Der Tscheche fehlt der Werkself an allen Ecken und Enden. Augsburg hingegen hat einen Top-Torjäger.
Stürmerloses Bayer 04Patrik Schick bleibt bei Leverkusen ein Rätsel
Mit versteinerter Miene schlich Fernando Carro durch die Katakomben der Augsburger Arena. Immer wieder kamen dem spanischen Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen einzelne Wörter in Flüster-Lautstärke über die Lippen. Was genau Carro sagte, weiß nur er – doch wäre etwas anderes als leise Flüche über das kurz zuvor Gesehene eine Überraschung. Der emotionale Katalane konnte seinen berechtigten Zorn kaum verbergen.
Die Werkself hatte beim FCA ein 0:1 kassiert und durch die zweite Niederlage in Folge die internationalen Plätze wieder aus den Augen verloren. Die zuvor fünf Siege in Serie, die zwischenzeitlich die Hoffnung zurück nach Leverkusen gebracht hatten, wirken rückblickend mehr wie ein Höhenflug statt wie die bitter nötige Kehrtwende in einer verkorksten Saison.
Lukas Hradecky fühlt sich in seiner Skepsis bestärkt
Kapitän Lukas Hradecky, der schon vor dem ersten Pflichtspiel des Jahres betont hatte, dass die oberste Zielsetzung vorerst Klassenerhalt und nicht Europa bleiben sollte, fühlte sich in seiner Skepsis bestärkt. „Ich hoffe, dass wir bald im Niemandsland der Tabelle sind. Wir müssen erstmal aus dem Keller raus, das betone ich nochmal. Alle anderen Gedanken sollten wir beiseitelegen“, sagte der Finne. „Ich sehe ja, wie wir spielen. Wir gewinnen die Spiele nicht souverän und jagen auch nicht die Champions League. Das ist eine falsche Realität.“
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Hoffentlich, so der Torhüter, hätten die beiden Niederlagen „die Sinne ein bisschen geschärft“. Zumindest defensiv sieht Hradecky seine Werkself aber in einem besseren Zustand als in weiten Teilen der Hinrunde. „Ich finde uns stabiler. So viele Schwächen leisten wir uns nicht mehr in einem Spiel. Ich mache mir weniger Sorgen als noch im November“, sagte der 33-Jährige.
Odilon Kossounou patzt vor dem Gegentor
In Augsburg leistete sich Bayer 04 in der 55. Minute die eine verhängnisvolle defensive Instabilität: Innenverteidiger Odilon Kossounou verschätzte sich bei einem Eckball völlig, hinter ihm stand Mergim Berisha frei und köpfte ungehindert ein. „Dass der so frei zum Kopfball kommt, ist sehr ärgerlich und kotzt mich an“, sagte Robert Andrich.
„Eigentlich können wir so ein Gegentor mit unserer Offensive immer gut korrigieren. Das hat leider nicht geklappt. Es war etwas phantasielos“, meinte Hradecky. Florian Wirtz, zunächst von Trainer Xabi Alonso geschont, brachte als Joker noch einmal Ideen ins Leverkusener Spiel, doch eine klare Torchance brachte Bayers namhafte, teure und talentierte Offensive nicht mehr zu Stande.
Florian Wirtz noch nicht wieder in Form
Der Freitagabend in Augsburg war ein weiterer Beweis für eine Tatsache, die bereits ausreichend belegt ist: Bayer 04 fehlt ein Mittelstürmer. „Wir hatten nicht die nötige Energie im gegnerischen Strafraum“, sagte Trainer Xabi Alonso. Ein Patrik Schick in guter Verfassung könnte dem Leverkusener Spiel diese Energie verleihen. Als Ankerpunkt im Angriff, Bandenspieler und Abnehmer für die vielen Flanken der zahlreichen Flügelsprinter.
Doch gibt der Gesundheitszustand des Tschechen Rätsel auf. Seit Wochen heißt es, dass Schick nach seinen fast schon chronischen Adduktorenbeschwerden Fortschritte macht. „Er fühlt sich besser“, berichtete Xabi Alonso bereits mehrmals. Eine Rückkehr in den Kader schien nie ausgeschlossen – war aber wohl mehr kalkulierte Verunsicherung des Gegners als echte Hoffnung auf ein Comeback. „Patrik ist noch nicht fit, um zu spielen. Er muss trainieren und noch mehr Dinge machen, damit wir wissen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Aber momentan ist er noch nicht komplett fit“, sagte Xabi Alonso in Augsburg.
Schicks letztes Pflichtspiel datiert vom 1. November. Ohne den 27-Jährigen wirkt Leverkusens Offensive zahnlos. Weder Adam Hlozek, noch Amine Adli oder Sardar Azmoun können den 27-Tore-Mann der Vorsaison auch nur annähernd gleichwertig ersetzen. Dazu ist Florian Wirtz nach seiner langen Verletzungspause noch nicht wieder in Tritt. „Uns fehlt die Abgezocktheit“, sagte Hradecky.
Mergim Berisha im Fokus von Hansi Flick
Einen Mann wie den Siegtorschützen Mergim Berisha könnte Bayer 04 derzeit hervorragend gebrauchen: 1,88 Meter groß, kopfballgewaltig, abschlussstark im Strafraum. Auf sechs Tore und vier Vorlagen kommt der 24-Jährige und ist für die wenig offensivfreudigen Augsburger damit überlebenswichtig. Das Tor gegen Leverkusen war sein fünftes Heimspiel-1:0 der Saison. Seine Treffer bescherten dem FCA 1:0-Erfolge gegen die Bayern, Gladbach und Bayer 04.
Die Leihgabe von Fenerbahce hat sich durch seine Leistungen ins Blickfeld der Nationalmannschaft gespielt. DFB-Co-Trainer Marcus Sorg beobachtete Berisha am Freitagabend – eine Nominierung für die Länderspiele Ende März wäre keine Überraschung. „Es gibt in Deutschland wenig bessere Neuner“, sagte Augsburg-Trainer Enrico Maaßen. In Leverkusen derzeit ganz sicher nicht.