Pavel Dotchev über seine Ziele„Mit Viktoria Zweite Liga zu spielen, wäre ein Traum“
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Seit vergangenen Sommer ist der 54-Jährige Trainer der Höhenberger Fußballer.
Der Bulgare blickt auf eine ereignisreiche Karriere als Spieler und Coach zurück.
Im Interview erklärt er, zu welchem Klub er eine besondere Verbindung hat.
Köln – Herr Dotchev, eigentlich sollten Sie vor einigen Tagen im Spiel bei Eintracht Braunschweig zum 238. Mal auf der Trainerbank sitzen und Eintracht-Sportdirektor Peter Vollmann als Rekordtrainer der Dritten Liga ablösen. Sind Sie enttäuscht ob des verpassten Jubiläums?
Ach nein, ganz und gar nicht. Durch die Coronakrise gibt es im Moment viel wichtigere Themen. Es geht um die Gesundheit der Menschen und wirtschaftliche Existenzen. Für mich war dieser Rekord nicht so das übergeordnete Ziel. Aber wie heißt es so schön: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Sie sind in Sofia geboren und haben bei Lokomotive Sofia mit dem Fußballspielen begonnen. Welche Erinnerungen haben Sie?
Lok ist ein absoluter Traditionsverein in Bulgarien. Ich habe dort vor 45 Jahren mit dem aktiven Fußball angefangen und schon mit 18 in der ersten Mannschaft gespielt. Das war schon ein Privileg für mich.
Anschließend sind Sie zum Lokalrivalen ZSKA gewechselt. Welcher der beiden Klubs hat mehr Strahlkraft?
ZSKA ist vergleichbar mit Bayern München in Deutschland. Eine riesige Hausnummer. Wir sind Meister geworden, haben Uefa-Pokal gespielt, zum Beispiel gegen den Hamburger SV.
Zu dem Sie 1992 gewechselt sind. Warum zum Hamburger SV und weshalb erst so spät ins westliche Europa?
Im Zeitalter des Kommunismus durfte ein Fußballer erst mit 28 Jahren ins Ausland wechseln. So war das damals. Eigentlich wollten die Scouts ja auch gar nicht mich beobachten, sondern Jordan Letschkow, meinen Mannschaftskameraden. Aber zum Glück bin ich denen wohl auch ziemlich positiv aufgefallen. Dann bin ich mit Jordan eben zusammen gewechselt.
Trotzdem haben Sie nur ein Jahr dort verbracht. Warum haben Sie in Hamburg nicht so richtig Fuß fassen können ?
Unter meinem ersten Trainer Egon Coordes lief es sehr gut für mich. Dann kam Benno Möhlmann mit einer neuen Philosophie. Plötzlich saß ich auf der Tribüne. Ich war richtig enttäuscht und verstand die Welt nicht mehr. Schließlich war ich Nationalspieler.
Zur Person
Pavel Dotchev (54), geboren in Sofia (Bulgarien), verbrachte einen Großteil seiner Profilaufbahn in Deutschland, unter anderem beim Hamburger SV und beim SC Paderborn, bei dem er ebenso als Trainer aktiv war. Weitere Stationen: SV Sandhausen, Preußen Münster und Erzgebirge Aue. Der einstige bulgarische Nationalspieler (24 Einsätze) besitzt auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Zur Saison 2019/20 übernahm er das Amt des Cheftrainers beim Drittliga-Aufsteiger Viktoria Köln. (ol)
Sie haben es immerhin auf 24 Einsätze gebracht...
Das ist lange her, wobei mir ein Länderspiel in guter Erinnerung geblieben ist: Qualifikation für die EM 1992, in Bukarest gegen Rumänien mit dem großen Gheorghe Hagi. Wir haben 3:0 gewonnen, von der Prämie habe ich mir auf der Stelle ein 100 Quadratmeter-Appartement in Sofia gekauft. Ich glaube, es waren 5000 Dollar.
Als Bulgarien die deutsche Mannschaft bei der WM 1994 in den USA im Viertelfinale aus dem Wettbewerb befördert hat, waren Sie aber nicht dabei.
Leider, zumal ich die Quali noch gespielt habe. Durch den Trainerwechsel in Hamburg war ich aber kein Stammspieler mehr und wurde deshalb auch nicht für die WM nominiert.
Irgendwann hat es Sie zum SC Paderborn verschlagen, für den Sie in acht Jahren 208 Partien absolvierten. War es die schönste Zeit Ihrer Karriere?
Paderborn war schon aus familiärer Sicht absolut überragend. Meine Frau und ich hatten zwei kleine Söhne, wir sind in den vier Jahren davor fast nur umgezogen und haben aus gepackten Koffern gelebt. Die Kinder und meine Frau sollten endlich ein Zuhause haben.
Mitten in der Saison 2002/03 sind Sie vom Spielfeld auf den Trainerstuhl gewechselt. Eine eher ungewöhnliche Veränderung...
Da haben Sie recht. Ich war zwar schon 37, habe mich aber eigentlich noch fit gefühlt und wollte weiter Fußball spielen. Im Laufe des Jahres wurde Uwe Erkenbrecher freigestellt, da ist Präsident Wilfried Finke (verstorben im Januar 2019, die Red.) zu mir gekommen und hat gesagt: „Pavel, Du musst jetzt den Spielertrainer machen.“
Wie haben Sie reagiert?
Natürlich war das eine riesige Chance. Für mich kam aber nur der Trainerjob infrage – halbe Sachen wollte ich nicht machen.
Und Herr Finke hat Ihre Entscheidung ja offenbar auch akzeptiert...
(lacht) An diesen Dialog kann ich mich noch gut erinnern. Herr Finke meinte, dass er nun einen guten Fußballer verlieren würde und mich bei einer möglichen Niederlagenserie auch noch rausschmeißen müsste.
Gut zwei Jahre danach sind Sie als Coach mit Paderborn in die Zweite Liga aufgestiegen.
Das war ein unbeschreibliches Gefühl, weil niemand damit rechnen konnte. Die Mannschaft hatte sich kontinuierlich weiterentwickelt. Wirklich toll!
Trotzdem wurde Ihr Vertrag 2005 nicht verlängert. Wie konnte das sein?
Finke kam auf mich zu und meinte: „Ich brauche einen Trainer, der Erfahrung hat in dieser Liga.“ Dann hat er Jos Luhukay geholt, der damals aber eigentlich auch keine Erfahrung als Cheftrainer in der Zweiten Liga hatte.
Sie gingen zu Rot-Weiß Erfurt und wurden in Paderborn dennoch zum Trainer des Jahrhunderts gewählt. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Das ist eine unvergessliche Geschichte für mich. Als Spieler war ich Kapitän, Leistungsträger, anschließend noch Trainer. Ich habe die Entwicklung im Verein also schon ein Stück weit mit geprägt. Vielleicht waren mir die Fans dafür dankbar.
Im selben Jahr nahmen Sie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Fühlen Sie sich eher als Bulgare oder als Deutscher?
2007 hat mir der damalige Paderborner Bürgermeister angeboten, deutscher Staatsbürger zu werden. Ehrlich gesagt, fühle ich mich inzwischen schon mehr als Deutscher. Meine beiden Söhne sind hier geboren, ich fühle mich wohl in Deutschland und habe mich den Gepflogenheiten des Landes gerne angepasst.
Paderborn ließ Sie aber nicht los, denn Sie haben sich noch einmal von Herrn Finke breit schlagen lassen...
Genau, da hatte Wilfried Finke mal wieder eine gute Idee (lacht). Aber Spaß beiseite: Paderborn stand auf einem Abstiegsplatz in der Zweiten Liga, ich war Coach in Erfurt und Finke wollte mich zurückholen. Ich glaube, sie haben sogar eine Ablösesumme bezahlt.
Und wurden im Mai 2009 erneut von Ihren Aufgaben entbunden. Das klingt seltsam.
Zwei Spiele vor Schluss standen wir in der Dritten Liga auf einem Aufstiegsplatz – dann wurde ich entlassen, der SCP ist ohne mich hoch gegangen, aber ich fühlte mich als Aufstiegstrainer.
Seit Beginn der Saison sind Sie Trainer beim Drittliga-Aufsteiger Viktoria Köln. Was sind Ihre Ziele?
Ein absoluter Traum wäre es, mit diesem Verein noch einmal Zweite Liga spielen zu dürfen. Ich bin immer noch sehr ambitioniert – wie lange ich mir das Trainergeschäft noch gebe, weiß ich aber nicht. Dem Fußball will ich aber auf jeden Fall verbunden bleiben, vielleicht irgendwann als Sportdirektor.