Am Sonntag trifft Bayer 04 Leverkusen auf den 1. FC Köln. Die Vorzeichen vor dem Duell könnten unterschiedlicher nicht sein
Rheinisches Duell zwischen Bayer 04 und 1. FC KölnBaumgart und Alonso sind heiß aufs Derby
Fürs Anheizen der Stimmung vor einem Derby wollen Steffen Baumgart und Xabi Alonso nicht verantwortlich gemacht werden. Die Sticheleien überlassen sie lieber anderen. Bayer 04 Leverkusen gegen den 1. FC Köln – das soll nach ihrem Wunsch ein respektvolles Nachbarschaftsduell werden, das die beiden Trainer mit ihren Mannschaften am Sonntagnachmittag mit hoher Intensität auf dem Rasen austragen.
Die Brisanz muss auch gar nicht von den Trainern hergestellt werden. Denn neben der örtlichen Nähe und der Historie sorgt vor allem die aktuelle sportliche Lage für Feuer. Unterschiedlicher könnten die Gemütslagen an beiden Orten in diesen Tagen wohl kaum sein. Auf der einen Seite steht der strahlende Tabellenführer, der gar nicht mehr weiß, wie sich verlieren so anfühlt. Auf der anderen Seite steht der Tabellenvorletzte, der sich danach sehnt, endlich mal wieder das Gefühl eines Sieges ausleben zu können.
„In einem Derby ist alles möglich“, stellt aber Steffen Baumgart fest und verkündet: „Wir brauchen Ergebnisse.“ Denn, so stellte man es in Köln zuletzt dar, die Spielleistungen seien gar nicht das große Problem, viel mehr würden einfach nicht die passenden Resultate herausspringen. In der Tat hat der FC keines seiner bisher sechs Bundesligasaisonspiele deutlich verloren. Zweimal war die Mannschaft mit zwei Toren Unterschied unterlegen, drei Mal mit nur einem Treffer. Allein: Unterm Strich steht eben nur ein mageres Pünktchen.
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Steffen Baumgart glaubt an sein Team
Dass die Kölner somit am Sonntag nicht mit dem größten Selbstverständnis über die Brücke nach Leverkusen fahren werden, ist offenkundig. „Wir brauchen nicht ständig darüber reden, dass es nicht läuft“, fordert Baumgart. „Die Jungs müssen weitermachen. Sie wollen, das ist im Training zu sehen. Sie wollen Erfolgserlebnisse und gewinnen.“ Damit es mit der Umsetzung dieses Vorhabens gelingt, fordert der Coach vor allem eine bessere Entscheidungsfindung in und um den Strafraum. Die Offensive bleibt das Hauptproblem. Nur vier Treffer in sechs Spielen sind nicht bundesligatauglich.
Und jetzt fällt auch noch ein weiterer Angriffssspieler aus. Luca Waldschmidt ist erkrankt und muss zu Hause bleiben. Benno Schmitz, der Dauerbrenner auf der rechten Abwehrseite, muss wie schon gegen Stuttgart (0:2) verletzungsbedingt passen. Für ihn dürfte erneut Neuzugang Rasmus Carstensen verteidigen. Generell will Baumgart aber nicht von seinem Plan abweichen. „Wir werden Vollgas geben und attackieren, das erwartet aber auch jeder. Ich glaube, dass dieser Fußball erfolgreich sein kann. Wenn wir Druck machen können, werden wir auch Druck machen“, sagt der 51-Jährige. Hinten reinstellen? Das sei kein Baumgart-Fußball. Der Erfolg der vergangenen beiden Spielzeiten mit der typisch aggressiven Spielweise gibt dem Coach recht.
Gegenseitiges Lob der Trainer
Aus Leverkusen bekommt er dafür reichlich Lob und eine wohlwollende Prognose. „Die Tabelle ist egal“, sagt Alonso mit Blick auf den Rivalen. „Sie werden am Ende der Saison normalerweise nicht dort stehen, wo sie jetzt stehen. Es würde mich überraschen, wenn Köln absteigt. Sie haben gute Spieler und eine klare Idee.“ Baumgart erwidert die Komplimente und stimmt zu: „Leverkusen weiß genau, wie die Abläufe sind. Man sieht die Handschrift des Trainers. Er macht einen Riesenjob unter sehr guten Bedingungen. Ich glaube das Gleiche wie er: Wir werden nicht absteigen. Diese Überzeugung habe ich.“
Einer, der entgegen der ersten Prognosen doch noch dabei helfen könnte, den ersten Dreier für den Klassenerhalt zu holen, ist Eric Martel. Der U21-Nationalspieler ist nach seiner Achillessehnenverletzung zurück im Mannschaftstraining. Baumgart gibt sich noch vorsichtig: „Bei Eric würde ich weiter ausschließen, dass er in der Startformation steht. Ich möchte schon, dass die Jungs eine komplette Woche zum Trainieren haben. Dadurch, dass Luca nicht dabei ist, werden wir aber sehen, wie wir den Kader besetzen.“
Sein Gegenüber hat da derzeit weit weniger Probleme. Der beste Start der Vereinsgeschichte in der Bundesliga wird vom Weiterkommen im DFB-Pokal und zwei Siegen in der Europa League garniert. Neun Pflichtspiele, acht Siege und ein 2:2 beim FC Bayern. Auch personell kann Xabi Alonso nahezu aus dem Vollen schöpfen. Einzig für den Langzeitverletzten Patrik Schick kommt ein Einsatz am Sonntag noch zu früh. Es wird zu erwarten sein, dass der Bayer-Trainer wieder auf die Startelf setzen wird, die er bereits fünfmal von Beginn an auf den Platz geschickt hat. Schließlich schonte er die meisten dieser Akteure beim 2:1 in Molde am Donnerstag, als er sein Team auf sieben Positionen verändert ins Rennen geschickt hatte. Baumgart: „Alle elf Spieler von Leverkusen, die ich in der Startelf erwarte, sind in einer Kategorie, bei der ich sage: Da kommt einiges auf uns zu!“
Bisher funktioniert das Leverkusener Team in der Tat wie ein Uhrwerk. Neben der Achse aus Jonathan Tah, Granit Xhaka, Florian Wirtz, Jonas Hofmann und Victor Boniface überzeugen unter anderem auch der argentinische Weltmeister Exequiel Palacios, Freistoßkünstler Alejandro Grimaldo oder Kraftpaket Odilon Kossounou wöchentlich mit Topleistungen. Aber: Leverkusen ist gewarnt. Die vergangenen beiden Duelle in der BayArena mit dem FC gingen trotz der klar zugeteilten Favoritenrolle an die Kölner.
Xabi Alonso hat aus Niederlage gelernt
Beim 1:2 im Mai war Alonso auch bereits auf der Bayer-Bank dabei. „Ich habe den Clasico gespielt, das Liverpool-Derby und mit den Bayern auch große Spiele. Aber der wichtigste Unterricht für mich war das Derby in der Vorsaison“, betont Alonso auf die Kölner angesprochen. „Viele Dinge, die da zu Hause passiert sind, dürfen sich nicht wiederholen. Ich habe eine klare Idee.“ Und weiter: „Wir sind in einem anderen Moment, die Energie der Mannschaft und des Vereins ist jetzt eine andere. Wir sind bereit. Wir wissen, dass Köln nicht in der besten Situation ist, aber das macht sie gefährlich.“
Alonso fordert von seiner Mannschaft eine Leistung, die „Qualität, Mentalität und Intensität zusammenbringt“. Für Leverkusen wird das Spiel die nächste Reifeprüfung auf dem Weg ein echter Konkurrent für den FC Bayern zu werden. Für Köln ist es nicht nur für die Tabelle ein extrem richtungweisendes Spiel. Mit einem Sieg im kleinen Derby wäre die Stimmung rund um den Klub direkt eine positivere, das Selbstvertrauen würde wieder wachsen. Bei einem weiteren Misserfolg würde der Druck auf Mannschaft und Verantwortliche vor dem großen Derby gegen Borussia Mönchengladbach nach der Länderspielpause enorm steigen.