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Die unglaubliche Bayer-Serie:Florian Wirtz macht aus der Werkself eine andere Mannschaft

Lesezeit 4 Minuten

Florian Wirtz setzt sich gegen Makoto Hasebe durch.

Die Zahlen belegen es nach dem 3:1 von Berlin: Ohne Florian Wirtz ist Bayer 04 ein Verliererteam. Mit ihm ein Gewinnerteam.

Im Fußball ist es einfach, eine Serie zu starten. Man muss nur anfangen, Spiele zu verlieren. Bayer 04 Leverkusen hat das zu Beginn der Saison konsequent getan und war Anfang Oktober auf Platz 17 der Tabelle gerutscht. Anders verhält es sich mit Serien, die auf Siegen beruhen. Wer sie starten will, gerät in einen harten Interessenkonflikt mit jedem einzelnen Gegner, der das mit allen Mitteln zu verhindern versucht.

Es war ein wichtiger Schritt, aber es gibt noch viel Arbeit zu tun
Xabi Alonso

Bayer 04 Leverkusen hat es dennoch geschafft, in der Bundesliga sieben Spiele hintereinander zu gewinnen. Seit 21 Jahren war das Mannschaften des Werksklubs nicht mehr gelungen. Zudem ist das Team von Trainer Xabi Alonso nach dem verdienten 3:1 über Eintracht Frankfurt am Ostersamstag wettbewerbsübergreifend seit neun Spielen ungeschlagen. Alle Beteiligten wollen, dass es so weitergeht und wissen, dass die Serie schon am Donnerstag im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League gegen Royal Union Saint-Gilloise enden kann.

Deshalb ist es besser, diese Serie nicht namentlich zu erwähnen. „Es war ein wichtiger Schritt, aber es gibt noch viel Arbeit zu tun“, sagt Xabi Alonso und blickt voraus: „Wir müssen uns gut erholen. Voller Fokus auf Union Saint-Gilloise.“ Die Nebenwirkungen dieses Sieg-Clusters sind für alle leicht erkennbar. Noch am 21. Spieltag lag Bayer 04 Mitte Februar auf Platz zehn – elf Punkte hinter Frankfurt und 13 hinter dem Tabellenvierten Freiburg. Sechs Spiele später ist Frankfurt überholt, und Freiburg liegt als Fünfter einen Platz und vier Punkte vor Bayer 04, der Vierte Leipzig nur fünf Zähler. Das ist die Zauberkraft von Siegesserien.

Weil das Glück trotz der inzwischen erdrückend werdenden positiven Indizien über Nacht wieder enden kann, darf man es verbal niemals herausfordern. Also sagt Geschäftsführer Simon Rolfes: „Wir gehen Schritt für Schritt und müssen gucken, wozu es am Ende reicht. Es sind noch viele Spiele zu spielen.“ Diese positiven Indizien haben bei Bayer 04 viel zu tun mit der Anwesenheit eines einzigen Spielers. Seit Florian Wirtz wieder gesund und vor allem fit auftritt, gelten andere Gesetze. Hier darf man den Bereich des Ahnens, Glaubens und Vermutens verlassen und sich auf nackte Zahlen stützen, beginnend mit den beiden Torvorlagen, die der 19-Jährige gegen Frankfurt den pfeilschnellen Kollegen Amine Adli und Moussa Diaby zum 1:0 und 2:0 servierte.

Damit war der Jung-Star 2023 an elf Leverkusener Pflichtspieltoren direkt beteiligt. Er hat 38 Torschüsse der Kollegen vorbereitet. Und er hat dabei zehn Großchancen alleine kreiert. Das ist Bestwert der gesamten Bundesliga. Das große Bild ist noch eindeutiger. Bayer 04 sah ohne Florian Wirtz in dieser Saison so aus: 27 Spiele, acht Siege, sechs Unentschieden, 13 Niederlagen. 1,5 Tore pro Spiel. Siegquote 30 Prozent. 1,1 Punkte pro Spiel. Mit Florian Wirtz: Elf Spiele, neun Siege, kein Unentschieden, zwei Niederlagen. 2,3 Tore pro Spiel, Siegquote 82 Prozent, 2,5 Punkte pro Spiel. Das sind zwei verschiedene Mannschaften. Hier ein Abstiegskandidat, da ein Spitzenteam. Und der Unterschied zwischen beiden ist auf dem Platz alleine die Anwesenheit dieses Profis, der von Bundestrainer Hansi Flick vor rund zwei Wochen beim Test gegen Belgien für zu leicht befunden und nach 32 Minuten ausgewechselt worden war.

Keine Mannschaft in der Bundesliga ist abhängiger von einem Spieler als Bayer 04 von Wirtz

Keine Mannschaft in der Bundesliga ist nachweislich abhängiger von einem Spieler als Bayer 04 von Wirtz, den Rückschläge wie die mittlere Demütigung durch Flick offenbar nur noch entschlossener machen. „Gut kicken zu können ist ja eine Qualität“, sagt Geschäftsführer Simon Rolfes, „aber die mentale Stärke zu haben, mit 19 Jahren so mit Rückschlägen umgehen zu können, noch einmal eine ganz andere.“ Der für seinen ökonomischen Umgang mit Euphorie bekannte ehemalige Weltstar Xabi Alonso hat mit den größten Fußballern der vergangenen 20 Jahre selbst gespielt oder gegen sie. Er wagte nicht ohne Grund den Wirtz-Vergleich mit dem jungen Messi. Denn das Talent des Juwels in allen Bereichen des Spiels, auch in denen des Willens, funkelt weithin sichtbar.

Im Umgang mit der Serie, die durch diese individuelle Klasse erst möglich wurde, ist der Trainer jedoch viel vorsichtiger: „Wir müssen ruhig bleiben. Wie sagt man auf Deutsch? Fuß auf dem Boden.“