Leverkusen – Peter Bosz (56) ist ein ehrlicher Trainer. Er sagt lieber nichts als etwas, hinter dem er nicht stehen kann. Im Fußball-Alltag zu Normalzeiten hat ihm das den Ruf eingebracht, eher langweilig zu sein. Wenn gerade kein Spiel ansteht, das Konzentration und Diskretion erfordert, kann Peter Bosz allerdings sehr offen sein. Deshalb ist der Einblick, den er nach Beginn der Mannschaftstrainingsphase in sein Gefühlsleben gab, schon tiefer als der, den viele seiner Kollegen gewährten.
Drei grundsätzliche Aussagen bestimmen das Befinden des Niederländers. Erstens: Als Trainer tappe ich bei diesem Experiment im Dunkeln. Zweitens: Die Mannschaft ist acht Tage vor dem ersten Corona-Spiel in Bremen noch nicht in der Verfassung, die ein Bundesliga-Wettkampf eigentlich erfordert. Drittens: Es ist ein Glück, im Training wieder mit richtigem Fußball zu tun zu haben.
„Lieber wäre ich zu Hause!“
Für eine bessere Orientierung im Experimentellen hat er noch gut eine Woche Zeit. Sie beginnt am Montag mit der Trainingslager-Phase, in der sich die Werkself in einem Hotel abschottet, dessen Name noch nicht kommuniziert wurde. Auch hier ist Bosz ehrlich: „Lieber wäre ich zu Hause. Aber es muss sein.“ Was für ein Privileg dieses Bundesliga-Experiment ist, dessen Teil er sein darf, sieht Bosz mit Blick auf seine Heimat, den Niederlanden, wo der Spielbetrieb schon am 21. April für beendet erklärt wurde. Die Folgen dort sind unabsehbar. Hier gibt es wenigstens die Chance, das sportpolitische Chaos abzuwenden.
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Entscheiden wird darüber die Disziplin von Spielern, Trainern und Betreuern, die alle drei Tage getestet werden und das heikle medizinische Konstrukt der virenfreien Geisterspiele zu Fall bringen können. „Ich kann nicht versprechen, dass es keine Corona-Fälle geben wird“, sagt Bosz, der mit Bayer 04 in den ersten beiden Testreihen ohne positiven Befund geblieben war. Versprechen will er dagegen, dass alle seine Spieler den Ernst der Lage verinnerlicht hätten und es einen Auswuchs wie das Kabinen-Video des inzwischen suspendierten Hertha-Profis Solomon Kalou in Leverkusen nicht geben wird. „Das glaube ich zu 100 Prozent.“
„Gefühl von Sicherheit“
Persönlich, erklärt Bosz, habe er weder vor dem Virus, noch vor der Situation Angst. „Die Spieler sind weniger Risikogruppe als ich als alter Mann und Asthmapatient. Und ich habe auch keine Angst.“ Er habe viele Gespräche mit den Profis geführt, und nirgendwo sei ihm dabei Furcht begegnet. Die permanenten Tests stören ihn nicht, im Gegenteil. „Das gibt einem das Gefühl von Sicherheit.“
Das Wichtigste in diesem Durcheinander von Hoffnungen und Zweifeln ist für Bosz allerdings der Umgang mit Fußball. Die Arbeit mit der Mannschaft ist nach der Freigabe des Mannschaftstrainings auch wieder so, wie sie immer war. Die Analyse des Gegners, die Suche nach einer Strategie, um das nächste Spiel zu gewinnen bestimmt den Alltag des Fußball-Lehrers. Und vor allem die Tatsache, dass es ein nächstes Spiel gibt. Zwei Monate lang existierte sie nicht. Jetzt ist sie wieder vorhanden. Für Bosz bedeutet das eine andere Form von Lebensqualität.
Ein Experiment, dessen Ausgang keiner kennt
Die Seele des Fußballs, ein Spiel vor Fans im vollen Stadion, wird Bosz allerdings noch lange fehlen. Er hatte sich vor Unterbrechung der laufenden Saison deutlicher gegen Geisterspiele ausgesprochen als die meisten seiner Kollegen. „Ich bin dagegen, wir machen das für die Fans, ohne sie fehlt der entscheidende Teil“, hatte er gesagt. Auch das war ein Teil seiner Ehrlichkeit. Dass er sich jetzt darauf freut, geschieht mit dem Wissen dessen, dass es für ziemlich lange Zeit nur diesen Fußball geben kann – oder keinen.
Deshalb stürzt sich Peter Bosz jetzt in dieses Experiment, dessen Ausgang noch keiner kennt.