Leverkusen. – Leon Bailey ist als Fußballer der Hohepriester des Unvorhersehbaren. Bei ihm weiß niemand, was kommt. Nicht der Gegenspieler, den eine Demütigung in Form fußballerischer Finesse des Jamaikaners ebenso erwarten kann wie ein leichter Ballgewinn aufgrund von Leichtsinn desselben. Nicht der Trainer, der immer erst während des Spiels erfährt, welchen Bailey er gerade wieder aufgestellt hat: den Wirbelwind mit dem überragenden linken Fuß oder einen taktisch Schwererziehbaren, der das Offensivspiel kaputt macht. Und nicht zuletzt der ganze Klub, dem es passieren kann, dass Leon Bailey wochenlang überhaupt nicht kommt, wie geschehen zu Saisonbeginn, als der Stürmer nach einer lustigen Corona-Party mit dem jamaikanischen Supermann und 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt drei Wochen in Staatsquarantäne verschwand und in körperlich beklagenswertem Zustand bei Bayer 04 erschien.
Dieser Mangel an Verlässlichkeit hatte aus dem spektakulärsten Bundesliga-Profi der Bundesliga-Hinrunde 2017/18 einen Optionsspieler gemacht, der lange Zeit nicht zur A-Formation im Offensivfußball des Trainers Peter Bosz gehörte. Eine Verletzung und zwei dämliche Rote Karten in kurzer Folge hatten ihn letzte Saison den Stammplatz gekostet. Insgesamt spielte er nur magere 1090 Minuten. Beim 1:0 in Mainz stand der Angreifer dieser Bundesliga-Saison erstmals in der Anfangsformation. Und seine beiden Tore zum 4:2-Sieg des B-Teams über Hapoel Beer Sheva am Donnerstagabend in Israel war der vorläufige Höhepunkt einer sportlichen Aufwärtsentwicklung, die noch nicht abgeschlossen sein muss.
Trainer Peter Bosz hatte viel auszusetzen an diesem vor allem in der ersten Halbzeit ziemlich durchwachsenen Auftritt seiner Mannschaft. Für Bailey fand er aber nur lobende Worte. „Leon hat es sehr gut gemacht“, sagte der Niederländer und meinte vor allem dessen Leistung auf einer Position, die er selten spielt, obwohl er die Nummer 9 auf dem Rücken trägt.
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Nach der Auswechslung des gelbbelasteten Mittelstürmers Lucas Alario zur Halbzeit, die der Trainer auch im Hinblick auf das richtungweisende Bundesligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach am Sonntag (18 Uhr Bay-Arena) vornahm, entwickelte Bailey im Angriffszentrum viel Gefahr. Sein frühes 1:0 (5.) war von den international eher zweitklassigen Israelis von zwei spektakulären Toren ihres niederländischen Starspieler Elton Acolatse gekontert werden.
Nach dem Ausgleich durch ein Eigentor von Dadia sorgte Bailey in der 75. Minute für die Vorentscheidung. Der Jamaikaner schraubte sich in die Luft und verwertete eine Flanke von Kerem Demirbay hart bedrängt per Kopf zum 3:2. Danach blieb er erst einmal eine Minute lang mit brummendem Schädel liegen, aber der Grund dafür gefiel allen.„Ich wusste, dass er ein sehr guter Kopfballspieler ist, obwohl er nicht sehr groß ist“, sagt Bosz über den 23-Jährigen, der mit 1,78 Meter Körpergröße in der ersten Etage bisher wenig Schrecken verbreitet hat.
Noch mehr als der Treffer selbst mochte der Trainer aber den Gedanken, nach dem Abgang von Kevin Volland und Kai Havertz und der noch nicht auskurierten Wadenmuskel-Verletzung von Patrik Schick eine weitere Nummer neun zu haben. „Es hilft uns sehr, dass er auch Mittelstürmer spielen kann“, sagte der Niederländer. Allerdings dürfte diese Variante bei großen Spielen eher die Ausnahme bleiben. Schon am Sonntag gegen Mönchengladbach wird in Abwesenheit von Schick, den Bayer 04 vor den Länderspielen wohl nicht mehr einsetzen wird, Lucas Alario wieder im Sturmzentrum erwartet. Bailey könnte aber einer der wenigen Start-Spieler von Donnerstag sein, die 71 Stunden später gegen Mönchengladbach den Anpfiff auf dem Platz erleben. Er war in den letzten sechs Spielen an sechs Toren beteiligt. Angesichts der Formschwäche von Außenstürmer Karim Bellarabi bleibt das eine klare Option.
Leon Bailey selbst gab sich ganz bescheiden. „Ich freue mich sehr, dass ich der Mannschaft mit meinen Toren helfen konnte. Natürlich waren sie schön für mich, aber viel wichtiger war es heute, dass wir die drei Punkte mitgenommen haben“, wurde er nach dem Spiel zitiert.