Volker Struth, geboren in Köln, betreibt seit 2007 die Spielerberatungs-Agentur SportsTotal. Er ist Deutschlands mächtigster Spielerberater.
Im Interview spricht er über die Corona-Krise und deren Auswirkung auf den Profifußball.
Struth glaubt nicht, dass es in diesem Jahr noch Spiele vor Publikum gibt.
Köln – Herr Struth, Sie wären in dieser Phase der Saison ständig im Stadion. Wie verbringen Sie die fußballfreie Zeit?
Ich wäre nicht nur in dieser Phase im Stadion, sondern bin regulär das ganze Jahr über in sämtlichen Stadien unterwegs. Aktuell halte ich mich an die Vorgaben und bin von daher viel zu Hause. Ich habe das Telefon öfter in der Hand als sonst – und das will was heißen. Gerade jetzt ist es wahnsinnig wichtig mit den Spielern zu kommunizieren, ihre Fragen zu beantworten und für sie da zu sein. Auch wenn ich also nicht im Stadion bin, ist der Fußball bei mir allgegenwärtig. Wenn auch mit anderen Inhalten.
Eigentlich nimmt der Transfermarkt im Frühling Fahrt auf. Wie fühlt es sich in diesem Jahr an, in dem noch nicht einmal klar ist, wann und ob die Saison beendet wird?
Sie sagen es: Es ist gar nichts klar. Niemand weiß aktuell, wie es weitergeht. Mein Job ist es, mit meiner Agentur auf alle Szenarien vorbereitet zu sein – und in ganz engem Austausch mit unseren Spielern zu stehen.
Worüber spricht man da?
Wir haben unter anderem einen Ernährungsberater eingestellt, der für unsere Jungs da ist. Er hilft ihnen bei sämtlichen Ernährungsfragen, sorgt für ein gestärktes Immunsystem. Außerdem bieten wir tägliche Video-Sessions mit einem Personal Trainer an. Und dann sind wir natürlich, und das ist das Allerwichtigste, im permanenten Austausch mit sämtlichen Vereinen, um Eventualitäten vorzubereiten.
Zur Person
Volker Struth (54), geboren in Köln, gründete 1994 seine erste Firma, es folgte die Event- und Merchandising-Agentur KölnTotal. Seit 2007 betreibt er die Spielerberatungs-Agentur SportsTotal, eine der größten weltweit.
Verträge im Fußball sind langfristig geschlossen, jeweils unter der Voraussetzung, dass innerhalb der Vertragszeit die Welt nicht untergeht. Es war ja keine Blase, das Geld war da. Hätte die Bundesliga dennoch mehr Rücklagen bilden oder zumindest Versicherungen abschließen müssen?
Dieses Szenario konnte niemand erahnen. Das trifft den Fußball genauso hart und unerwartet wie alle anderen auch. Ein Fußball-Verein ist auch zunächst einmal daran interessiert, möglichst viele Titel zu sammeln, beziehungsweise sportlich so erfolgreich wie möglich zu sein. Deshalb sind Vereine in erster Linie darauf aus, die besten Spieler unter Vertrag zu nehmen und nicht, das meiste Geld auf dem Konto zu haben. Dennoch gehört es natürlich dazu, verantwortungsvoll zu wirtschaften. Aber noch mal: Wie soll man etwas absichern, das es noch nie gegeben und das uns alle überrascht hat? Ich bin mir sicher, dass nach der Krise 50+1 neu diskutiert wird.
Bei vielen Bundesligaklubs verzichten Profis auf Teile ihrer Gehälter. Hat Sie die Solidarität überrascht?
Nein, überhaupt nicht. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass jeder Spieler seinen Beitrag leistet. Ich glaube auch, dass jeder Spieler weiß, dass sein Mitwirken unerlässlich ist, um diese Phase schnellstmöglich zu überstehen.
Wer meldet sich zurzeit häufiger? Ihre Spieler – oder deren Vereine?
Beides. Wir stehen sowohl mit unseren Spielern als auch mit Vereinsvertretern in intensivem Austausch. Das ist grundsätzlich immer wichtig. Aber jetzt, in diesen unsicheren Zeiten, noch ein Stück weit mehr.
Gab es bereits Anfragen der Vereine an Sie, Ihre Honorare zu stunden oder zu kürzen?
Natürlich gab es die. Und natürlich werden auch wir uns lösungsorientiert und solidarisch zeigen. Ich kann ja schlecht unseren Spielern raten, sich solidarisch zu zeigen – und wir selbst sind es nicht.
Toni Kroos ist mit Real Madrid schon früh in Quarantäne gegangen. Hatten Sie Kontakt? Wie finden Sie seine Home Challenge?
Ich glaube es war Sport1, wo ich gelesen habe: Toni Kroos: Home Challenge macht ihm zum größten Jugendcoach Deutschlands. Das war eine klasse Aktion von ihm. Vor allem hat mir der letzte Teil gefallen, als Toni ein Video mit seinen Fehlversuchen veröffentlicht hat. Das fand ich weltklasse. Nach dem Motto: Seht her, Kinder, auch mir gelingt nicht alles sofort. Das sagt so viel über Toni aus. Er hat mit dieser Aktion seine Fans und vor allem viele Kinder mit in sein Wohnzimmer genommen und ihnen ein bisschen Ablenkung und Spaß geschenkt. Teilweise haben ganze Jugendmannschaften mitgemacht.
Wird es eine Schnäppchenjagd der Vereine geben, die noch Geld in der Kasse haben?
Ich hatte ja vor ein paar Monaten für diesen Sommer einen Transfer von über 200 Millionen erwartet. Ich dachte, dass ein Verein diese Summe für Kylian Mbappé hinlegen würde. Aber angesichts von Corona kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Verein ein solches wirtschaftliches Wagnis jetzt noch eingeht. Alle werden in diesem Sommer vorsichtiger haushalten, Löcher stopfen und versuchen, Rücklagen zu bilden. Deshalb ist damit zu rechnen, dass es diesen Sommer weniger Transfers geben wird und vor allem zu anderen Summen. Ich glaube, dass einige Vereine dazu gezwungen sein werden, Spieler unter Marktwert abzugeben. Ich schätze die Situation in einigen anderen Ligen im Ausland übrigens noch viel dramatischer ein.
Sind große Ablösesummen denn überhaupt noch vorstellbar?
Ich glaube, dass sich ein bis zwei Jahre nach der Krise alles wieder in ähnlichen Dimensionen einpendelt. Der Wettbewerb unter den Vereinen bleibt bestehen. Und irgendwann wird alles wieder beim Alten sein. Allerdings glaube ich, dass die Vereine derzeit sehr vorsichtig bleiben werden. Diese Situation wird auch im Fußball eine Frage von Monaten sein, nicht von Wochen. Ich rechne im Übrigen nicht mehr mit Spielen vor Publikum in diesem Jahr.
Welche Folgen wird die Krise mittelfristig haben? Werden nur die Großen überleben? Oder wird es ausgeglichener, weil niemand mehr Geld hat?
Dazu kann ich Ihnen keine verlässliche und seriöse Antwort geben. Die Welt befindet sich in einem Ausnahmezustand. Die DFL und die Vereine arbeiten im Hintergrund mit Hochdruck an verschiedenen Szenarien, um vorbereitet zu sein. So wie wir es als Agentur auch machen. Erst wenn es Fakten gibt, ob die Liga ihren Spielbetrieb fortsetzen kann und ob somit die noch ausstehenden TV-Gelder ausgezahlt werden, lassen sich ansatzweise Prognosen erstellen. Vorher sollten wir mit Was-wäre-Wenn-Äußerungen vorsichtig sein.
Was halten Sie davon, dass die DFL die Saison zu Ende spielen will? Ist Fußball gesellschaftlich relevant genug, um ihn früh wieder hochzufahren?
Fußball ist gesellschaftlich sehr relevant. Dass die DFL die Saison zu Ende spielen will, ist natürlich richtig und wichtig. Weil es um die Existenz des Fußballs geht – und der ist auf die TV-Gelder angewiesen. Natürlich muss man schauen, unter welchen Voraussetzungen das stattfinden kann.
Was bedeutet Ihnen – als Privatmann – der Fußball? Wie war das früher, wie ist das heute?
Ich habe Sehnsucht nach Fußball. Ich vermisse ihn sehr, da bin ich ehrlich. Und ich freue mich darauf, wenn endlich wieder gespielt wird. Ich bekomme auch mit, wie sehr uns allen dieser Fußball mit all seinen Emotionen fehlt. Und wir sind gerade erst bei fünf Wochen ohne. Trotzdem gibt es aktuell Wichtigeres. Nämlich die Gesundheit. Es darf nicht passieren, dass der Fußball womöglich irgendwann wieder losgeht, wahrscheinlich mit Geisterspielen, und die Leute treffen sich zu Tausenden vor den Stadien oder sitzen in großen Gruppen vor den Fernsehern. Das muss geklärt sein.
Ist Profifußball ohne Stadionpublikum sinnvoll?
Es geht nicht nur um sinnvoll. Es wird höchstwahrscheinlich überlebenswichtig für viele Vereine, dass die Liga mit Geisterspielen fortgesetzt wird. Natürlich macht es mehr Spaß, wenn Zuschauer dabei sind. Aber noch mal: Der Spaß steht derzeit nicht im Vordergrund. Ich bin mir aber sicher, dass selbst ein Geisterspiel den Menschen in dieser Situation ein wenig Ablenkung geben kann, die uns allen nur guttun kann.