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Harte Kritik am DFBEx-FC-Manager will den Fußball gerechter machen

Lesezeit 5 Minuten

Die Überlegenheit des FC Bayern, der hier den achten Titel in Folge feiert, gilt vielen Bundesliga-Beobachtern als Inbegriff der Ungerechtigkeit im deutschen Fußball.

  1. Gerechtere Verteilung der Fernsehgelder; direkte finanzielle Belohnung für Vereine, die auf Fremdinvestoren verzichten und Besinnung auf eine traditionelle Fan-Kultur.
  2. Das fordert Andreas Retting, der unter anderem von 2000 bis 2005 Manager des 1. FC Köln war.
  3. Ein zentrales Thema dabei ist für Rettig die Verteilung der TV-Gelder.

Köln – 30 Jahre lang hat Andreas Rettig (57) sein Geld damit verdient, die Abläufe im Profi-Fußball zu steuern und zu bestimmen. Als Manager und Geschäftsführer in Leverkusen (1989 bis 1998), Freiburg (1998 bis 2002), Köln (2002 bis 2005), Augsburg (2006 bis 2012), St. Pauli (2015 bis 2019) und zwischendurch auf den anderen Seite bei der Deutschen Fußball-Liga (2013 bis 2015) hat der gebürtige Leverkusener das Geschäft von so vielen Seiten kennengelernt wie kaum ein anderer. Seit seinem Rückzug aus dem operativen Geschäft aus privaten Gründen im Herbst vergangenen Jahres hatte der Rheinländer viel Muße für grundsätzliche Gedanken. Das Ergebnis dieser Besinnung ist ein Aufruf zu einem neuen, gerechteren Profi-Fußball, den Rettig auch im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erläutert hat.

Harte Kritik am DFB

Rettig genügt es nicht, als Romantiker gesehen zu werden, der sich in seiner größer gewordenen Freizeit eine menschlichere und nachhaltigere Welt erträumt. Er glaubt, in seinen Vorstellungen ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu erkennen, das sich am Ende auch wirtschaftlich für alle auszahlen wird. Rettig nennt dafür ein erstaunliches Vorbild: Larry Fink, den Mitbegründer und Chef von „Black Rock“, des größten Vermögensverwalters der Welt. Rettig zitiert dessen Aufruf, künftige Investitionen von den so genannten ESG-Kriterien abhängig zu machen, also Umweltfreundlichkeit, Sozialverträglichkeit und nachhaltige Unternehmensführung. „Wir müssen die Zeichen der Zeit sehen“, sagt Rettig und fordert ein Ende des Egoismus-Denkens, das wenige große Sieger und viele große Verlierer hervorbringt.

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Die Liste seiner Forderungen liest sich auf den ersten Blick utopisch: Gerechtere Verteilung der Fernsehgelder; direkte finanzielle Belohnung für Vereine, die auf Fremdinvestoren verzichten und auch im Sinne der Ökologie nachhaltig arbeiten; Besinnung auf eine traditionelle Fan-Kultur und eine moralische Führungsrolle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der Christian Seifert und seiner Deutschen Fußball Liga (DFL) derzeit die Deutungshoheit über alle Aspekte des Spiels überlässt.

„Man muss ganz klar sagen, dass die DFL ein Teil des DFB ist und nicht umgekehrt. Ich glaube, der DFB muss seinem Führungsanspruch gerechter werden. Wir sprechen bei der DFL über 36 wechselnde Klubs. Der Verband steht für etwa 26 000 Vereine. Es geht um die Neuausrichtung in ihrer Gesamtheit.“

Hier stellt Rettig die Grundsatzfrage: „Wollen wir in Zukunft im internationalen Wettbewerb Henkelpötte gewinnen oder wollen wir gesellschaftliche Verantwortung und sportliche Integrität überproportional gewichten?“ Wenn die Mehrheit sich dem „internationalen Diktat“ unterwerfen wolle, solle man das tun, aber hinterher nicht mehr über die massive Überlegenheit weniger Klubs in der Liga klagen. Andernfalls müsse man sich, so Rettig, diese Gedanken machen.

Andere Verteilung der TV-Gelder

Ein zentrales Thema ist für Rettig die Verteilung der TV-Gelder. Die aktuelle Rechnung aus den nationalen Erlösen, wonach der Meister Bayern München das Doppelte bekommt wie der 18. Paderborn findet er irreführend. „Es gibt ja mittlerweile einen internationalen Topf aus der Auslandsvermarktung der Liga. Und aus dem bekommen die Kleinen nichts. Wenn man ihn einberechnet, bekommen die Bayern fast viermal so viel wie Paderborn.“

Hier müsse viel mehr Gerechtigkeit einziehen. „Am Ende müssen Managementleistung und Trainer-Leistung mehr belohnt werden und nicht nur die Leistung im Geldeinsammeln. Wer so einen großen finanziellen Vorsprung hat, kann viel mehr Fehler machen“, sagt Rettig. Welche Übermacht er beklagt, liegt auf der Hand: Die des Top-Duos Bayern München und Borussia Dortmund, aber auch die Sonderstellung von Leipzig, Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim, die viele Millionen von Stammwerken, Investoren und Mäzenen sicher haben.

Rettig ist überzeugt davon, dass die Hinwendung zu einem „guten Fußball“ sich langfristig für die Bundesliga auszahlen wird. Er spricht davon, gleich dem Markenzeichen „Made in Germany“ ein Qualitätsmerkmal „Play in Germany“ zu etablieren, wie es in der Corona-Krise schon funktioniert hat.

Elementar ist in Rettigs Plänen die Absage an jede Form von Rassismus und das Eintreten für menschliche Werte. Er war einer der ersten und schärfsten Kritiker im Umgang mit den rassistischen Ausfällen des ehemaligen Schalke-04-Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies, der im Zuge des Corona-Skandals in seiner Fleischfabrik von diesem Posten zurücktrat.

Dass die DFB-Ethikkommission im Herbst 2019 auf eine Sanktionierung unter dem Hinweis verzichtete, Tönnies’ skandalöse Rede sei außerhalb des Fußballs gehalten worden, bezeichnet Rettig als „Armutszeugnis“: „Die Ethikkommission muss zu einem scharfen Schwert werden.“

Das Gute als Geschäftsmodell

Rettigs Pläne gehen aber noch weiter. Er fordert eine Neudefinition des Profi-Begriffs. Ein Berufsfußballer, der in der dritten oder vierten Liga 60 000 Euro verdient, ist in seinen Augen ein klassischer Arbeitnehmer, der den vollen arbeitsrechtlichen Schutz verdiene. Ein Acht-Millionen-Euro-Verdiener sei dagegen ein Unternehmer, der am unternehmerischen Risiko des Gesamtunternehmens beteiligt werden müsse.

Als Bewährungsprobe für Solidarität sieht Rettig die Wiederzulassung von Publikum in Corona-Zeiten. „Anders als Christian Seifert sehe ich das nicht in der Eigenverantwortung der Klubs und der örtlichen Gesundheitsämter“, sagt er, „es muss ein Gesamtkonzept geben. Die Zahl mit den größten Einschränkungen muss für alle gelten. Wenn 15 Prozent Stadionauslastung der geringste zugelassene Wert in der Liga ist, muss er für alle gelten. Sonst haben wir keinen fairen Wettbewerb.“

Auf die Frage, wie er als freier Vordenker seine Vorstellungen vorantreiben will, erklärt Rettig: „Wenn ich sehe, wie Vereine jetzt schon in das Thema Nachhaltigkeit investieren, zum Beispiel die TSG Hoffenheim oder Mainz 05, denke ich, dass man es nicht aufhalten können wird.“ Und am Ende bleibt das größte Vorbild Larry Fink. Der mächtigste Mann der Wall Street scheint das Gute als Geschäftsmodell entdeckt zu haben. Rettig: „Das sollten wir im Fußball auch tun.“