Vor der Mitgliederversammlung äußert sich der Vorstand selbstkritisch: Man ist zufrieden mit dem Stand der Sanierung, doch der Abstieg wiegt schwer.
MitgliederversammlungFC-Vorstand: „Wir sind kein Sanierungsfall mehr“
Herr Wolf, Herr Sauren, Herr Wettich; am Dienstag steht die Mitgliederversammlung des 1. FC Köln an. Womit rechnen Sie?
Werner Wolf: Wir hoffen auf eine ruhige Versammlung. Wir gehen zurück zum alten Format, Karl-Ludwig Kley wird die Sitzungsleitung übernehmen. Jemand also, der den FC in- und auswendig kennt und große Versammlungen leiten kann. Wir haben die Wahl des Mitgliederrates als wichtigsten Tagesordnungspunkt. Der Rest sind die Rechenschaftsberichte des Vorstandes und die Beurteilung des Mitgliederrates über den Vorstand. Das gehört zu seinem Job. Weil er satzungsgemäß unser Aufsichtsrat ist.
Welche Rolle spielt die sportliche Momentaufnahme für so eine Veranstaltung?
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Eckhard Sauren: Kurzfristig spielt immer eine Rolle, wie die letzten Spiele ausgegangen sind. Aber ich denke, es ist ja nicht nur immer das Ergebnis entscheidend, sondern auch die Art und Weise, wie man spielt. Wir haben schon vieles von der Spielidee erkennen können, sehr viele Chancen herausgearbeitet. Von daher kann man da auch eine Menge langfristig Positives draus ziehen. Die Jungs arbeiten, hauen sich rein. Sportlich gehen, trotz des bitteren Last-Minute-Ausgleichs in Düsseldorf, viele Dinge in die richtige Richtung.
Wie ist Ihr bisheriger Eindruck von Trainer Gerhard Struber?
Sauren: Uns war wichtig, dass er bei der Spielidee sehr konsequent ist. Und er setzt stark auf junge Spieler. Das haben wir bewusst in den Auswahlprozess eingebaut, denn es spielt in unserer langfristigen Strategie eine wichtige Rolle. So eine junge Mannschaft ist noch nicht in jeder Hinsicht stabil, der eine oder andere braucht noch Zeit. Aber der Weg ist der absolut richtige.
Sie haben kein klares Saisonziel ausgegeben.
Sauren: Als Aufstiegs-Favoriten sehen wir uns nicht, weil wir bekanntermaßen keine Transfers tätigen konnten und eine sehr junge Mannschaft haben, die wir nicht zu sehr unter Druck setzen wollen. Dennoch ist der schnellstmögliche Wiederaufstieg das Ziel, unsere Ambitionen sind groß.
Schnellstmöglich lässt ein bisschen Raum.
Sauren: Das ist ja genau der Sinn bei der Sache mit dem Druck (lacht).
Wolf: Für die meisten Gegner ist das Spiel gegen den 1. FC Köln etwas ganz Besonderes. Viele Teams gehen das an wie ein Pokalspiel, haben nichts zu verlieren. Damit müssen unsere jungen Spieler umgehen lernen. Darum sagen wir: schnellstmöglich.
Wie finden Sie die Zweite Liga bislang?
Wolf: Es ist ein Marathonlauf. Die Mannschaft und das Trainerteam haben die Liga aber bereits gut begriffen und sie angenommen.
Sauren: Die Liga hat eine hohe Attraktivität, mit ganz vielen Traditionsvereinen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Zweite Liga an einzelnen Spieltagen analog zur letzten Saison mehr Zuschauer haben wird als die Erste. Wenn wir in so einer attraktiven Liga dann auch noch guten Fußball spielen, macht das zunächst mal Spaß.
Im Winter ist die Transfersperre abgesessen. Wie sind die Pläne?
Sauren: Also zunächst mal haben wir aus der Not ja schon eine Tugend gemacht – oder auch eine Jugend, wie ich immer gerne sage. Wir haben mit unseren Möglichkeiten einen schlagkräftigen Kader zusammengestellt. Jetzt ist es Aufgabe von Christian Keller und dem Scouting-Team, zu schauen, auf welchen Positionen man sich wie verstärkt. Da müssen wir den Mittelweg finden, um unseren jungen Spielern die Möglichkeit zu geben, sich weiter zu entwickeln. Ein gewisses Budget ist vorhanden. Wir sind handlungsfähig.
Wie sehen die Zahlen aus, die Sie am Dienstag präsentieren?
Sauren: Die Ergebnisse werden gut bis sehr gut sein. Natürlich müssen wir die finanzwirtschaftlichen Verpflichtungen aus der Vergangenheit weiter bedienen bzw. abbauen und auch weiter unsere Infrastruktur entwickeln. Aber wir arbeiten trotzdem strategisch daran, dass wir zukünftig mehr Geld in den Kader investieren können.
Der Konsolidierungskurs war eine Strategie, mit der es nicht so leicht war, die Herzen zu gewinnen. Eine neue Flutlichtanlage im Franz-Kremer-Stadion interessiert die Leute weniger als ein neuer Mittelstürmer. Wird Ihre Aufgabe jetzt angenehmer?
Carsten Wettich: Wir machen unsere Arbeit nicht, damit uns die Herzen zufliegen. So ist es in der Vergangenheit häufig gemacht worden, da hat man dann tatsächlich noch den Stürmer geholt. Nur eben auf Kosten der Zukunft. Philipp Türoff wird einen schönen Gewinn für das letzte Geschäftsjahr verkünden. Das heißt aber natürlich nicht, dass das ganze Geld frei verfügbar war, denn es mussten weiter Verbindlichkeiten zurückgeführt werden. Aber die Talsohle ist durchschritten. Nach dem laufenden Geschäftsjahr sind die langfristigen Verbindlichkeiten weg, mit den mittelfristigen liegen wir dann im einstelligen Millionenbereich. Mehrerlöse können wir jetzt in den Kader stecken.
Sie haben am Geißbockheim viel Geld in Steine investiert.
Wettich: Ich fand beim jüngsten Mitgliederstammtisch ganz eindrücklich, als Vorher-Nachher-Bilder gezeigt wurden. Ich glaube, da hat jeder verstanden, dass der Zustand nicht akzeptabel war für einen Fußballclub. Wenn man über viele Jahre hinweg wenig Geld in die Infrastruktur gesteckt hat, muss man das nachholen. Wir sind dabei noch lange nicht am Ende, aber der Anfang ist getan.
Die Erweiterung stockt seit Jahren. Doch erst jetzt hat man die Möglichkeiten entdeckt und etwa die Halle unter dem Gebäude ausgebaut zu einem hochmodernen Trainingszentrum. Warum ist man das nicht früher angegangen?
Wettich: Der Blick zurück bringt uns nichts. Man muss eine gute Mischung haben und in den sportlichen Erfolg der Herrenmannschaft investieren. Darum geht es in diesem Club, deshalb muss der Anspruch sein, dass möglichst viel Geld von dem, was wir einnehmen, in die Mannschaft fließt. Denn es gibt selbstverständlich eine Korrelation zwischen Kaderetat und Tabellenplatz. Die Investitionen in die Infrastruktur bringen uns keine Tore am nächsten Wochenende. Dennoch ist es wichtig, dass wir diesem Verein eine langfristige Perspektive verschaffen. Wenn man bei Investitionen immer nur ans erste Jahr denkt, sieht man eine Ausgabe, aber keine Einnahme. Aber wenn ich ein Unternehmen sinnvoll weiterentwickeln will, muss ich eine langfristige Perspektive einnehmen. Dafür sind wir bei unserer Wahl angetreten und das setzen wir seitdem gemeinsam mit der Geschäftsführung konsequent um.
Wie weit sind Sie auf Ihrem Sanierungskurs?
Wettich: Die Sanierung ist mehr oder weniger nach dieser Saison abgeschlossen. Wir sind kein Sanierungsfall mehr.
Wolf: Um es nochmal deutlich zu sagen: Die langfristige Zielsetzung ist natürlich, alles, was wir on Top verdienen können, in die Mannschaft zu investieren, in den Sport. Aber wir mussten dringend ein paar Sachen reparieren, um die Existenz zu sichern und wieder handlungsfähig zu werden.
Kritiker sagen, dass die harte Sanierung auf Kosten der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit gegangen ist, was dann in einem Abstieg mündete. Was kann man da entgegnen?
Sauren: Die Sanierung an sich war alternativlos, das Tempo war zu hoch – das kann man rückblickend so sehen, fair enough. Wenn man dann weiterfragt, ob wir mit einem geringeren Tempo und Investitionen in den Kader die Bundesliga gehalten hätten, kann man allerdings auch darüber trefflich diskutieren. Jetzt sind wir abgestiegen, das ist ein großer Nachteil. Aber der Vorteil ist, dass wir jetzt wirklich aufgeräumt und alles sauber gestaltet haben. Von hier aus können wir etwas entwickeln und perspektivisch in eine Position der Stärke kommen.
Überwiegt der Stolz darauf, den Klub solide genug aufgestellt zu haben, um einen Abstieg zu überstehen? Oder der Ärger über den Abstieg?
Sauren: Nein, der Ärger über den Abstieg überwiegt natürlich. Man kann nicht einfach sagen: Wir sind abgestiegen, aber dafür stehen wir jetzt gut da, sind handlungsfähig. So darf es nicht sein, das eine wiegt das andere nicht auf. Es ist schiefgegangen, da muss man ehrlich zu sich selbst sein.
Wettich: Wir haben damals nicht gesagt: Toll, wir steigen ab, sanieren uns darüber aber wenigstens. Es war natürlich die Erwartungshaltung, dass wir es mit dem Kader schaffen. Schwierig bleibt die Frage, wie wir es anders gemacht hätten – und ob es dann gereicht hätte. Und welche Summe hätte uns das garantiert? Denn, hätten wir x Millionen Euro mehr ausgegeben und wären trotzdem abgestiegen, wäre das doppelt so schlimm gewesen angesichts unserer finanziellen Lage.
Das Risiko besteht aber jetzt, dass der 1. FC Köln in den nächsten Jahren immer wieder gut abschneidet, aber dann jeweils knapp nicht aufsteigt. Gibt es keine Verlockung, zu investieren und den Aufstieg kurzfristig erzwingen zu wollen?
Sauren: Es muss anders funktionieren. Wir haben uns wirtschaftlich in die Lage gebracht, uns einen Aufstiegskader erlauben zu können. Wenn wir das mit sportlich guten Entscheidungen kombinieren, haben wir eine gute Chance, den Wiederaufstieg nachhaltig zu realisieren. Man muss nur sauber seinen Job machen.
Wettich: Würde man mit einem gewissen finanziellen Risiko garantiert sofort aufsteigen, würde jeder einschlagen. Aber es gibt diesen Fall nicht, zudem kann man nicht nur für ein Jahr in eine Aufstiegsmannschaft investieren. Gute Spieler unterschreiben keine Einjahresverträge. Man trägt die Folgen vielmehr jahrelang und hat gestandene Spieler, die viel Budget binden, die man aber mit Blick auf die eigene Strategie eigentlich gar nicht mehr will, weil sie sich nicht mehr weiterentwickeln. Das wäre ein Aufstieg, der neue Probleme schaffte.
Sauren: Unsere Idee ist, dass wir die Zweite Liga nutzen, um Spieler zu entwickeln, was ja genau jetzt stattfindet. Wenn das gelingt, dann haben wir Spieler, die dann den Sprung in die erste Liga schaffen können. Wenn wir jetzt einen Leihspieler holen, der über 30 ist und den wir dann irgendwann nicht mehr weiterentwickeln können, findet keine Wertsteigerung statt. Von daher ist unsere gesamte Grundidee eine andere.
Und diese Strategie wollten Sie dann auch in der Zweiten Liga vertreten.
Wolf: Es gab die große Frage, ob der Vorstand zurücktritt oder nicht. Und wir haben uns für Kontinuität entschieden. Ich engagiere mich beim 1. FC Köln seit mehr als 20 Jahren in den Gremien und habe den Verein zuvor als Fan beobachtet. Ich habe immer wieder diese Brüche erlebt und auch die negativen Konsequenzen. Deshalb haben wir gesagt, wir sind in einer Situation, in der wir Kontinuität brauchen. Und es ist uns gelungen, dadurch wesentliche Bestandteile der Mannschaft zu halten.
Kontinuität nicht nur im Vorstand.
Wolf: In der Regel ist es ja so: Geht der Vorstand, verändert sich auch auf den weiteren Ebenen vieles – und man fängt wieder von vorn an. Ich habe Zeiten erlebt, in denen der FC führungslos war. Wenn es dann noch Machtkämpfe gibt, ist das ein Problem. Denn wir leben nicht nur von den Spielern, die auf dem Platz stehen. Wir leben auch von den Menschen, die im Geißbockheim jeden Tag ihre Leistung bringen, um das alles zu ermöglichen. Das muss harmonieren, die müssen Freude haben bei der Sache. Wenn die Stimmung schlecht ist, kann man gute Ergebnisse vergessen.
Wettich: Jeder will ja auch wissen, wer sein Chef ist, der jeweilige Ansprechpartner. Wenn wir einen Spieler verpflichten, will der doch wissen, ob der Sportchef, der ihn geholt hat, noch da ist, wenn er dann kommt. Das gilt auch für den Trainer, den wir im Sommer gesucht haben.
Darum haben Sie sich früh hinter Christian Keller gestellt.
Sauren: Ich bin davon überzeugt, dass wir nur deshalb einen so schlagkräftigen Kader haben, weil wir genau das damals getan haben.
Steht für Sie bereits fest, dass Sie im nächsten Herbst für eine weitere Amtszeit kandidieren?
Sauren: Ich finde es zu früh, darüber zu reden. Wir haben noch ein Jahr vor uns, da gibt es genügend Aufgaben. Wir arbeiten weiter und werden uns mit der Frage rechtzeitig beschäftigen.
Wettich: Ich verstehe die Frage, ich würde sie auch stellen. Ich sehe es aber so: Man wird von den Mitgliedern für drei Jahre gewählt und nimmt sich ja etwas vor für die drei Jahre. Und man reflektiert sich auch selbst: Was haben wir gut gemacht, was nicht so gut – und kann es jemand anders besser. Aber das alles macht man nicht nach zwei Jahren, wenn man für drei gewählt ist. Hinzu kommt: Wir haben viel Energie investiert, um unseren Kurs zu halten. Wir sind weit fortgeschritten. Aber es ist noch ein fragiles Gebilde. Das heißt, wenn jetzt jemand kommt und nochmal komplett umschwenkt, dann ändert sich das sehr schnell. Dann könnte der Verein sehr schnell in alte Muster zurückfallen. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass beim 1. FC Köln der Mitgliederrat den Vorstand vorschlägt, der jetzt neu gewählt wird. Es gehört sich nicht, einem Mitgliederrat in seinem Prozess vorzugreifen.
Wie sind Sie persönlich mit der öffentlichen Kritik umgegangen?
Sauren: Das hat einen schon beschäftigt. Es war wichtig, standfest zu bleiben und diese Stabilität auch in den Verein auszustrahlen. Wir sind aus heutiger Sicht froh, dass wir stabil geblieben sind.
Man hätte sich auch die Frage stellen können: Warum mache ich das hier eigentlich beim FC noch…?
Sauren: Es geht um den Verein. Man macht das, um dem Verein etwas Gutes zu tun. Man sollte sich selbst nie über den Verein stellen.
Wolf: Die grundsätzliche Frage ist: Wie hält man das aus, und wie geht man damit um? Natürlich passieren da Sachen, die extrem verletzend sind – gerade in der heutigen Zeit in der Social-Media-Welt. Da braucht man eine gewisse Resilienz. Und die hat aus meiner Sicht jeder von uns dreien. Einigkeit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl im Vorstand haben uns dabei geholfen und gestärkt.
Gab es denn eine Phase, in der einer oder alle hinwerfen wollten?
Wolf: Selbstverständlich. Wir haben uns selbst den Spiegel vorgehalten. Und jeder hat gesagt: An mir soll es nicht liegen, ich kann auch aufhören, wenn es dem FC dient.
Sauren: Wir haben im Vorstand und in der Geschäftsführung durchgespielt: Was hätte es bedeutet oder für den Verein gebracht oder geschadet, wenn ein Einzelner im Zuge der Aufarbeitung die Verantwortung übernommen und den FC verlassen hätte. Oder: Kann es vielleicht jemand anderes besser? Unser Austausch war da sehr offen. Das Ergebnis war: Aus Sicht des 1. FC Köln hätte es nichts gebracht, wenn ein Einzelner die Verantwortung auf sich geladen hätte.
Wettich: Natürlich gab es auch mal Momente, in denen man sich gefragt hatte: Warum tust du dir das neben dem Hauptjob und der Familie noch an? Ich bin aber von Kindheit an FC-Fan und sehr lange Mitglied. Da spüre ich eine starke Verantwortung dem FC gegenüber. Die Aufgabe beim FC bedeutet zudem auch Freude. Es ist zwar kein Job, für den man besonders viel Applaus bekommt. Das brauche ich aber auch nicht. Für mich ist wichtig, dass ich in der Position gestalten kann. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, ist der persönliche Austausch respektvoll und gut. Daraus ziehe ich viel Energie.
Was war der schlimmste Moment?
Sauren: Der war am 21. Dezember. An dem Tag, an dem wir uns von Trainer Steffen Baumgart getrennt hatten und uns dann auch noch das CAS-Urteil zugestellt wurde.
Wolf: Da bist du erst einmal paralysiert. Wir hatten an einem Tag einen Schlag rechts und einen Schlag links kassiert. Dabei hätte schon ein einziger für den Knockout gereicht.
Andere dachten zumindest, dass sie es besser könnten als Sie. Wie ist Ihre Meinung zur FC-Opposition um Dieter Prestin?
Wettich: Dass sich nach den Ereignissen ein alternatives Vorstandsteam bildet, finde ich ebenso legitim wie das Sammeln von Unterschriften, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen. Das ist in der Satzung so verankert. Allerdings fand ich die Abläufe im konkreten Fall nicht in Ordnung, obwohl ich eigentlich recht schmerzfrei bin. Die sind meinem Wertebild auch zuwider. Deshalb habe ich auch die Aussage so getätigt, zu der ich weiter stehe.
Sie sagten öffentlich in Richtung des Teams Prestin: „Ich werde alles dafür tun, dass Ihr nicht gewählt werdet.“
Wettich: Wenn ich mal irgendwann aus dem Vorstand ausscheide, wäre es mein Wunsch, dass mir oder uns ein Vorstand nachfolgt, der im Sinne des 1. FC Köln die Arbeit fortführt. Und das sehe ich bei diesem Team nicht.
Am Dienstag wird ein neuer Mitgliederrat gewählt. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit dem aktuellen Gremium?
Sauren: Überwiegend und über lange Zeit konstruktiv, am Ende herausfordernd.
Können Sie das konkretisieren?
Sauren: Es gab die eine oder andere Diskussion und manche Ereignisse, die herausfordernd waren.
Wettich: Grundsätzlich: Der Mitgliederrat ist der Aufsichtsrat im Verein, den es einfach geben muss. Der Vorstand ist ein mächtiges Organ, das kontrolliert werden muss. Ich halte es für richtig, dass es einen unabhängigen Aufsichtsrat beim FC gibt, der von den Mitgliedern gewählt wird. Man kann die Frage stellen, ob das Gremium aus 15 Personen bestehen muss. Aber es ist normal, dass der Mitgliederrat Dinge kritisch hinterfragt und es auch mal knirscht.
Braucht es eine neue Beschreibung des Gremiums?
Wettich: Bei einigen Mitgliedern besteht ein Missverständnis, was der Mitgliederrat ist. Er ist der Aufsichtsrat des Vereins, keine Interessenvertretung. Die Mitglieder vertritt in erster Linie der Vorstand. Wir drei vertreten den Verein und damit auch die Mitglieder, von denen wir gewählt wurden. Aus unserer Sicht macht es Sinn, sich nach vielen Jahren die Satzung des Vereins noch einmal vorzunehmen. Sowohl im Wording als auch in den Strukturen und ganzheitlich zu evaluieren. Was hat sich bewährt? Was kann vielleicht noch besser an der Satzung werden?
Wolf: Wir werden das Thema in den kommenden Monaten in Angriff nehmen und dabei natürlich auch die Gremien und Mitglieder einbeziehen.
Sie stellen erstmals während Ihrer Amtszeit mit dem langjährigen DEVK-Vorstandsvorsitzenden Gottfried Rüßmann einen eigenen Kandidaten für den Mitgliederrat zur Wahl. Fehlt es dem bisherigen Gremium an Kompetenzen?
Sauren: Nein. Das heißt nur, dass wir einen qualifizierten Kandidaten vorgeschlagen haben, der den Mitgliederrat bereichern kann. Am Ende entscheiden das die Mitglieder.
Wolf: Wir wollen den Mitgliedern das Angebot erweitern. Die Vita, ein Konzernlenker, ist bei den anderen Kandidaten nicht dabei. Ob sie diesen Kandidaten haben wollen, entscheiden die Mitglieder allein.
Sie sprechen von den Mitgliedern, die wählen. Besteht nicht das Risiko, dass die Mitglieder, die wählen und die nicht unbedingt repräsentativ sind für die 140.000 FC-Mitglieder, den Kandidaten des Vorstands aus Prinzip nicht wählen?
Wettich: Aus meiner Sicht haben die Mitglieder viele kluge Entscheidungen getroffen. Insoweit bin ich da zuversichtlich. Der erste stellvertretende Vorsitzende des Mitgliederrats, Josef Sanktjohanser, war übrigens vom Vorstand um Werner Spinner vorgeschlagen und ist gewählt worden. Dass Mitglieder Wahlempfehlungen aussprechen, ist ein demokratischer Prozess. Wer mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, muss dann andere oder mehr Mitglieder zur Versammlung hinbringen bzw. überzeugen. Das Idealbild wäre natürlich, dass alle Mitglieder zur Wahl kommen, jedes einzelne perfekt informiert. Das ist aber nicht die Realität.
Die Mitgliederversammlung ist am Dienstagabend um 18 Uhr. Da kann nicht jeder kommen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass mehr Mitglieder teilnehmen?
Wettich: Wir haben in den letzten Jahren alles versucht: virtuell, hybrid, physisch. Am Wochenende, unter der Woche. Wir haben mit keiner Methode durchschlagenden Erfolg gehabt. Aus meiner Sicht gibt es nur eine beschränkte Anzahl an Menschen, die das so stark interessiert, dass sie ihr Stimmrecht wahrnehmen wollen. Wir versuchen, alles dafür zu tun, dass möglichst viele Menschen kommen.
Wir haben zuletzt vermehrt den Begriff „Mitglieder-zentriert“ gehört, nicht mehr „Mitglieder-geführt“. Ist es mit Blick auf die Wahlbeteiligung womöglich so, dass die Mitglieder gar nicht führen wollen?
Wettich: Ich halte „Mitglieder-zentriert“ für richtiger. Die Mitglieder wählen den Mitgliederrat, die Mitglieder wählen den Vorstand, der den Verein führt. Bei einer Aktiengesellschaft wählen die Aktionäre hingegen nur den Aufsichtsrat, der dann den Vorstand bestimmt. Bei uns ist das anders, dem Mitgliederrat kommt nur ein Vorschlagsrecht zu, was richtig ist, weil die Mitglieder bestimmen sollen, wer den Verein führt und die Interessen der Mitglieder vertritt. Mitglieder können zudem Satzungsänderungsanträge mit einer sehr niedrigen Schwelle stellen, wir bieten viele Formen der Partizipation an. Das ist aus meiner Sicht eine Mitgliedszentrierung. Aber richtig ist auch, dass die überwiegende Mehrheit der Mitglieder, wie bei anderen Clubs auch, nicht die Möglichkeit wahrnimmt, ihr Stimmrecht auszuüben.
Wolf: Wenn wir ein Spiel haben, ist der Laden voll. Egal wann das anfängt. Am Freitagabend, 20.30 Uhr: Die Hütte ist voll. Und das dauert auch bis nach Mitternacht, ehe man wieder zu Hause ist.
Wettich: Wir machen uns jedes Jahr Gedanken dazu, deshalb auch die Absenkung des Wahlalters ab 16. Aus meiner Sicht ist die Legitimation dadurch gegeben, dass es ein niedrigschwelliges Angebot ist, als Mitglied einmal im Jahr dahin zu kommen und sein Recht auszuüben. Wenn man bedenkt, dass es mehrfach Wahlen für den Mitgliederrat gegeben hat, bei denen es auf jede Stimme ankam – das sollte eigentlich Anlass genug sein für Mitglieder zu kommen, denn jede Stimme hat eine Bedeutung.