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Kommentar

Bundesliga-Kolumne
Thomas Tuchel als verbaler Feuermacher

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Lesezeit 4 Minuten
Thomas Tuchel auf dem Trainingsplatz in München.

Will im Meisterschaftsrennen Gas geben: Bayern-Trainer Thomas Tuchel.

Der 27. Bundesliga-Spieltag ist im Kasten. Die Aufreger fanden eher neben dem Rasen statt.

Wenn in einigen Tagen, Wochen oder gar Monaten über diesen 27. Bundesliga-Spieltag gesprochen werden sollte, wird es wohl eher nicht um Tore und Ergebnisse gehen. Nein, es waren mal wieder die Randgeschichten, die vor allem für Aufsehen sorgten. Die einen nennen sie Eklats, die anderen lieber emotionale Ausbrüche, die eben zur Fußball-Soap dazugehören.

Fangen wir doch mit dem wöchentlichen Bayern-Aufreger an. Was ist denn diesmal passiert?Ja, die Bayern können in diesen Tagen einfach nicht ohne boulevard-taugliche Zusatzanekdote. Da Oliver Kahn und Hasan Salihamdzic es ausnahmsweise schafften, keinen Schaden anzurichten, dachte sich Joshua Kimmich wohl: Dann übernehm‘ ich das eben. Der Nationalspieler ließ sich nach dem wenig spektakulären 1:0-Sieg in Freiburg zu einem als provokant wahrnehmbaren Faust-Jubel Richtung Freiburger Bank und Publikum hinreißen. Echtes Eklat-Potential? Nicht wirklich. Doch es passt einfach zu gut in die bayerische Frühjahrs-Telenovela. Kimmich selbst grinste später in die TV-Kameras und moderierte seinen Jubel ab: „Da habe ich mich hinreißen lassen. Das muss man nicht machen. Ich verstehe jeden, der sagt, dass das unnötig war.“ Die Pokal-Niederlage gegen die Breisgauer unter der Woche hatte dann wohl doch ein paar Spuren hinterlassen. Die Analyse von Freiburg-Coach Christian Streich scheint deshalb nicht ganz so abwegig: „Offensichtlich war er unter enormem psychischem Druck.“

Apropos psychischer Druck. Der herrscht natürlich vor allem im Kampf um den Klassenerhalt. In diesem Zusammenhang kam es dann auch zum zweiten Aufreger. Was war da los?Schauplatz war das Ruhrstadion in Bochum. Protagonist war Manuel Riemann. Der Keeper des dort ansässigen VfL sah sich gezwungen, nach der 2:3-Niederlage gegen den VfB Stuttgart in den Infight mit einem Bochumer Anhänger zu gehen. Dieser hatte ihn zuvor wohl aufs Übelste beleidigt. Riemann und der VfL-Proll standen Kopf-an-Kopf, ehe der Ordnungsdienst eine viral gehende handgreifliche Auseinandersetzung verhinderte. Am Sonntag verurteilte der Klub die Beleidigungen gegen Spieler in einer Stellungnahme und versuchte in einem Atemzug, die Wogen zu glätten: „Wir haben es selbst in der Hand, den Klassenerhalt zu schaffen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Bochumer Gemeinschaft als solche auftritt und zusammenhält.“

Wie das so geht, machte der VfB im Ruhrstadion vor. Was bringt dieser Sieg den Stuttgartern – außer drei Punkten?Vor allem die Gewissheit, dass die Mannschaft doch noch Bundesligaspiele gewinnen kann. Unter Ex-Trainer Bruno Labbadia war das in elf Versuchen nur ein Mal gelungen. Deshalb durfte nun in Bochum in Sebastian Heoneß ein Neuer an der Seitenlinie beim VfB ran. Der kehrte wieder zur Formation mit Dreierkette zurück, mit der Labbadida-Vorgänger Pellegrino Matarazzo im Herbst gescheitert war.

Pellegrino Matarazzo – ist der nicht auch schon wieder Bundesliga-Coach?Klar, der ist im Abstiegskampf einfach ein Häuschen weitergezogen – und wohin wohl? Na klar, zur TSG Hoffenheim, dem Ex-Verein von Sebastian Hoeneß, den der Sohn von Dieter und Neffe von Uli Hoeneß im vergangenen Sommer verlassen hatte. Auch der US-Italiener Matarazzo hatte am Osterwochenende reichlich Grund zu jubeln. Das 2:0 gegen Konkurrent Schalke 04 war der dritte Sieg in Serie. Damit beträgt der Vorsprung auf dem von den Stuttgartern belegten Relegationsplatz jetzt immerhin fünf Zähler. „Hoffe“ gelang dabei sogar Außergewöhnliches: ein Auswärtssieg im eigenen Stadion. Denn auch die mehr als 15.000 Schalker in der mit 30.000 Zuschauern ausverkauften Arena in Sinsheim brachten den Gelsenkirchenern nichts. Schalke ist nun wieder Letzter und muss hoffen, dass Ex-Bochum-Trainer Thomas Reis es schafft, seinen alten Klub noch einzuholen. Also genau das, was Matarazzo mit dem VfB gemacht hat – verrückter Abstiegskampf.

Im Tabellenkeller bleibt es also spannend. Wie sieht es im Titelrennen aus?Die Bayern haben – wie schon erwähnt – einen glanzlosen 1:0-Sieg in Freiburg feiern können. Borussia Dortmund gewann ähnlich knapp mit 2:1 gegen Union Berlin. Nach dem Spiel offenbarte Siegtorschütze Youssoufa Moukoko, dass es manchmal einfach nur eine präzise Arbeitsanweisung benötigt: „Der Trainer hat zu mir gesagt, wenn du reinkommst, dann entscheidest du das Ding.“ Allem Anschein nach fand ja auch FCB-Coach Thomas Tuchel die richtigen Worte vor dem Sieg im Breisgau, die allerdings nicht überliefert wurden. Nach der Partie gab sich der Bayern-Trainer dann als verbaler Feuermacher vor dem Meisterschafts-Kamin: „Es ist ein Countdown bis zum Saisonende und da geht es darum, nachzulegen, nachzulegen und wieder nachzulegen.“