Köln – Herr Wunderlich, Hand aufs Herz: Haben Sie als Sportvorstand der Viktoria schon einmal eine derart unruhige Saisonvorbereitung erlebt?
Ich würde sie nicht als unruhig, sondern eher als nicht ganz einfach bezeichnen. Intern waren wir uns immer einig, dass wir die Ruhe bewahren. Uns war klar, dass wir bei den Transfers Wert auf Qualität legen und keine verrückten Dinge machen möchten. Aber natürlich mag das auf Außenstehende anders wirken.
14 Abgängen stehen aktuell gerade einmal acht Zugänge gegenüber. Wird der Kader so klein bleiben?
Selbstverständlich werden wir weiter aufstocken. Es kann aber durchaus sein, dass wir den ein oder anderen Spieler erst nach Saisonbeginn dazu holen.
Sie hatten frühzeitig Planungssicherheit, der Nichtabstieg stand bereits einige Spieltage vor Saisonende fest. Hätte man die Kaderzusammenstellung nicht früher anpacken können?
Das ist doch Spekulation, die von außen hinein getragen wird. Fakt ist, dass wir schon zum Abschluss der letzten Saison mit der Planung der Mannschaft begonnen haben. Es waren damals durchaus interessante Fußballer dabei. Wir hatten Gespräche mit fünf Spielern, von denen aber aktuell schon drei in der zweiten Liga untergekommen sind. Da hatten wir keine Chance, obwohl wir frühzeitig dran waren. Aber so ist das eben in diesem Geschäft.
FC Viktoria fehlen fünf Spieler
Wenn Olaf Janßen über die Vorbereitung spricht, ist ihm schon ein wenig mulmig zumute: „Ich hatte gerade einmal 17 Spieler zur Verfügung. Aber alle haben hervorragend mitgezogen“, sagt Viktorias Trainer. Vor dem Saisonstart in der Dritten Liga am Sonntag (13 Uhr) bei Aufsteiger Viktoria Berlin fallen fünf Spieler aus, darunter Stammkeeper Sebastian Mielitz (Syndesmosebandriss), Angreifer Timmy Thiele (Adduktorenprobleme) und Simon Handle (Probleme am Sprunggelenk).Nach Torwart Moritz Nicolas und Offensivallrounder David Philipp gab die Viktoria die Verpflichtung von Patrick Sontheimer (23) bekannt. Der Mittelfeldspieler bestritt in der abgelaufenen Saison 31 Spiele für Zweitliga-Absteiger Würzburger Kickers. „Patrick verkörpert einen Spielertyp, den wir so noch nicht bei uns haben“, freut sich Sportleiter Marcus Steegmann. (ol)
Aus dem Umfeld hört man häufig, dass sich der Klub in den oberen Regionen der Dritten Liga etablieren möchte. Ist dieses Szenario schon in dieser Saison vorstellbar?
Wir haben diesbezüglich eine klare Vorstellung, wissen aber auch, dass wir für die Umsetzung unserer Ziele nicht ein Jahr, sondern mehr Zeit benötigen. Ich möchte es so formulieren: Wir sehen die Aufgabe nicht als Sprint, sondern als Marathon an. Also: Ob wir bereits in diesem Jahr oben angreifen werden, kann ich nicht beantworten.
Ihre Transfer-Politik ist wie in den letzten Jahren geprägt von Leihgeschäften. Lässt sich so auf Dauer ein schlagkräftiges Team formen?
Natürlich wäre uns ein anderer Weg auch lieber gewesen. Ich weise aber darauf hin, dass diese Leihgeschäfte für uns die einzige Möglichkeit sind, hochwertige Qualität aus der ersten oder zweiten Liga zu gewinnen. Aber natürlich müssen wir sehen, dass wir ein Team so zusammen stellen, dass wir zum Ende einer Saison wenig Fluktuation im Kader haben.
Aber bei permanenten Umbrüchen leidet auf Strecke doch der sportliche Erfolg...
Es ist im Fußball nun mal Gang und Gäbe, dass im Sommer viel Bewegung auf dem Transfermarkt herrscht. Die Spieler haben ja nicht nur die Viktoria im Kopf. Davon auszugehen, dass 80 Prozent einer Mannschaft über Jahre hinweg zusammenspielen kann, ist Träumerei.
Mit Lucas Cueto, Michael Schultz und Ihrem Sohn Mike wurden drei Leistungsträger abgegeben. Sind diese Spieler überhaupt zu ersetzen?
Wir werden erst im Nachhinein sehen, ob unsere Neuverpflichtungen ihre Rolle übernehmen können. Andererseits wäre es aber auch ungerecht, unsere Zugänge mit solchen Geschichten zu belasten. Wir bleiben entspannt.
Welche Spieler des aktuellen Kaders können das Vakuum, das sich durch diese Abgänge ergibt, am ehesten füllen?
Wie gesagt: Wir müssen vorsichtig bleiben. Wobei ich schon glaube, dass wir Leute dazu geholt haben, die auf Dauer zu den besseren Spielern dieser Liga zählen können. Federico Palacios zum Beispiel entwickelt sich immer besser und ist ein genialer Kicker.
Wie sehr schmerzt Sie der Transfer Ihres Sohnes nach Kaiserslautern? Gerade in persönlicher Hinsicht?
Die Beweggründe für seinen Wechsel waren mir natürlich bekannt. Am Ende des Tages gab es für Mike eigentlich keine Alternative zu einer Veränderung. Für mich als Vater ist es wichtig, dass mein Junge zufrieden ist, und das scheint im Moment auch der Fall zu sein. Aber natürlich hat mich sein Wechsel gerade in der Anfangsphase sehr berührt.
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Was erwarten Sie von der Mannschaft in ihrem dritten Drittliga-Jahr? Wer sind für Sie die Aufstiegsfavoriten?
Ich hoffe natürlich, dass wir frühzeitig die nötigen Punkte einfahren und uns sportlich weiter entwickeln. Für mich ist diese Liga zweigeteilt: Die eine Hälfte will aufsteigen, die andere die Klasse halten. München 60, Braunschweig und auch Kaiserslautern zählen sicherlich zu den Favoriten für den Aufstieg.
Und der FC Viktoria?
Eine schwierige Frage, zumal unser Kader ja noch nicht finalisiert ist. Wenn wir in der kommenden Saison in der Liga bleiben, wäre das völlig in Ordnung.
Mit Viktoria Berlin gastiert die Viktoria bei einem Aufsteiger. Wie schätzen Sie den ersten Gegner ein?
Gerade zu Beginn einer Saison benötigen Mannschaften häufig Zeit, um ihre Form zu finden. Gegen einen Aufsteiger anzufangen, gerade auswärts, ist natürlich immer unangenehm. Aber wir sind top vorbereitet.
Das Gespräch führteOliver Löer