AboAbonnieren

Olympiasiegerin und BronzegewinnerDarum trainieren drei Sportikonen die Leichlinger Leichtathletik-Jugend

Lesezeit 5 Minuten
Ulrike Nasse-Meyfarth steht in der Sporthalle in der Balker Aue und zeigt auf etwas.

Ulrike Nasse-Meyfarth, Hochsprung-Olympiasiegerin von 1972 und 1984, trainiert ehrenamtlich den Leichtathletiknachwuchs des Leichlinger TV.

Der Grund für die starbesetzte Trainerriege liegt auch beim TSV Bayer 04 Leverkusen – dort brachen Ulrike Nasse-Meyfarth und Kollegen ihre Zelte ab.

„Es ist kein Zufall. Es ist dieser Mensch. Er ist der Zufall“, sagt Paul-Heinz Wellmann, während er mit dem Kopf Richtung Manfred Schmitz, Leichtathletik-Abteilungsleiter beim Leichlinger Turnverein, nickt.

Schmitz sei es gewesen, der nicht nur Wellmann, den 1500-Meter-Olympiadritten von 1976, als Nachwuchstrainer in die Blütenstadt lockte. Nach deren Ruhestand holte er auch Hochsprung-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth, genauso wie den ehemaligen Bundestrainer im Stabhochsprung, Leszek Klima, ins LTV-Trainerteam.

Nebeneinander stehen Manfred Schmitz, Ulrike Nasse-Meyfarth und Paul-Heinz Wellmann in der Sporthalle in der Balker Aue in Leichlingen.

Manfred Schmitz (links) holte Ulrike Nasse-Meyfarth und Paul-Heinz Wellmann zum Leichlinger TV.

Und so unterstützen derzeit gleich drei deutsche Leichtathletik-Ikonen ehrenamtlich die Jugendarbeit am Sportzentrum in der Balker Aue. Ihre Wege kreuzen sich aber nicht erst jetzt. Nach ihrer sportlichen Karriere heuerten alle in der Leichtathletiksparte des TSV Bayer 04 Leverkusen an. Wellmann leitete diese über zwei Jahrzehnte als Geschäftsführer, während Nasse-Meyfarth als Trainerin für den Nachwuchs verantwortlich war und Klima die erfolgreichste Ära der Leverkusener Stabhochsprung-Szene als Coach prägte.

Das Dasein in ihrem einstigen Sport-Wohnzimmer ist für alle drei nun aber Geschichte. Paul-Heinz Wellmann habe nach seinem Ruhestand 2017 freiwillig einen Strich unter das Kapitel TSV Bayer 04 Leverkusen gezogen. „Ende, Aus, Fertig. Ich bin auch kein Vereinsmitglied mehr“, sagt er.

Uns hätte nichts Besseres passieren können. Allein wegen des Potenzials, das die Drei mitbringen
Manfrd Schmitz, Leichtathletik-Abteilungsleiter Leichlinger TV

Nasse-Meyfarth und Klima seien einige Zeit später der Verjüngungsstrategie der neuen Vereinsführung zum Opfer gefallen. „Ich habe angeboten, dort in meinem Ruhestand stundenweise weiterzuarbeiten, aber man wollte es nicht“, sagt die Frau, die sich mit ihren Goldsprüngen bei den Olympischen Spielen in München – damals war sie 16 – und zwölf Jahre später in Los Angeles in den Geschichtsbüchern verewigte.

Dem Leichlinger TV glichen diese Entwicklungen einem Geschenk: „Uns hätte nichts Besseres passieren können“, sagt Manfred Schmitz. „Allein wegen des Potenzials, das die Drei mitbringen. Diese Erfahrungswerte, die sie an die Kinder und unsere Nachwuchstrainer weitergeben, das ist ganz viel wert.“ Vom Starfaktor wollen Wellmann (72), Nasse-Meyfarth (68) und Klima (67) allerdings nichts wissen. Sie verstehen sich als Teil des Teams, das Manfred Schmitz, „Manni“ genannt, um sich geschart hat. 18 Übungsleiterinnen und Übungsleiter kümmern sich um die fast 500 Mitglieder umfassende Leichtathletik-Sparte.

Ehemalige Olympioniken ohne Starallüren beim Leichlinger TV

„Wir wollen hier niemandem etwas wegnehmen, wir wollen einfach nur unterstützen“, so Wellmann. Schon gar nicht solle der Gedanke aufkommen, man spiele sich auf wie die Chefs. Zumal der frühere Mittelstreckenläufer „blutiger Anfänger“ gewesen sei, was das Kindertraining betrifft. „Wenn man sich über 40 Jahre nur mit Leistungssport beschäftigt, ist der Nachwuchsbereich eine ganz andere Welt.“

Doch für diese haben sich die ehemaligen Leichtathletik-Profis nach Jahrzehnten im Spitzensportgeschäft bewusst entschieden. „Ich möchte keinen Tag missen, aber zehn Olympische Spiele sind genug“, sagt Wellmann. Nachwuchsarbeit sei nicht nur „übersichtlicher“ was die Terminplanung angeht. Vor allem geben die Kinder einem, was in der Zusammenarbeit mit Erwachsenen ausbleibe. „Dieses Strahlen in den Augen, selbst nach einem kleinen Lob. Das siehst du sonst höchstens, wenn jemand Olympiasieger geworden ist, oder Deutscher Meister.“

Paul-Heinz Wellmann streckt seine Hände nach außen aus, während zwei Kinder während eines Staffelspiels auf ihn zulaufen, um abzuklatschen.

Der Leichtathletik bleibt Paul-Heinz Wellmann auch im Ruhestand treu – statt Spitzensport widmet er sich nun ehrenamtlich dem Nachwuchs.

Statt Athletinnen und Athleten auf dem Weg zu Wettkampf-Höhepunkten zu begleiten, stehen er, Nasse-Meyfarth, Klima sowie weitere Trainerinnen und Trainer deshalb nun zweimal in der Woche mit rund 60 U-12-Kindern in Leichlingen auf dem Trainingsgelände. Da gibt es Sprint- und Staffelspiele in der einen Ecke, Hoch- und Weitsprungübungen in der anderen. „Die Kinder machen ja noch alle Disziplinen, die werden ganz breit ausgebildet“, erklärt die Diplom-Sportlehrerin Nasse-Meyfarth.

Kindertraining statt Spitzensport

Für eine 25.000-Einwohner-Stadt wie Leichlingen seien die Möglichkeiten für eine solche Grundlagenausbildung enorm. Das Trainingszentrum an der Balker Aue bietet neben der modernen Zweifachhalle samt Kraftraum, Wurfnetzen und Stabhochsprungkasten auf der Außenanlage so ziemlich alles, was das Leichtathletikherz begehrt: Laufbahn, Weit- und Hochsprunganlagen, einen Wassergraben für den Hindernislauf, Werferwiese und Tartanplatz.

Trotz nationaler Erfolge – unter anderem gewann Sperrwerferin Victoria Krause im Frühjahr Gold bei den Deutschen Winterwurfmeisterschaften und Stabhochspringerin Polina Stepanchenko kratzte an den deutschen Spitzenhöhen der U18 – sehe sich der Leichlinger TV nicht als Standort für Spitzensport. „Wenn wir hier die Kinder bewegen, sie Spaß am Sport haben, gesund bleiben, die Leichtathletik kennenlernen, dann ist das schonmal eine ganze Menge“, so Wellmann.

Bei einem Wettkampf gucken Leszek Klima und sein Athlet gemeinsam aufs Handy, sie analysieren den Sprung.

Neben dem Kindertraining betreut der ehemalige Bundestrainer Leszek Klima auch die Stabhochspringer des Leichlinger TV.

Und Schmitz ergänzt: „Wir sind ein Ausbildungszentrum. Wenn wir gute Leute haben, dann schicken wir die perspektivisch zum TSV.“ Schon lange bestehe eine Kooperation zwischen den Vereinen, der LTV dürfe im Winter die Halle mitnutzen. „Wenn wir etwas brauchen, helfen die uns, schon seit Jahren“, sagt Schmitz dankbar. Als Werfer holte er in den 80er Jahren selbst Erfolge für den TSV Bayer 04 ein. Seit 20 Jahren aber widmet er sich ganz der Leichtathletiksparte in der Nachbarstadt.

Dort wissen die Verantwortlichen: Wenn die Athletinnen und Athleten weiterkommen wollen, müsse sie sich irgendwann einem der großen Vereine anschließen. Gerade finanziell könne der Leichlinger TV die Förderung von Spitzensport nicht stemmen. „Kirchturmdenken bringt da gar nichts, da muss man im Sinne der Sportler weiterdenken. Alles andere wäre Starrsinn und zum Scheitern verurteilt.“

Bis dahin aber bietet das LTV-Trainerteam einer breiten Riege – Leichtathletik-Talenten, genauso wie Hobbysportlerinnen und -sportlern jedes Alters – vor allem eines: ein sportliches Zuhause. „Zusammenhalt, im Team trainieren, Verantwortung übernehmen und Erfolg“, darauf komme es Manfred Schmitz an. Ulrike Nasse-Meyfarth, Paul-Heinz Wellmann und Leszek Klima ziehen mit.