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Lehrstunde in LiverpoolLeverkusen nach 0:4 selbstkritisch – Alonso konnte Empfang „nicht so sehr genießen“

Lesezeit 5 Minuten
Leverkusens Trainer Xabi Alonso genoss die freundlichen Gesten der Liverpooler Fans, dennoch überwog letztlich der Schmerz der Niederlage.

Leverkusens Trainer Xabi Alonso genoss die freundlichen Gesten der Liverpooler Fans, dennoch überwog letztlich der Schmerz der Niederlage.

In den ersten 45 Minuten war der Faktor Stimmung an der Anfield Road eliminiert. Doch dann brach die Werkself ein.

Xabi Alonso hob die Hände und klatschte – jeweils ein paar Sekunden in Richtung jeder Tribüne im Stadion an der Anfield Road. Die Fans des FC Liverpool hatten ihn zuvor herzlich empfangen und auch am Ende der Partie mit ein paar Gesängen und Sprechchören gefeiert.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der englische Topklub die Champions-League-Partie gegen Bayer 04 Leverkusen schon auf seine Seite gezogen. Dass am Ende ein 4:0 (0:0) auf der Anzeigetafel stand, vermieste dem Bayer-Trainer natürlich die Laune. „Zum einen ist es das Spiel und zum anderen war es ein guter Empfang für mich“, sagte Alonso. „Es ist ein bitterer Beigeschmack durch das Spiel, dadurch konnte ich den Empfang nicht so sehr genießen, aber ich weiß es wirklich zu schätzen, ich bin dankbar, dass ich nach so vielen Jahren hierherkomme und diese Bindung zum Verein habe.“

Werkself war in Liverpool eigentlich auf einem guten Weg, den Favoriten zu ärgern

Seine Rückkehr nach seiner Zeit als Spieler in Liverpool zwischen 2004 und 2009 hatte sich Alonso freilich anders vorgestellt. Er wollte mit seinem Team den Favoriten ärgern. Und die Werkself war eigentlich auf einem wirklich guten Weg. In der ersten Hälfte gelang es, Liverpool in Schach zu halten. Leverkusen war dem Führungstreffer sogar näher, gewann viele wichtige Zweikämpfe. In der Offensive fehlte es gegen die massiven Liverpooler Innenverteidiger Virgil van Dijk und Ibrahima Konaté aber auch über weite Strecken an Durchschlagskraft, um selbst in Führung zu gehen.

Dass der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie den Gästen einen Elfmeter beim Einsteigen von Landsmann van Dijk gegen Landsmann Jeremie Frimpong verweigerte, wollte keiner bei der Werkself als Entschuldigung für die Niederlage heranziehen. „In solchen Situationen, wenn du einen Elfmeter haben willst, musst du natürlich alles dafür tun, dass er dich auch stark zu Fall bringt“, sagte Sportgeschäftsführer Simon Rolfes. „Mit Sicherheit war ein bisschen Kontakt da, ob das jetzt ein Elfmeter ist…“ Frimpong fehlte in dieser Szene ein wenig die Gier, das 1:0 zu machen – das ärgerte die Verantwortlichen mehr.

Zeigte sich mehrfach unzufrieden mit dem Schiedsrichter: Jeremy Frimpong

Zeigte sich mehrfach unzufrieden mit dem Schiedsrichter: Jeremy Frimpong

Und dennoch hatte Bayer 04 das geschafft, was es vorhatte: In den ersten 45 Minuten war der Faktor Stimmung an der Anfield Road eliminiert. Nach Wiederanpfiff änderte sich das allerdings mit einem Dreiklang: Liverpool entschied sich, mehr ins Pressing zu gehen. Leverkusen verlor unter Druck – aber auch in freien Situationen – plötzlich unnötig die Bälle, konnte für kaum noch Entlastung sorgen. Und Anfield wachte eben auch auf.

Xabi Alonso: „Sie haben gespürt, dass jetzt der Moment gekommen ist“

Xabi Alonso beschrieb es anschließend so: „Manche Dinge kann man erklären, manche nicht. Ich weiß aber, was die Liverpooler Spieler empfunden haben. Sie haben gespürt, dass jetzt der Moment gekommen ist: Jetzt stehen sie hinter uns und jetzt geht es los.“ Er habe versucht, seine Mannschaft darauf vorzubereiten, aber das sei eben nicht möglich. Angefeuert vom immer lauter werdendem Publikum stellte Liverpool mit einem Doppelschlag binnen weniger als drei Minuten auf 2:0. Es waren herrlich herausgespielte Angriffe, an deren Ende erst Luis Diaz, dann Cody Gakpo trafen. „Gegen Spitzenmannschaften reichen 60 Minuten nicht aus, man muss 95 Minuten auf höchstem Niveau spielen, und heute fehlten uns diese zusätzlichen 30-35 Minuten“, analysierte Alonso.

Leverkusen hatte zwar die Chancen durch die ansonsten eher unglücklich agierenden Victor Boniface und Florian Wirtz noch einmal ins Spiel zurückzukommen, doch Unvermögen und Liverpool-Keeper Caoimhin Kelleher standen im Weg. Am Ende machte Luis Diaz seinen Hattrick perfekt und das Ergebnis fiel mit 4:0 womöglich ein Tor zu hoch aus. Es bleibt die Erkenntnis, dass zwischen dem deutschen Doublesieger und einem der derzeit besten Teams in Europa noch eine Lücke klafft. „Du musst lernen, musst diese Spiele immer wieder absolvieren, immer mehr davon, musst dich immer wieder für die Champions League qualifizieren und weiter gegen diese Weltklasse-Qualität antreten. Heute waren wir noch nicht bereit, diese Qualität zu matchen“, fasste es Kapitän Lukas Hradecky treffend zusammen.

Simon Rolfes über Florian Wirtz: „Auch er kann sich noch verbessern“

Das gilt insbesondere auch für Spieler wie Florian Wirtz, der zum ersten Mal auf der größten europäischen Bühne in einem der größten Fußballtheater der Welt auflief. „Es war sein viertes Spiel in der Champions League und es werden noch viele folgen. Er kann auch viel mitnehmen aus diesem Spiel“, sagte Rolfes. „Wie du da agierst, wie du den Rhythmus setzt. Wo du deine Aktionen haben kannst. Wo es vielleicht auf dem Niveau schwieriger wird. Wir sind ja bei Florian immer verwöhnt mit allen möglichen Sachen. Man muss ihm zugestehen, dass er auch Bereiche hat, wo er sich noch verbessern kann. Aber er hat immer gezeigt, dass er in der Lage ist, extrem schnell dazuzulernen und sich anzupassen. Ich glaube, dafür war der Abend heute gut.“

Alonso, der sich mal wieder eine etwas andere taktische Ausrichtung hatte einfallen lassen und mit drei zentralen Mittelfeldakteuren spielen ließ, war ebenfalls der Meinung, dass dieser Abend an der Anfield Road eine gute Lehrstunde für seine Mannschaft war. „Die größte Lehre aus dem Spiel muss sein, dass man gegen Spitzenmannschaften auch schwierige Momente durchstehen muss“, betonte er. Wenn man sich mit dem Ball nicht so wohl fühle, müsse man da auch durch. „Das ist nicht der schöne Teil des Spiels, in dem wir in der Lage sein müssen, zusammenzuhalten, zu leiden, vielleicht nicht so schön zu spielen, das Spiel ein wenig zu stoppen, Da gibt es noch Raum für Verbesserungen, vor allem in der Champions League. Es geht noch gegen Inter, Atletico Madrid oder andere Topteams vielleicht in der nächsten Runde. Auf dem höchsten Niveau in diesen Wettbewerbemuss man jede Situation genießen – auch die nicht so schönen.“

Mit sieben Punkten nach vier Spielen in der Königsklasse, drei Partien davon auswärts, sieht es für Bayer 04 in jedem Fall danach aus, als würden sie in dieser Saison in der K.o.-Runde weitere Möglichkeiten bekommen, auf höchstem Niveau zu lernen und womöglich schon erzielte Lerneffekte zu zeigen.