. Im Interview spricht der Weltmeister auch über seine Pläne für die Zukunft.

Lukas Podolski (39) fiebert dem Tag seit längerer Zeit entgegen. Die Fans ebenfalls, schließlich war das „Abschiedsspiel“ des Kölner Weltmeisters innerhalb von nur zwei Tagen ausverkauft. 50.000 Zuschauer werden am Donnerstag (Anstoß 20.45 Uhr, ab 19.45 Uhr live bei ProSieben, Joyn und ran.de) im Rhein-Energie-Stadion dabei sein, wenn „unsere 10 heimkehrt“ und „ein letztes Mal in Rut un Wiess“ aufläuft, wie es heißt.

Der ehemalige FC-Profi wird zahlreiche Weggefährten und Weltmeister in Müngersdorf treffen, um gemeinsam diesen besonderen Moment zu feiern. Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Podolski über sein besonderes Spiel, seine Beziehung zum FC und zu Köln sowie seine Pläne für die Zukunft.

Herr Podolski, wie sollen wir Ihr Spiel am Donnerstag bezeichnen?Abschiedsspiel ist wohl nicht ganz richtig, Sie beenden Ihre Karriere ja nicht nach dem Abpfiff.

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Lukas Podolski: Nennen Sie es von mir aus das Danke-Spiel. Es ist mir ein großes Bedürfnis, den Kölnern, den Fans, der gesamten Region, langjährigen Teamkollegen und vielen weiteren Personen danke zu sagen. Danke, weil sie mich zwei Jahrzehnte so fantastisch unterstützt haben und teilweise bis heute begleiten. Natürlich hätte man solch ein Spiel auch nach der Karriere austragen können, doch ich wollte es machen, während ich noch ein aktiver Spieler und fit bin. Und das bin ich. Ich danke dem FC, dass er mir das Spiel ermöglicht. Das ist nicht selbstverständlich. Für mich schließt sich am Donnerstag der Kreis: Hier beim FC hat für mich alles angefangen, jetzt möchte ich ein letztes Mal im Rhein-Energie-Stadion mit dem Geißbock auf der Brust vor den tollen Fans auflaufen. Das ist doch eine coole Geschichte! Dass das Spiel nach nur zwei Tagen restlos ausverkauft war und 50.000 Fans dabei sein werden, das macht mich richtig stolz. Das zeugt von gegenseitiger Wertschätzung. Ich weiß, was der FC mir gegeben hat, aber ebenso habe ich auch dem FC einiges gegeben.

Ich weiß, was der FC mir gegeben hat, aber ebenso habe ich auch dem FC einiges gegeben
Lukas Podolski

Und dann ist nach dem Auslaufen Ihres Vertrags bei Gornik Zabrze im Sommer wirklich Schluss?

Das sieht momentan so aus, die Entscheidung treffe ich aber ohne Zeitdruck und Zwang. Noch habe sie aber nicht getroffen. Sportlich läuft die Saison bei uns bisher noch nicht so, wie wir uns das erhofft hatten. Persönlich bin ich aber zufrieden. Ich kann auf dem Niveau noch sehr gut mithalten. Natürlich, ich bin keine 25 oder 30 mehr, sondern 39. Da dauert die Regeneration nach den Spielen schon länger, und manchmal tut dir an der einen oder anderen Stelle auch etwas weh. Aber ich habe einfach noch Bock auf alles. Fußball ist das, was ich am meisten liebe. Ich bin da tief innen drin immer noch ein Stück weit der Straßenfußballer Poldi. Und warum soll ich etwas aufgebeben, was ich noch so liebe und immer noch gut kann? Noch will ich davon nicht lassen, ich genieße es immer weiterhin. Irgendwann wird natürlich der „Tag X“ kommen. Und der wird bestimmt sehr emotional für mich werden und mir auch wehtun. Ja, mein Vertrag endet im kommenden Sommer. Aber ich lasse alles mal auf mich zukommen. Wie sagt der Kölner: Et kütt wie et kütt.

Was empfinden Sie, wenn Sie an den Donnerstagabend denken?

Klar, ich höre danach noch nicht direkt auf. Aber ich denke, es wird dennoch sehr emotional und einfach ein großer Spaß werden. Ich verbinde mit dem FC und Köln so viele schöne Momente. Und damit meine ich nicht nur meine Profi-Jahre.

Erzählen Sie mal, bitte…

Ich weiß natürlich immer noch, wie aufgeregt und stolz ich war, als mich für über 20 Jahren Marcel Koller (damaliger FC-Cheftrainer, d. Red.) anrief und mir sagte, dass ich mich mal bei den Profis zeigen solle. Ich werde Ereignisse wie mein erstes Profi-Spiel für den FC, mein erstes Tor, die Gänsehaut bei der FC-Hymne und die vielen Partys vor der Südkurve nie vergessen. Aber ebenso gerne denke ich an meine Zeit als Jugendspieler in Köln. Sie wissen ja, meine Familie und ich sind von Polen nach Deutschland, nach Bergheim, gekommen, da war ich gerade mal zwei Jahre alt. Bergheim 07 war mit sechs mein erster Verein, aber auch sonst in jeder freien Minute immer auf den Bolzplätzen in der Bergheimer Hochhaussiedlung gekickt. Das waren fast nur Migranten-Kinder, aber ich war ja ebenfalls einer.

Meine Kumpels trugen die Trikots von türkischen Klubs oder Ländern. Und ich war der mit dem FC-Trikot. Jeder Junge braucht doch einen Verein, zu dem er hält, den er liebt. Bei mir was das halt der FC. Und es war mein Traum, eines Tages mal für diesen Klub als Profi zu spielen. Mit zehn bin ich dann zum FC gewechselt, da war der erste Traum wahr geworden. Es war einfach eine geile, aber anfangs auch nicht immer einfache Zeit. Denn auch für meine Familie war das damals alles nicht so leicht, die Sprache war neu, und wir hatten damals nicht so viel Geld. Bei FC-Heimspielen sammelte ich Pfandflaschen im Müngersdorfer Stadion auf dem Oberrang und Unterrang, um mir ein bisschen was dazu zu verdienen. Doch der FC hat mir von Anfang an bei vielen Dingen geholfen und war und ist wie eine Familie für mich. Das bleibt tief in mir drin.

Im Profibereich haben Sie vergleichsweise nur sechs Jahre für den FC gespielt. Zu wenige?

Ja, aber das ist ja kein Geheimnis. Ich war oft zum falschen Zeitpunkt am für mich richtigen Ort. Leider hat sich aber auch nach meinem zweiten Weggang der Klub nicht so entwickelt, wie wir uns das alle vorgestellt hätten. Es ging für mich damals in erster Linie um die sportliche Perspektive. Ich war schon sehr jung Nationalspieler und bekam sehr viele Anfragen anderer Klubs. Ich denke, die Fans können verstehen, dass man einem FC Bayern oder später Arsenal London nicht so einfach absagt. Man hat nur eine Karriere, und das waren für mich große Chancen, die ich wahrnehmen wollte. Zudem hat der FC in für den Klub damals wirtschaftlich schwierigen Zeiten zweimal eine zweistellige Millionen-Ablöse kassiert. Aber auch bei meinen weiteren Stationen und während meiner Nationalmannschaftskarriere habe ich nie einen Hehl aus meiner Verbundenheit zum FC und zu Köln gemacht. Ich darf behaupten, dass ich auch durch den Verlauf meiner Karriere zu einem Gesicht des Vereins und der Stadt geworden bin. Das macht mich stolz.

Ich will meine Rolle beim FC auch nicht erzwingen, ich habe natürlich auch andere Optionen. Aber der FC ist mein Herzensverein, es liegt nicht nur an mir
Lukas Podolski über seine mögliche Zukunft beim 1. FC Köln

Was wünschen Sie dem 1. FC Köln und seinen vielen Fans?

Erst einmal einen tollen Donnerstagabend! (lacht) Dann wünsche ich dem FC in dieser Saison den direkten Wiederaufstieg. Der wird nicht einfach, aber er ist machbar. Der FC ist da mit seinen vielen jungen und guten Spielern auf einem guten Weg. Für den Verein hoffe ich, dass er in Zukunft mehr richtige denn falsche Entscheidungen trifft. In den vergangenen 20, 25 Jahren sind leider viele Fehler gemacht worden, unter denen der Klub teilweise noch heute leidet. Es gab zu viel selbst verschuldete Unruhe und interne Streitereien – auch zuletzt wieder. Der 1. FC Köln hat so viel Wucht und eine solch große Strahlkraft. Ich hoffe einfach, dass er seine Power in Zukunft einfach mehr nutzt.

Wie steht es um Ihre Bereitschaft, dem Klub in Zukunft zu helfen?

Die war und ist immer da. Jedenfalls von meiner Seite, von der FC-Seite war sie nicht immer so vorhanden, wie ich es mir erwünscht hätte. Doch das ist abgehakt. Wir haben uns zuletzt wieder angenähert, der Kontakt ist da. Ich bin mit dem FC in guten und konstruktiven Gesprächen, wie ich mich nach meiner aktiven Karriere im Verein einbringen kann. Natürlich kann ich mir vorstellen, dem FC in Zukunft zu helfen – in welcher Rolle auch immer. Ich hoffe, dass dieser Kontakt nach meinem Spiel am Donnerstag nicht gleich wieder vorbei ist. Aber vorerst spiele ich ohnehin noch ein bisschen Fußball. Ich will meine Rolle auch nicht erzwingen, ich habe natürlich auch andere Optionen. Aber der FC ist mein Herzensverein, es liegt nicht nur an mir.