Der Jungstar von Bayer 04 Leverkusen überstrahlt mit seinem Tor den müden 2:1-Sieg der Werkself über Venedig.
Traumtor im TestspielFlorian Wirtz macht Trainer Xabi Alonso glücklich
Die typische erste Halbzeit eines typischen Vorbereitungsspieles im Profi-Fußball neigt sich dem Ende zu. Bayer 04 Leverkusen hat gegen den FC Venedig keine Bäume ausgerissen. Der Bundesliga-Dritte der Vorsaison hat gegen den 17. der italienischen Serie B zwar fast 40 Minuten lang keine Chancen zugelassen, aber auch keine erspielt.
Florian Wirtz kommt auf der linken Angriffsseite an den Ball, verschafft sich mit einer Körpertäuschung Platz, dringt in den mit Spielern vollgepackten Strafraum ein, umkurvt den ersten, stellt den zweiten auf den falschen Fuß, wackelt den dritten aus, lässt einen weiteren stehen, erspäht ein winziges Schussfenster und legt den Ball lässig neben den entfernten Pfosten ins Tor. Der Rest des Spiels ist nicht mehr so unterhaltsam. Bayer 04 gewinnt es schmucklos mit 2:1 Toren.
In dieser Aktion, die keine zehn Sekunden gedauert hat, entlädt sich am Samstag die Begabung eines 19-Jährigen, die ihn zu einem der begehrtesten Spieler seines Alters in Europa macht. Nicht nur die Perfektion im Umgang mit dem Ball erstaunt, ebenso das untrügliche Gespür für Raum, Zeit und Bewegung. Am Ende zieht der Nationalspieler die Schultern hoch und breitete die Arme mit den Handflächen nach oben aus zu einer Geste, die ausdrücken soll: Okay, wenn das so leicht ist, dann mach’ ich es eben.
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Diese gelinde Koketterie im Umgang mit der eigenen Klasse ist ein Teil der Persönlichkeit des Jung-Nationalspielers, dem die schwerste Phase seiner noch jungen Karriere nach dem Kreuzbandriss im März 2022 nichts von der Leichtigkeit des Begnadeten genommen hat. Er macht die verrücktesten Dinge und findet das normal. „Diese Aktion hat nichts zu tun mit meiner Arbeit“, sagte Trainer Xabi Alonso hinterher, „das ist natürlich, das ist pures Talent.“
Torjäger Schick wird nicht rechtzeitig zum Bundesliga-Neustart fit
Viel wichtiger als das Tor war dem Basken der Gesamteindruck seines wertvollsten Spielers, der nach 45 Minuten Schluss machen durfte: „Florian ist sehr ehrgeizig. Für mich ist am wichtigsten, wie er sich fühlt. Und er fühlt sich jetzt stärker als noch vor Weihnachten. Er hat mehr Kraft in den Beinen. Er wird uns viel helfen. Er wird die Verbindung zwischen Mittelfeld und der letzten Angriffsreihe herstellen.“ Bis zum Saisonstart am 22. Januar in Mönchengladbach wird Florian Wirtz in der Lage sein, das Spiel seiner Mannschaft mindestens eine Stunde lang kreativer zu machen.
Er und die Kollegen werden allerdings ohne ihren Torjäger Patrik Schick auskommen müssen, der immer noch an seiner Problematik im Adduktorenbereich arbeitet, die ohne zweite Operation auskuriert werden soll. „Wir brauchen mehr Zeit. Er fühlt sich besser, aber unter normalen Umständen wird es nicht reichen“, sagt Trainer Xabi Alonso. Wie schwerwiegend der erzwungene Verzicht auf den zweitbesten Bundesliga-Torschützen der Vorsaison ist, zeigte auch der Test gegen Venedig, in dem sich der individuell überlegene Bundesligist zu einem knappen Sieg mühte. Das 2:0 hatte noch vor der Pause Amine Adli erzielt, ehe der Gast in einem von den üblichen Auswechslungen gezeichneten Testspiel durch Novakovich das 1:2 gelang.
Xabi Alonso wollte mit seiner Mannschaft nach fünf Trainingseinheiten im neuen Jahr nicht zu streng sein. „Wenn man bedenkt, dass es ein Freundschaftsspiel war, war die erste Stunde gut. Wir wollten, dass alle zum Einsatz kommen und dass niemand zu lange spielt“, erklärte der Spanier, der auch gegen ein prinzipiell nicht konkurrenzfähiges Team auf drei Innenverteidiger setzte und alle fußballerischen Risiko-Elemente wie hohes Pressing und frühes Anlaufen wegließ. Stabilität und Balance gehen dem früheren Pass-Weltmeister in den Mittelfeldreihen von Top-Teams wie Liverpool, Real Madrid und Bayern München über alles. Und vorne sollen Zauberer wie Florian Wirtz den Unterschied machen.