Nach dem 3:0-Sieg auf Schalke ist Bayer 04 mit seinem Jungstar in der Bundesliga die Mannschaft der Stunde.
Bayer 04 Leverkusen:Florian Wirtz zaubert die Krise weg und lässt den Werksklub träumen
Als Florian Wirtz in der Mixed Zone an den Leuten von der schreibenden Presse vorbeihuschte, hatte er schon alles gesagt. „Sorry, ich habe schon vier Interviews gegeben“, entschuldigte sich der 19-Jährige und hob, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, vier Finger in die Höhe. So richtig übel nahm ihm das niemand, denn das, was er am Besten kann, hatte der Nationalspieler in den zwei Stunden zuvor getan: Fußball gespielt, den Ball gestreichelt, ein Tor erzielt, seine Mannschaft zum 3:0-Sieg beim FC Schalke 04 geführt.
Es war nicht schwer, diese Leistung als Antwort auf die Ereignisse drei Tage zuvor in Köln zu verstehen. Die Auswechslung im Länderspiel gegen Belgien nach 32 insgesamt chaotischen Minuten war einer der schwierigsten emotionalsten Momente in der jungen Karriere des Ausnahmespielers abgesehen von seinem Kreuzbandriss am 13. März 2022. Aber Wirtz reagierte auf seine Weise. Das 2:0 in der 61. Minute war ein Tor, wie es in der Bundesliga nur er erzielen kann. Nach einem doppelten Doppelpass auf engstem Raum drang Wirtz, umzingelt von Gegenspielern, in den gegnerischen Strafraum ein und erwischte mit dem Gleichgewichtssinn eines Hochseilartisten alle Kontrahenten inklusive Torwart Ralf Fährmann auf dem falschen Fuß. Am Ende genügte ein aufreizender Schuss mit der Pike, um das 2:0 zu erzielen und das Spiel vorzuentscheiden.
So sieht Fußball aus, wenn er von einem Auserwählten zur Kunstform erhoben wird. Simon Rolfes hat die Reaktion auf die Demütigung durch den Bundestrainer nicht überrascht. „Es ist immer das Beste im Fußball, direkt danach ein Tor zu machen“, sagte der Leverkusener Sportdirektor nach dem Spiel. „Solche Situationen, wie Florian sie erlebt hat, gibt es halt im Fußball, aber das ist für ihn kein Problem. Er hat gezeigt, dass er eine zentrale Säule in unserem Spiel ist. Er weiß auch genau, wie seine Mitspieler laufen und agieren. Und sie wissen auch, was passiert, wenn Florian den Ball hat.“
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Das Zaubertor war der sportliche Höhepunkt eines für Bayer 04 extrem erfolgreichen Nachmittags, der mit einer hart umkämpften ersten Halbzeit begann, ehe Jeremie Frimpong nach Vorarbeit von Edmond Tapsoba und Moussa Diaby in der 50. Minute das 1:0 erzielte. Mit dem ersten Saisontor von Florian Wirtz war das Spiel entschieden. Und die Werkself hätte das Ergebnis gegen aufopferungsvoll kämpfende Schalker weit höher gestalten können, ehe Sardar Azmoun in der Nachspielzeit per Kopf auf 3:0 stellte.
In dieser Form ist Bayer Leverkusen zu allem fähig
Mit diesem Sieg hat Bayer die Trümmer der katastrophalen Vorrunde wenigstens zur Hälfte weggeräumt und steht als Tabellensiebter nur noch einen Punkt hinter dem kommenden Gegner Eintracht Frankfurt. Und sogar der magische Platz vier, Einlasstor zur Champions League, ist nur noch sieben Punkte entfernt. Nach fünf Siegen in den letzten sechs Spielen und dem Ausbleiben des traditionellen Rückschlages nach einem Sieg über den FC Bayern München scheint Bayer 04 unter dem besonnenen Trainer Xabi Alonso mit seinem Blitz-Fußball zu allem fähig.
Simon Rolfes hatte auch in den finsteren Wochen der Vorrunde, als Bayer 04 bis auf Platz 17 der Liga hinabgesunken war, an ein Comeback im Frühjahr geglaubt. Er hat Recht bekommen und kann den Ball jetzt flach halten. „Die Tabelle lesen wir ja alle. Jede Woche müssen wir ja alles reinhauen“, erklärte der Sportdirektor, „wir haben auch im Herbst an uns geglaubt, weil wir wussten, dass wir uns verbessern können und die Rückserie mit 19 Spielen diesmal extrem lang war. Deshalb haben wir die Ziele nicht aus den Augen verloren. Dennoch wissen wir, dass es noch ein langer Weg ist. Wir haben starke Gegner vor der Brust. Also alles Schritt für Schritt.“
An Florian Wirtz wird es nicht liegen. Er hat gezeigt, wie man als hoch gelobtes Supertalent mit Rückschlägen umgeht. „Das wünscht sich keiner, so früh ausgewechselt zu werden. Aber wenn das passiert, muss man es einfach wegstecken“, sagte der 19-Jährige mit Blick auf das Länderspiel in Köln der Sportschau und erklärte: „Ich hatte heute wieder Spaß zu spielen.“