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„Das Ziel gibt es bei uns nicht“Xhaka: Meistertraum kein Thema in der Bayer-Kabine

Lesezeit 4 Minuten
Alejandro Grimaldo (l.) feiert mit Jonathan Tah und Granit Xhaka.

Alejandro Grimaldo (l.) feiert mit Jonathan Tah und Granit Xhaka.

Bayer 04 Leverkusen beeindruckt ganz Europa. Doch vom Bundesliga-Titel will weiterhin keiner sprechen.

Xabi Alonso denkt in Etappen. Der Coach von Bayer 04 Leverkusen hat eine klare Strategie vor der Saison festgelegt: Er steckt seiner Mannschaft Zwischenziele - die Perioden gehen stets von Länderspielpause zu Länderspielpause. Die Hinrunde 2023 ist somit in vier Etappen gegliedert. Drei sind mit dem klaren 4:0-Erfolg gegen Union Berlin am Sonntag abgeschlossen und könnten kaum erfolgreicher verlaufen sein. „Wir sind sehr zufrieden, was wir in dieser letzten Periode gemacht haben. Sieben Spiele, alle gewonnen“, sagt Alonso mit bemerkenswerter Nüchternheit.

Im ersten Abschnitt im August und September gelang ebenfalls die perfekte Serie mit vier Pflichtspielsiegen. Von Mitte September bis Oktober reichte es „nur“ zu fünf Siegen und einem 2:2 beim FC Bayern München. Dieses Remis auswärts beim Rekordmeister ist nach mittlerweile 17 Pflichtspielen tatsächlich als einziger Malus einer ansonsten makellosen Bilanz zu werten.

Ein Blick auf die Tabelle zeigt, wie erfolgreich Leverkusen bisher gearbeitet hat. Der Vorsprung auf den Fünften Borussia Dortmund und damit auf die Europa-League-Plätze beträgt bereits zehn Punkte. Alles spricht für einen Titelkampf zwischen den Bayern und Bayer 04. Selbst wollen sie davon aber nicht sprechen. Nach elf Spieltagen sei noch kein Team Meister geworden, sagt Granit Xhaka und beschwört: „Das Ziel Meisterschaft gibt es bei uns bis heute in der Kabine nicht. Wir wollen Champions League spielen, auf jeden Fall. Diese Mannschaft hat das Potenzial und muss unter den Top vier der Liga sein.“

Facettenreiches Bayer-04-Spiel

Der Schweizer Nationalmannschaftskapitän führt aus: „Wir schauen nicht, was Bayern macht. Wenn wir unsere Spiele gewinnen, müssen wir nicht auf die Anderen schauen. Das ist das einzige Ziel, das wir haben.“ Und bei diesem Vorhaben entwickelte die Werkself viele Facetten, um erfolgreichen Fußball zu spielen. Neben großer Kontrolle durch schnelles Kurzpassspiel mit Positionsspiel, das auf einstudierten Automatismen beruht, gewinnt Leverkusen den Ball durch überfallartiges Gegenpressing sehr schnell zurück.

In den vergangenen Wochen eignete sich Leverkusen dann auch an, Spiele gegen Widerstände für sich zu entscheiden, wenn es mal nicht so laufen sollte wie geplant. Beim 4:0 gegen Union war das aber nicht der Fall, Bayer dominierte nach Belieben. Und doch erweiterte sich das Repertoire um eine weitere Qualität - sehr zum Gefallen von Alonso. „Endlich haben wir mal offensive Standardsituationen genutzt“, sagte der Coach zum 2:0 und 3:0, die jeweils nach einer Ecke fielen. „Das ist ein großes Thema für uns. Wir müssen Ecken und Freistöße nutzen, wenn wir mal nicht aus dem Kombinationsspiel heraus Tore schießen können. Diese Tore geben uns Vertrauen, dass wir treffen können bei Standards. Das ist sehr wichtig.“

Der gesamte Verein arbeitet mittlerweile daran, dass Bayer 04 über 90 Minuten Vollgasfußball anbieten kann. Im Heimspiel am Sonntag lagen rund 30 Bälle rund um den Rasen verteilt, damit das Spiel, wenn ein Ball ins Aus geht, schnell fortgesetzt werden kann. Es wäre zu vermuten gewesen, dass Alonso diese Verteilung angeordnet hat. Doch: „Wer auch immer diese Idee hatte: danke dafür“, sagt der Trainer. „Das hilft uns, das Tempo hochzuhalten. Wir wollen immer die Intensität so hoch wie möglich halten und dem Gegner keine Pausen zur Erholung geben.“

17 Nationalspielern auf Reisen

Pause und Erholung sind nun aber - laut Alonso - die Ziele für seine Mannschaft in der Länderspielpause. Er weiß aber natürlich, dass dieses Vorhaben bei der großen Anzahl von 17 Nationalspielern auf Reisen kaum möglich ist. „Es geht auch darum, sich zu erholen von der täglichen, dynamischen Arbeit hier bei uns“, sagt er. „Manchmal ist es gut, einfach in eine andere Umgebung zu wechseln. Das gilt auch für das Trainerteam und den gesamten Staff.“

Ab dem letzten November-Wochenende geht dann die vierte Etappe 2023 los. Die hat es in sich: Acht Spiele in vier Englischen Wochen stehen innerhalb von 26 Tagen bis Weihnachten an. Konkurrent Bayern München hat eines weniger, da die Tuchel-Elf bereits aus dem Pokal ausgeschieden ist.

Das Fernduell mit seinem ehemaligen Arbeitgeber interessiert aber auch Alonso überhaupt nicht. Er bleibt seiner Zwischenziel-Taktik trau und warnt lieber davor, dass Leverkusen nicht das Schicksal ereilt, das es in der Vergangenheit mehrmals erleiden musste: „Es gibt ein Gefühl, aber es gibt keine Sicherheiten, was im Mai passieren wird. Es sind noch sehr viele Spiele bis dahin. Es kann alles passieren. Wir haben schon so oft im Fußball gesehen, dass es nach einer tollen Hinrunde bergab geht. Und dann sind alle Hoffnungen und Erwartungen weg. Wir wollen den Blick nicht zu weit nach vorne richten. Es geht nur um die nächste Phase, die nächsten acht Spiele. Dann sehen wir, wo wir stehen.“