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Achtelfinal-Rückkehr der „Röcke“?Köln hofft auf den Schotten-Nachschlag

Lesezeit 4 Minuten
Die schottischen Fans feuern in Köln ihre Mannschaft im EM-Spiel gegen die Schweiz an.

Viele, leidenschaftlich, laut und friedlich: die schottischen Fans im Kölner Stadion

Vor allem die Fans der „Tartan Army “ hinterließen bisher einen denkwürdigen Eindruck – auch beim Kölner Stadion-Chef.

Wer diesem stimmungsvollen, lauten, bunten und dazu noch stets friedlichen Fußballfest am Mittwochabend im Kölner EM-Stadion beiwohnen durfte, der wollte sie gar nicht mehr los- und gehenlassen, die schottischen Fans. Die Zehntausende Anhänger der „Tartan Army“, wie die schottische Mannschaft wegen der Stoffmuster ihrer Kilts genannt wird, verzauberten in den Tagen vor der Partie gegen die Schweiz (1:1) und am Spieltag selbst irgendwie auch fast alle Kölner. Müngersdorf hat schon viele stimmungsvolle Spiele erlebt, doch die schottischen Fans, aber auch die der Schweizer, sorgten am Mittwochabend für ein denkwürdiges Fußballfest.

„Die schottischen, aber auch die Schweizer Fans waren großartige Gäste. Für Köln war es ein Glücksfall, sie hier gehabt zu haben“, sagt Lutz Wingerath dieser Zeitung. Dem Geschäftsführer der Kölner Sportstätten und somit auch des Rhein-Energie-Stadions habe neben der grandiosen Stimmung beeindruckt, wie respektvoll alle miteinander umgegangen seien, wie diszipliniert alles abgelaufen sei – trotz der Größe der Fanlager und der Bedeutung des Spiels. „Was die Stimmung angeht, haben die Schotten natürlich für einen Höhepunkt gesorgt. Als sie ihre Hymne voller Inbrunst mitgesungen hatten, da war ich wohl ganz sicher nicht der Einzige, der eine Gänsehaut hatte“, schwärmt Wingerath.

EM 2024: Kölner Sportstätten-Chef lobt die friedlich feiernden Fanlager

Und es gibt einen Kölner Traum: Schaffen es die Schotten als einer der vier besten Gruppendritten noch ins Achtelfinale, könnte es unter Umständen zu einem weiteren Auftritt der „Tartan Army“ in Müngersdorf kommen. Der Gegner wäre dann der Sieger der Gruppe B – höchstwahrscheinlich Spanien oder Italien. Die Fans der „Bravehearts“ hätten ganz sicher nichts gegen dieses Duell einzuwenden. Und auch nicht gegen einen erneuten Aufenthalt in Köln – auch die Wirte der Stadt würde dies erfreuen.

„Wir müssen zwar neutral sein, aber natürlich würden wir die Schotten liebend gerne noch einmal bei uns begrüßen“, sagt der Kölner Moderator und Sportstätten-Sprecher Lukas Wachten, der in den vergangenen Monaten einen engen Draht zur Tartan Army rund um ihren Vorsänger Ted Christopher pflegte. Wachten hatte einen kölsch-schottischen Mitsingabend am Tanzbrunnen organisiert, zu dem am Dienstagabend 12500 Fans erwartet waren. Doch der fiel dann dem Unwetter zum Opfer und aus Sicherheitsgründen aus. „Ein Stich ins Herz“, so Wachten.

Vor einem möglichen Achtelfinale mit schottischer Beteiligung lässt sich dieser auf die Schnelle sicherlich nicht mehr realisieren. Doch dieses erreicht die Mannschaft von Trainer Steve Clarke ohnehin auch nur, wenn es vor dem Tor gefährlicher wird. In der Verteidigung machte das Team im Gegensatz zum 1:5 gegen Deutschland, in der es nie die Schotten dicht bekam, gegen die Schweizer zwar einen besseren Eindruck, doch torgefährlich wurde es nur selten.

Im Duell am kommenden Sonntag (21 Uhr) in Stuttgart gegen die noch punktlosen Ungarn reicht Schottland zwar ein Unentschieden für Platz drei, doch ein Remis dürfte so gut wie sicher zu wenig sein, um noch einer der vier besten Gruppendritten zu werden – zumal bei einem bisherigen Torverhältnis von 2:6. Folglich zählt für die Bravehearts nur ein Sieg, dem sie gegen die Schweiz trotz früher Führung (13.) nur selten nahe waren.

Es war übrigens der erste selbst erzielte Treffer des Teams im Turnier. Die Uefa korrigierte noch einmal den Torschützen, statt eines Eigentores des Schweizers Fabian Schär wurde nun Man-United-Profi Scott McTominay als Schütze gewertet. Der sorgte für einen Jubelorkan. Die ARD maß beim Torjubel eine Lautstärke von 110 Dezibel – ein Wert nahe der Schmerzgrenze. Die größte Chance zum schottischen Sieg besaß Grant Hanley, der in der 67. Minute per Kopf das Leder an den Pfosten gesetzt und so für einen Aufschrei des Entsetzens im schottischen Block auf der Nordtribüne gesorgt hatte. Insgesamt gesehen waren aber die Schweizer – wenig überraschend – das spielerisch bessere und gefährlichere Team. Nach dem Traumtor zum Ausgleich durch Xherdan Shaqiri (26.) waren die Eidgenossen dem Siegtreffer insgesamt auch näher.

Doch bei den Schotten war nach dem Remis der Glauben zurück. Der donnernde Applaus ihrer Fans tat ohnehin gut. „Wir sind viel glücklicher mit dieser Leistung“, sagte Kapitän Andrew Robertson. Man habe eine gute Reaktion auf die 1:5-Klatsche gegen Deutschland gezeigt. Nun habe man im letzten Spiel gegen Ungarn noch alle Chancen aufs Weiterkommen: „Das ist alles, was wir verlangen können.“ Mittelfeldspieler Billy Gilmour befand: „Heute Abend war es eher eine schottische Leistung. Wir sind dem Ball nachgelaufen, waren leidenschaftlich, alles war da.“ Doch nun muss den Schotten eben zwingend der erste EM-Sieg seit 28 Jahren gelingen. „Ich glaube, wenn wir diese drei Punkte holen, kommen wir weiter“, prognostizierte Clarke.

Die Kölner hätten nichts dagegen. Und noch weniger, die Tartan Army und ihre vielen sangesfreudigen, friedlichen, durstigen Fans erneut als Gastgeber begrüßen zu dürfen.