Zell am See/Kaprun – Das Salzburger Land zeigt sich am Freitagmorgen in den Hohen Tauern von seiner melancholischen Seite. Wolkenbänke versperren die Sicht aufs Kitzsteinhorn, Nebel wabert durch die bewaldeten Hänge des Maiskogels, wie der Hausberg zwischen Zell am See und Kaprun heißt. Leichter Regen fällt auf den Platz des Alois-Latini-Stadions, in dem sich Bayer 04 Leverkusen zum neunten Mal auf eine Saison in der Fußball-Bundesliga vorbereitet. Eine willkommene Abkühlung nach der Berghitze des Ankunftstages, als das Thermometer auf fast 1000 Metern Meereshöhe 32 Grad im Schatten anzeigte.
Gerardo Seoane hat kein Auge für die malerische Szenerie, die im Hochsommer von bemerkenswert vielen Touristen aus den reichen arabischen Ländern bevölkert wird, weil sie ihrer Vorstellung vom Paradies so nahe kommt. „Entscheidend ist für uns hier, dass wir alle Spieler den ganzen Tag zusammen haben, dass die Wege kurz sind und zwischen Trainingseinheiten, Teamsitzungen und Regeneration keine Energie verloren geht“, sagt der Schweizer, „ob das dann hier ist oder woanders, ist für den Trainer erst einmal zweitrangig.“
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Wer eine Gruppe von 31 Spielern unter dem extremen Zeitdruck zu Höchstleistungen managen muss, der benötigt eine funktionierende Logistik. Zumal der bloße Trainingsprozess von zwei Spielen unterbrochen wird. Der Begegnung mit dem AEK Athen am Sonntag (17 Uhr) und dem Test gegen Udinese Calcio am Donnerstag (18 Uhr). Beide Partien finden in Zell am See statt. Deshalb ist Gerardo Seoane froh um die stattliche Größe des Kaders, in dem sich neben den Jugendspielern (Iker Bravo, Zidan Sterdemir, Madi Monamay, Roy Steur, Ayman Aourir) auch noch die zurückgekehrten Leihspieler (Nadiem Amiri, Joel Pohjanpalo, Ayman Azhil) und weitere Kandidaten für einen Wechsel (Paulinho, Dailey Sinkgraven) befinden.
Mehr als zwei Stunden lang beschäftigt Seoane mit seinen Assistenten die Masse der Spieler in bis zu drei Gruppen. Die großen Umfänge des Basistrainings, erklärt der Schweizer, müsse er anders als im Jahr zuvor im Trainingslager nicht mehr leisten. Er kann zielgerichteter arbeiten. „Wir haben entschieden, dass wir später ins Trainingslager gehen, damit so gut wie alle Spieler da sind. Letztes Jahr war das anders, da waren viele Spieler, die nachher im Kader standen, gar nicht dabei. Das wirkt sich auch auf das Training aus. Wir sind eine Stufe weiter.“
Das gilt ganz besonders für Jung-Nationalspieler Florian Wirtz, der ziemlich genau vier Monate nach seinem Kreuzbandriss am 13. März im Spiel gegen den 1. FC Köln zum ersten Mal öffentlich Ballkontakt hatte. Nach Wochen harter Reha jonglierte er bei Koordinationsübungen unter strenger physiotherapeutischer Aufsicht Bälle. Ein Rückschluss auf den Termin seines Comebacks lässt das natürlich noch nicht zu, aber das Ziel Weltmeisterschaft in Katar, die Ende November beginnt, scheint nicht ganz unrealistisch. Der Werksklub hat den 19-Jährigen also nicht nur mit nach Kaprun genommen, dass er in abgeschlossenen Räumen seine Reha weiterführen kann.
Am Ende der Vormittags-Einheit hatte sein Gerardo Seoane gesagt: "Es ist gut, dass die Angeschlagenen mit dabei sind, dann haben sie immer Kontakt zum Team." Der Trainer befindet sich in einer ganz anderen Situation als im Vorjahr, als er als quasi Unbekannter mit einem unfertigen Kader eine ihm unbekannte Mission übernahm. „Der größte Unterschied zum letzten Jahr ist: Wir sind alle ein Jahr zusammen“, sagt Seoane dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „die meisten Spieler wissen schon, was wir Trainer wollen, wie wir trainieren. Ich muss viel weniger coachen. Vom Gefühl her sind wir viel weiter als letztes Jahr. Wir müssen alles noch einmal kurz auffrischen, aber wir werden schneller vorwärts kommen.“