Leverkusen – Man muss sich die 50+1-Regel im deutschen Fußball etwa so vorstellen wie die Geschichte vom Christkind, das zu Weihnachten Wünsche erfüllt. Sie funktioniert wunderbar, solange nicht jemand in Anwesenheit der Kinder laut ruft: „Gibt es das Christkind überhaupt?“ Dann entsteht ein mittleres Problem, das nur aus der Welt geschafft werden kann, wenn alle tapfer auf die Zähne beißen und nicken.
In einer ähnlichen Situation befindet sich die Deutsche Fußball-Liga, weil sie beim Kartellamt, das in diesem Fall in etwa die Rolle des Lieben Gottes einnimmt, nachgefragt hat, ob ihre schöne 50+1-Regel, die Vereine vor Übernahmen von Investoren schützt, dem Wettbewerbsgedanken widerspricht. Drei Jahre lang (!) hat die oberste Instanz gebraucht, um zu erklären: Im Prinzip schon, wenn nur die Ausnahmen nicht wären…
Das ist für den deutschen Fußball Sieg und Niederlage zugleich. Er darf sein europäisches Alleinstellungsmerkmal grundsätzlich behalten. Allerdings wird die Sollbruchstelle des Konstrukts – die Sonderrolle der Investorenklubs – benannt und eine Lösung gefordert, die ohne Erschütterungen kaum zu finden sein wird.
Die Traditionalisten träumen vom Ende der Werksvereine, die Realisten dagegen befürchten das Ende von 50+1, denn es ist unwahrscheinlich, dass sich Bayer 04 Leverkusen, seit 42 Jahren Mitglied der Bundesliga und der VfL Wolfsburg, Meister von 2009, sowie der Kunstverein des Philanthropen Dietmar Hopp jetzt in Luft auflösen. Vom Sonderfall RB Leipzig, der vom Kartellamt nur gestreift wurde, ganz zu schweigen.
Alle im deutschen Profi-Fußball werden viel Fantasie und Kompromiss-Bereitschaft aufbringen müssen, um Vereinsgedanken, Liga-Realität und internationale Konkurrenzfähigkeit gleichermaßen zu retten. Das Christkind wird hier leider nicht helfen können.