Der neue Vorstand möchte bis Weihnachten eine Entscheidung finden, ob Armin Vehs Vertrag verlängert wird.
Werner Wolf wünscht sich, dass Lukas Podolski beim 1. FC Köln eine Aufgabe übernimmt.
Das Geißbockheim soll die Heimat des Verein bleiben. Wir haben uns ausführlich mit den Mitgliedern des neuen FC-Vorstands unterhalten.
Köln – Herr Wolf, Herr Sieger, Herr Sauren – wie war Ihre Vorstelltour durch die Säle?
Jürgen Sieger: Wir hatten rund 25 sehr unterschiedliche Veranstaltungen, von den Themen wie von den Menschen her.
Werner Wolf: Das reichte von kleineren Fan-Gruppen bis zu einer Veranstaltung mit 200 Teilnehmern, nicht zu vergessen der Mitgliederstammtisch mit fast 400 Gästen.
Wolf: Bei den Coloniacs wurden wir mehr als drei Stunden befragt, ein Thema nach dem anderen, messerscharf, mit Nachfragen. Alle waren sehr gut informiert, sehr strukturiert.
Eckhard Sauren: Und wahnsinnig diszipliniert. Das waren drei Stunden volle Konzentration und absolute Ruhe. Für mich war das sehr interessant und auch beeindruckend.
Was treibt die Fans um, gibt es wesentliche Themen, die Ihnen immer wieder begegnet sind?
Sieger: Ticketfragen kamen immer wieder. Gar nicht einmal so sehr wegen der Preise. Es ging um die grundsätzliche Verfügbarkeit oder eben Nicht-Verfügbarkeit.
Wolf: Ein Roter Faden war das Thema Marke und FC. Manche sind der Meinung, der FC sei keine Marke. „Spürbar anders“, der Claim, wurde immer wieder thematisiert. Die Häufigkeit hat mich zum Beispiel überrascht. Der FC hat diesen Claim seit sieben Jahren und wir müssen uns mit der Kritik auseinandersetzen. Wir werden das überprüfen, dafür gibt es Möglichkeiten.
Sauren: Wir wollen das Verfahren aber objektivieren. Denn als neuer Vorstand reinzukommen und als erstes das Marketing zu verändern, davon bin ich kein Freund. Das darf keine Bauchentscheidung sein, wir müssen das anhand objektiver Kriterien beurteilen.
In einem Video hat man Sie, Herr Sieger, in Fangesänge unter anderem über den Nachbarn Leverkusen einstimmen hören. Würden Sie das wieder tun?
Sieger: Wer da war, weiß, dass das eine reine Spaßveranstaltung war. Das war alles andere als bierernst, und es wurde nichts auf die Goldwaage gelegt. Es ist erstaunlich, was daraus vereinzelt gemacht wird.
Wolf: Ich habe Fernando Carro (Leverkusener Klubchef, d. Red.) am Rande der ETL-Express-Sportnacht gesprochen und ihm den Zusammenhang erklärt. Dann war das Thema auch durch.Sie haben sich auch dafür ausgesprochen, die so genannte Choreo-Klausel abzuschaffen.
Sieger: Das war auch aus einem Spiel heraus: Wir wurden gefragt, was unsere erste Amtshandlung sein würde, wir durften aus vier unmöglichen Varianten wählen: Geißbockheim verlegen, Stehplätze abschaffen, Stadion in Porz bauen oder Choreo-Klausel abschaffen. Ich musste mich spontan für eines entscheiden.
Juristisch gesehen ist es so, dass Sie überlegen, diese Klausel zu streichen, weil sie womöglich überhaupt keinen Sinn ergibt. Auf der anderen Seite ist es aber ja so, dass auch wegen dieser Klausel die Kommunikation zwischen Verein und Ultras zum Erliegen gekommen ist. Sehen Sie es als eine Ihrer Aufgaben an, den Kontakt wiederherzustellen?
Wolf: Wir müssen mit allen Teilen des Vereins und mit allen Fans und Fangruppen ins Gespräch kommen. Ich habe Werner Spinner damals darum gebeten, solche Gespräche zu führen. Er hat das gemacht. Er ist über das Verhalten der Ultras bitter enttäuscht, aber er hat meines Erachtens auch eine persönliche Nähe zugelassen, die ich für nicht sinnvoll halte. Das schürt dann aus psychologischer Sicht immense Erwartungen, die man nicht erfüllen kann. Ein direkter Bezug zur Basis ist zwar absolut wichtig. Aber allein schon aus organisatorischen Gründen kann der Vorstand nicht immer der erste Ansprechpartner sein.
War das naiv?
Wolf: Naiv würde ich nicht sagen. Er hat es gut gemeint und geglaubt, das schaffen zu können. Und eine zweite Sache war, dass er geglaubt hat, die Ultras ändern zu können. Das war seine Enttäuschung, und deren Enttäuschung war: Jetzt sind wir so nah dran am Präsidenten, und trotzdem verändert sich nichts. Das hat in einer Sprachlosigkeit geendet.
Der Dialog darf also nicht zur Umarmung werden.
Wolf: Genau. Wir wollen den Draht zur Basis. Aber für uns ist der Mitgliederrat unsere Verbindung zu den Fangruppen, und zwar zu allen. Wir haben mit dem Mitgliederrat vereinbart, dass er uns ein Konzept zu den Fanthemen vorlegt. Das wird nun erarbeitet. Der Mitgliederrat ist gewählt, und zwar von allen Gruppen. Und damit legitimiertes Sprachrohr.
Wie weit darf man auf die Ultras zugehen? Wo sind die Grenzen?
Sieger: Die Grenze ist da, wo ein Handeln gegen die Rechtsordnung verstößt. Manche Fans haben für sich die bewusste Entscheidung getroffen, sich an gewisse Regeln nicht zu halten. Das können wir zwar nicht ändern, aber auch nicht einfach hinnehmen.
Sauren: Ganz klar: Keine Gewalt, keine Pyrotechnik.
Herr Wolf, hilft es Ihnen als Psychologe, den Dialog wieder in Gang zu setzen?
Wolf: Dass ich mal Psychologie studiert habe, hilft mir schon mein ganzes Leben. Und es hilft mir auch in dieser Situation.Das nächste Spiel wird gegen Mönchengladbach sein. Werden Sie noch einen Appell starten?
Sauren: Die Verantwortlichen haben sich diese Woche getroffen, und wir werden uns im Falle unserer Wahl in der nächsten Woche mit der Geschäftsführung zusammensetzen und klären, ob noch weiterer Handlungsbedarf unsererseits besteht.
Wie stehen Sie zur Stadionfrage?
Sieger: Einen kompletten Stadionneubau auf der Grünen Wiese halten wir für nicht finanzierbar. Was die Frage des Ausbaus angeht, sind wir offen. Wir müssen prüfen, was realistisch ist. Vor der EM 2024 darf ja ohnehin nichts an der Arena verändert werden. Angenommen, wir könnten im Januar 2025 mit den Arbeiten beginnen, sind drei Jahre Bauzeit realistisch. Also sprechen wir frühestens von einer Fertigstellung im Jahr 2028 – das ist noch knapp zehn Jahre hin. Und dann stellt sich natürlich die Frage der Finanzierung. In der Öffentlichkeit kursierte ja eine Zahl von mindestens 210 Millionen Euro – und das sind nur die reinen Ausbaukosten. Der Stadt gehört zudem noch das Stadion. Da ist die Frage, ob und wie die Stadt und der FC zusammenkommen können. Einen Investor an der KGaA wird es mit uns nicht geben. Wir haben ausgeschlossen, Anteile an der KGaA zu veräußern. Man kann natürlich überlegen, ob man eine Infrastrukturgesellschaft gründet, an der sich eine Gruppe oder ein Fonds beteiligt. Aber wer immer das auch macht, der will ja zumindest eine Rendite und kein großes Risiko haben. Am Ende steht auch die Frage, wie es eigentlich um das Zuschauerinteresse im Jahr 2028 bestellt sein wird. Das ist zwar beim FC jetzt sehr hoch, aber europaweit geht es bereits zurück. Die Digitalisierung der Übertragungstechnik und Vermarktung schreitet voran, Stichwort: Virtual Reality“. Und käme es zu einer Super-League, die wir ablehnen, hätte dies sicherlich auch Einfluss auf das Zuschauerinteresse. Das alles gilt es in Ruhe zu analysieren.
Ein Wegzug von Müngersdorf und ein Neubau auf der grünen Wiese ist keine Alternative?
Sauren: Nein, auch das ist eine Ertrags-Risiko-Rechnung. Und da würde man ganz sicher auch nicht mit 210 Millionen Euro hinkommen, sondern wäre schnell bei ganz anderen Summen.
Sieger: Was man hört, wären das 300 bis 400 Millionen Euro – ohne Infrastruktur. Und die Fertigstellung würde womöglich noch länger dauern.
Der Ausbau des Geißbockheims zieht sich weiter hin und scheint immer schwieriger zu werden. Könnte irgendwann mal der Punkt erreicht sein, an dem der Verein umdenken müsste?
Sieger: Der Zeithorizont ist bei diesem Projekt ja etwas klarer. Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahr die Entscheidung über den Bebauungsplan vom Rat getroffen wird. Wir sind weiter davon überzeugt, dass die besseren Argumente für einen Ausbau sprechen.
Wundern Sie sich über den Positionswechsel von OberbürgermeisterinHenriette Reker, die lange Zeit Befürworterin des Projekts war und nun umgeschwenkt ist?
Wolf: Nein, eigentlich nicht. Weil dies ein klassisches Beispiel für überraschende Meinungsänderungen in der Politik ist. Ich habe das nie anders erlebt. Ich habe ja lange Zeit politische Lobbyarbeit in Berlin betrieben (als Präsident des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, d. Red.). Ich habe da noch ganz andere Dinge erlebt. Ich will mich einfach nicht über die Politik ärgern. Frau Reker will wiedergewählt werden, das erklärt alles und ist relativ einfach. Viele sagen ja, Köln sei unregierbar. Aber da unterscheidet sich Köln nicht von Hamburg, Berlin oder Buxtehude. Wir können nur probieren, das Beste aus der Situation zu machen.
Sauren: Ich war schon verwundert über die Aussagen von Frau Reker, und deshalb muss man jetzt noch einmal den Dialog mit der Stadt und den Fraktionen intensivieren. Es geht dabei um die Sachebene. Die Argumente der Kritiker überzeugen mich bisher nicht. Für die ganze Zukunft des Vereins ist das Projekt extrem wichtig, und deshalb werden wir dafür kämpfen.
Und ein Wegzug vom Grüngürtel ist überhaupt keine Option?
Sieger: Wir haben da bis jetzt keine Überlegungen. Ich kann mir ein neues Geißbockheim am Großmarkt jedenfalls nicht vorstellen.
Sollten Sie gewählt werden: Welche Themen gehen Sie mit welcher Priorität an?
Sauren: Wir werden uns zu Beginn über alle wichtigen Themen auf den aktuellsten Stand bringen. Besondere Bedeutung haben dabei die wirtschaftlichen Themen. Von den Großprojekten hat das Geißbockheim Priorität vor dem Stadionbau. Wir haben eine umfangreiche Agenda.Zu den Themen, die auf Sie zukommen, zählt auch die Zukunft der beiden Geschäftsführer. Der Vertrag von Sportchef Armin Veh läuft bereits 2020. Und Finanzboss Alexander Wehrle hat noch bis 2023 einen Kontrakt beim FC.
Wie ist der aktuelle Stand?
Sauren: Der Stand ist, dass wir mit Armin Veh bis Weihnachten eine Entscheidung treffen wollen. Das haben Werner Wolf und ich auch mit Armin Veh besprochen. Die Gespräche waren gut.
Wolf: Ich habe Herrn Wehrle damals rekrutiert, auf den Posten gebracht und finde ihn nach wie vor gut. Klar ist: Die Souveränität der Geschäftsführung bleibt unangetastet. Sie führt die Geschäfte, wir sind das Aufsichtsorgan und haben viel Erfahrung, wie man so etwas macht.
Sieger: Ich habe drei Jahre, von 2013 bis 2016, mit Alex Wehrle gut zusammengearbeitet.
Lukas Podolski ist in Köln auch immer ein Thema. Können Sie sich seine Rückkehr zum FC vorstellen?
Wolf: Ich kenne Lukas am längsten von uns Dreien und habe auch Gespräche mit ihm geführt. Das Schwierigste bei einem leidenschaftlichen Sportler ist der Übergang von der aktiven Karriere zu der Zeit danach. Und in der Phase befindet sich Lukas. Er will zum FC zurückkehren. Die Tür steht ihm offen, natürlich wollen wir ihn für eine Zusammenarbeit gewinnen. Er überlegt sich, in welche Richtung er gehen will. Das Leben nach der Karriere ist ein langes, das muss er schon genau und langfristig planen.
Podolski wird also eine Rolle im Umfeld des 1. FC Köln finden?
Wolf: Ja, aber er muss mit dieser auch glücklich werden und sie länger ausfüllen. Wir wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, ihn nicht einzubinden. Lukas ist der Weltstar, der uns überall Türen öffnen kann.
Toni Schumacher ist ein weiterer Kölner Nationalspieler. Doch ihn weiterhin einzubinden, scheint schwierig.
Wolf: Ich war Ende Mai bei ihm, wir haben zweieinhalb Stunden geredet. Es gab am Ende die Vereinbarung, über die Inhalte nicht mit den Medien zu reden. Daran habe ich mich gehalten. Wir hatten mit Toni Schumacher und seiner Frau besprochen, dass sie sich im Urlaub die Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was er sich beim FC vorstellen kann. Danach wollte er sich melden. Das ist bis heute nicht erfolgt.