Kiel – Unmittelbar nach der perfekten Rettung bekam Friedhelm Funkel eine Bierdusche von den Profis des 1. FC Köln ab. Viele Spieler von Holstein Kiel saßen mit leeren Blicken oder Tränen in den Augen auf dem Rasen und nahmen die Jubelszenen des Gegners kaum wahr.
Mit einem frühen Tor-Spektakel hatten die Kölner im letzten Spiel der Saison den eigenen Absturz in die Zweitklassigkeit verhindert und den Traum der KSV Holstein Kiel vom ersten Aufstieg in die Fußball-Bundesliga jäh beendet.
Retter Funkel voll des Lobes
Nach einer aufregenden Anfangsphase setzte sich der Bundesliga-16. am Samstag im Relegations-Rückspiel beim klar unterlegenen Zweitliga-Dritten hochverdient mit 5:1 (4:1) durch. Damit machten die Rheinländer im letzten Spiel von Retter Funkel als Profi-Trainer die 0:1-Hinspielniederlage in beeindruckender Manier wett.
„Dass sie so eindrucksvoll aufgetreten ist, das hat mir imponiert”, lobte der 67-jährige Funkel seine Mannschaft im Streamingdienst DAZN. „Ich habe die sieben Wochen genossen”, sagte er über seinen Rettungs-Einsatz. „Ich bin vollkommen platt, aber glücklich. Glücklich, dass diese Mission erfolgreich abgeschlossen wurde.” Sein einziger Wunsch nach den Interviews: eine Dusche. „Die Bierdusche zeigt ja, dass wir erfolgreich waren. Aber ich stinke furchtbar.”
Sein 34 Jahre jüngerer Kieler Kollege Ole Werner versuchte trotz des Unhappy End für seine Mannschaft das Positive zu sehen. „Stolz können wir sein auf die gesamte Saison, auch wenn das Ende eins ist, das wir uns anders gewünscht haben”, sagte er. „Dafür waren wir unter dem Strich heute chancenlos.”
Vier Tore in wilder Anfangsphase
Kölns Jonas Hector (3.) und zweimal Sebastian Andersson (6./13.) trafen in der ersten Viertelstunde jeweils per Kopf. Zwischenzeitlich hatte Jae-Sung Lee (4.) den Ausgleich für die Kieler erzielt. Rafael Czichos (39.) sorgte für den beruhigenden Vorsprung noch vor der Pause. Ellyes Skhiri setzte den umjubelten Schlusspunkt (84.).
Kiels Trainer Werner hatte die Favoritenrolle trotz des Sieges am Mittwoch in Köln dem Erstligisten zugeschoben. Funkel hatte diese gern angenommen und sich selbstbewusst gegeben - und sollte schnell recht behalten. Die 2334 Zuschauer - erstmals seit sieben Monaten durften wieder Fans ins Holstein-Stadion - bekamen gleich viel Unterhaltung geboten. Auch etliche Anhänger beider Vereine vor der Arena hörten anfangs beinahe im Zwei-Minuten-Takt Torjubel.
Schon in der dritten Minute egalisierte Kapitän Hector das Hinspielergebnis. Anderthalb Minuten später glich Lee für Kiel aus und brachte sein Team in der Gesamtrechnung wieder nach vorn.
Doch dann kam die Andersson-Show: Erst traf der dauerangeschlagene Schwede in der sechsten Minute, sieben Minuten war der 29-Jährige erneut zur Stelle. Anderssons Doppelschlag zeigte bei den Kielern Wirkung.
Kiel trotz Fan-Unterstützung blass
Die Kölner kontrollierten das Spiel aus einer sicheren Defensive und waren nach vorne vor allem über ihre rechte Seite mit Florian Kainz gefährlich. Der Österreicher war wie Andersson in die Startelf gerückt.
Trotz der Fan-Unterstützung gelang den Norddeutschen kaum noch etwas. Das kräftezehrende Mammut-Programm in der Saison-Schlussphase mit nun elf Spielen in etwas mehr als einem Monat machte sich früh bemerkbar. Nach dem vierten Kölner Treffer gegen die beste Zweitliga-Defensive durch den Ex-Kieler Czichos (39.) war der Traum ausgeträumt und der Kölner Klassenverbleib perfekt. Skhiri markierte nach der Pause den Endstand. Holstein-Torwart Ioannis Gelios bewahrte seine Mannschaft vor einer höheren Niederlage.
Die Kölner verhinderten damit nach einer schwierigen Saison doch noch den siebten Abstieg in der Club-Geschichte. Sie hatten sich erst im Bundesliga-Finale am vergangenen Samstag durch einen Sieg gegen Schalke 04 auf den Abstiegs-Relegationsplatz gerettet. Funkel darf nun als Retter ins Rentner-Dasein zurückkehren. Im Ex-Paderborner Steffen Baumgart steht schon sein Nachfolger fest.
Holstein verpasste indes das glückliche Ende einer Saison mit vielen Erfolgen wie dem Sieg im DFB-Pokal gegen Bayern München und vielen Widrigkeiten. Das Team hatte durch zwei Niederlagen an den letzten beiden Spieltagen der 2. Bundesliga den zweiten Platz und den direkten Aufstieg verspielt. Nach zwei Corona-Quarantänen wurde die Schlussphase der Saison zur Terminhatz.
„Wir wurden für jeden Fehler in den letzten Spielen eiskalt bestraft”, sagte Mittelfeldspieler Alexander Mühling. Schon vor drei Jahren war der Durchmarsch in die Bundesliga erst in der Relegation gestoppt worden. Damals war der VfL Wolfsburg zu stark.
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