München/Leverkusen – In diesem Spiel, das in normalen Jahren ein Spitzenspiel ist, sollte die Frage beantwortet werden: Welche Krise endet zuerst? Die des großen FC Bayern nach vier sieglosen Spielen und dem Fall auf den unwahrscheinlichen fünften Platz der Bundesliga? Oder die von Bayer 04 Leverkusen nach nur einem Liga-Sieg in sieben Spielen und dem Abrutschen in die Abstiegsregionen? Diese Frage wurde durch den ungefährdeten 4:0-Sieg des FC Bayern München am Freitagabend in der Allianz-Arena nicht eindeutig beantwortet. Dazu war die Werkself zu schwach. Fest steht nur: Ihre Talfahrt geht weiter.
Was das für Trainer Gerardo Seoane bedeutet, konnte an diesem Abend nicht bewertet werden. Als ihm die Bayer-Bosse vor der Länderspielpause ihr vorläufiges Vertrauen aussprachen, kannten sie den Spielplan bereits. Der Schweizer wird sein Team wohl auf die Champions-League-Partie am Dienstag gegen Porto vorbereiten. Und dann auf das Bundesligaspiel gegen Schalke. Danach weiß man vielleicht mehr.
Mittelfeldspieler Kerem Demirbay war nach dem Abpfiff stinksauer: „Die Bayern waren uns in allen Belangen überlegen. Wir müssen verstehen, um was es geht. Die Führungsspieler, auch ich, müssen vorangehen. Man darf zwar den Kopf nicht hängenlassen, aber im Moment sind wir doch sehr negativ."
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Gerardo Seoane überraschte einmal mehr mit seiner Treue zu Mitchel Bakker, der in dieser Saison, ja eigentlich im gesamten Jahr 2022 noch keine anständige Leistung gezeigt hat. Es dauerte keine drei Minuten, bis die schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren. Der Niederländer wurde vom begnadeten Jamal Musiala mit einer Bewegung ins Nichts geschickt und musste dann mitansehen, wie der 19-Jährige einen perfekten Pass durch alle Beine hindurch auf den Kollegen Leroy Sané spielte, dessen Schuss leicht abgefälscht zum frühen 1:0 im Tor landete.
Plan A in allen Spielen gegen den FC Bayern München war schon einmal gescheitert: Nur kein frühes Gegentor bekommen. Danach trat Plan B in Kraft: Jetzt nur kein schnelles zweites Gegentor bekommen. Das wäre möglich gewesen gegen einen Favoriten, dem nach vier sieglosen Spielen in Folge ein schnelles 1:0 nicht genügte, um zur alten Selbstverständlichkeit zurückzufinden.
Aber dann kam wieder der begnadete Musiala nach einem Doppelpass mit Thomas Müller in den Strafraum gerannt und entschloss sich aus ungünstigem Winkel zum Abschluss. Der Ball, nur leicht abgefälscht, flog in Richtung Torwartecke. Lukas Hradecky hatte sich aber ein wenig in Richtung Tormitte orientiert und ließ das Spielgerät durch die Fäuste rutschen. Das 0:2 nach 17 Minuten.
Jetzt war die Reihe an Plan C: Unbedingt bis zur Halbzeit das 0:3 und die Vorentscheidung vermeiden. Auch das wäre möglich gewesen, weil der FC Bayern trotz Überlegenheit in allen Bereichen im Strafraum wieder die letzte Konsequenz vermissen ließ. Dann erreichte ein langer Ball den bis dahin eher schwachen Sadio Mané. Und als am 16-Meter-Raum einfach keiner kam, der ihn angreifen wollte, schoss der Senegalese den Ball unter dem Ball des heran rutschenden Bakker hindurch einfach ins Tor. Es stand zur Halbzeit 3:0.
Nach dem 0:3 befiehlt Seoane maximale Defensive
Zur Halbzeit nahm der arg unter Druck geratene Gerardo Seoane zwei Wechsel vor. Er ließ seine Außenspieler Bakker (zurecht) und Frimpong (überraschend) in der Kabine und brachte dafür Piero Hincapie und Charles Aranguiz. Taktisch war das eine Umstellung, die bei einer Führung zu erwarten gewesen wäre. Denn mit jetzt vier gelernten Innenverteidigern in der Viererkette und drei defensiven Mittelfeldspielern davor, hatte er maximale Defensive aufs Feld geschickt. Sozusagen den Leverkusener Super-Beton. Offenbar trat jetzt Plan D in Kraft: Unbedingt das 0:4 verhindern.
Das gelang zunächst vor allem deshalb, weil die Bayern alles taten, um ihren ersten Sieg nach vier sieglosen Spielen nicht zu gefährden. Und weil dem vermeintlichen 4:0 von Sadio Mané in der 57. Minute ein Foul von Mathijs de Ligt vorausging, der Kossounou bei einem Kopfballduell am Schädel traf, so dass dieser am Boden liegen blieb. In der Folge dieser Aktion erzielte der Senegalese vermeintlich sein zweites Tor.
Schiedsrichter Tobias Stieler sah sich das danach noch einmal am Bildschirm an und nahm den Treffer zurecht zurück. So schien es, als würde wenigstens Plan D gelingen an diesem Abend. Die Bayern hatten den überragenden Musiala ausgewechselt und begnügten sich mit einem immer noch stattlichen 3:0. Allerdings hieß der Leverkusener Torhüter Lukas Hradecky. Und der schaffte es, in der 85. Minute unbedrängt im Strafraum auszurutschen und Thomas Müller das 4:0 zu schenken.
Somit blieb nur noch Plan E: Heil in die Kabine der Allianz-Arena kommen. Das ist den Spielern von Gerardo Seoane schließlich gelungen. Trotzdem war Mittelfeldspieler Kerem Demirbay stinksauer: „Die Bayern waren uns in allen Belangen überlegen. Wir müssen verstehen, um was es geht. Die Führungsspieler, auch ich, müssen vorangehen. Man darf zwar den Kopf nicht hängenlassen, aber im Moment sind wir doch sehr negativ."