Leverkusen – Der 18. Geburtstag wird von vielen jungen Menschen als Befreiung empfunden, weil sie von da an tun dürfen, was sie vorher vielleicht nur heimlich oder unter Auflagen getan haben: Alkohol trinken, nachts unbegrenzt feiern, alleine reisen, ein Auto fahren. Und vor allem: Verträge unterzeichnen. Der junge Pulheimer Florian Wirtz hat zum Tag seiner Volljährigkeit am Montag genau das getan. Er unterschrieb bei Bayer 04 Leverkusen einen Fünfjahresvertrag bis 2026 und wird damit zum gemachten Mann, bevor er ein Mann geworden ist.
Das ist im Profi-Fußball bei großen Talenten inzwischen die Regel. Aber Wirtz ist sogar unter diesen großen Talenten eine Außergewöhnlichkeit. Er hat in seinem ersten Profi-Jahr so ziemlich alle Rekorde für 17-Jährige im deutschen Fußball aufgestellt. Er hat bereits 44 Pflichtspiele auf höchster Ebene absolviert, in denen er acht Tore erzielte und acht vorbereitete, zumeist einer der auffälligsten Spieler seines Teams war und deshalb einmal schon von Bundestrainer Joachim Löw in den Kreis der Nationalmannschaft berufen wurde. Sein erstes Länderspiel wird nur eine Frage der Zeit sein.
Entsprechend groß war das Glücksgefühl der Leverkusener, diesen außergewöhnlichen jungen Spieler an sich gebunden zu haben. Die Verpflichtung von Wirtz im Januar 2020 gilt als herausragende Leistung des Managements um Sportdirektor Simon Rolfes, die aber nur durch ein offensichtliches Versagen des 1. FC Köln möglich war, der das Talent zehn Jahre lang bis an die Spitze des deutschen Nachwuchsfußballs geführt hatte. Die sportliche Führung unter Armin Veh hatte es versäumt, den Jugendlichen, der die B-Junioren des FC zur Deutschen Meisterschaft führte, trotz dessen herausragender Leistungen langfristig zu binden. Plötzlich waren alle Spitzenvereine hinter ihm her. Simon Rolfes erzählte einmal im Gespräch mit dieser Zeitung, dass ihm fast das Telefon aus der Hand gefallen sei, als er hörte, dass dieses Juwel zu haben sei.
Für Wirtz stellte sich zu dieser Zeit, im zweiten Halbjahr 2019, nur noch die Frage, ob er nach München, Hoffenheim, Mönchengladbach oder einem anderen Bundesliga-Klub mit höchsten Zielen wechseln würde. Als Bayer 04 dann trotz der Absprache unter rheinischen Nachbarn, sich nicht gegenseitig die Talente abzuwerben, seinen Hut in den Ring warf, entschied auch die Nähe zur Heimat. Wirtz konnte in Pulheim bleiben und sich neben dem Profi-Alltag auch noch auf sein Abitur vorbereiten, das er derzeit absolviert.
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Simon Rolfes erklärte am Montag: „Florian Wirtz ist gleichzeitig ein Versprechen für die Zukunft und ein Garant für sportlichen Erfolg in der Gegenwart. Es ist beeindruckend, wie mutig und selbstbewusst er sich im Profifußball schon durchgesetzt hat. Flo hat das Zeug, in den kommenden Jahren zu einem Top-Spieler der Bundesliga zu werden und auch zu einem wichtigen Element der deutschen Nationalmannschaft.“ Nicht weniger hymnisch äußerte sich Geschäftsführer Rudi Völler, der Wirtz „eine fantastische Entwicklung“ bescheinigte. „Sein herausragendes Talent war natürlich offensichtlich und hat Anlass zu großen Hoffnungen gegeben, als wir ihn Anfang 2020 als 16-Jährigen zu uns geholt haben. Dass Florian aber schon jetzt zu einer zentralen Figur unserer Profimannschaft werden würde, war sicherlich nicht zu erwarten. Angesichts seiner Jugend und der Tatsache, dass er gerade sein Abitur macht, ist dies eine außergewöhnliche Leistung.“
Wirtz hat, von einem einzigen Interview abgesehen, in der Öffentlichkeit bisher nur fußballerische Taten sprechen lassen. Auch das wird sich mit seiner Volljährigkeit womöglich ändern. Vom Klub wird er angesichts seiner Vertragsverlängerung so zitiert: „. Ich spiele hier in einem super Verein, der zu den besten in Deutschland gehört und mit dem ich in den nächsten Jahren höchste Ziele in Angriff nehmen will. Mit meinen Leistungen will ich dazu beitragen, dass wir hier in naher Zukunft Titel erreichen können.“
Florian Wirtz selbst ist auch ohne Meisterschaft schon in den höchsten Sphären angekommen. Sein Marktwert wird vom Portal transfermarkt.de eher sachlich mit 45 Millionen Euro angegeben, dürfte aber bei annähernd gleich bleibender Entwicklung in der Nach-Corona-Zeit weiter nach oben schnellen. Inwieweit eines Tages Bayer 04 bei einem Transfer davon profitiert und wie weit der Spieler selbst, wie fest die Vertragsbande hinsichtlich eines Transfers vor Ablauf der Zeit wirklich sind, regeln die Klauseln, ohne die Verträge auf solcher Ebene heute nicht mehr geschlossen werden. Sicher aber ist: Florian Wirtz wird noch viele Spiele für Bayer 04 Leverkusen machen. Und beim 1. FC Köln wird man, mehr noch als jetzt schon, versuchen, sich nicht vorzustellen, was möglich gewesen wäre, wenn die Dinge in der Vergangenheit anders beurteilt worden wären.