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BildungsgerechtigkeitKölner Kunst-Projekt macht Kinder stark für die Zukunft

Lesezeit 5 Minuten
Drei Kinder sitzen auf dem Boden einer Turnhalle und schauen zwei Tänzerinnen zu, die in Seidentücher gehüllt sind.

Beim Klangkörper-Projekt der „Offenen Jazz Haus Schule“ in der Turnhalle der Vogelsanger Schule Kunterbunt

Der Kölner Verein „Offene Jazz Haus Schule“ bringt kulturelle Bildung unter anderem an die inklusive Schule Kunterbunt in Vogelsang

Wenn sich die Schule Kunterbunt in den vergangenen zwölf Jahren für einen Tag in einen „Klangkörper“ verwandelt hat, waren die Energie und Euphorie, die der musische Aktionstag in Gang setzte, in jeder Ecke des Gebäudes zu spüren. Zu hören. Und zu sehen. Da geriet die inklusive Grundschule in Vogelsang für einen Tag – im positiven Sinne – aus dem Takt.

Zu sämtlichen Klängen dieser Welt tanzten und trommelten, klatschten und krochen, hüpften und hiphopten die Grundschulkinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam mit professionellen Tänzerinnen und Musikerinnen der Offenen Jazz Haus Schule, mit ihren Lehrkräften und Mitarbeitenden des Offenen Ganztags – in den Klassenzimmern, auf den Schulfluren, im Foyer und auf dem Pausenhof – eine Schule im kreativen Ausnahmezustand!

Schadstoffe und Schädlingsbefall in Vogelsanger Grundschule

Beim diesjährigen Aktionstag am 26. November ging es gezwungenermaßen besonnener zu in dem alten Gebäude am Kolkrabenweg, das der ursprünglich in Bocklemünd beheimateten Schule Kunterbunt seit 2017 als Interimslösung zur Verfügung steht. Aufgrund von Schadstoffbelastungen und Schädlingsbefall mussten Mitte September mehrere Räume kurzerhand geschlossen werden.

Platznotstand herrscht auch deshalb heute noch, weil der Container, der für die beiden neuen Klassen auf dem Schulhof errichtet wurde, selbst drei Monate nach Schulbeginn von der Stadt noch nicht „freigegeben“ ist.

Entspannung statt Ekstase beim Klangkörper-Aktionstag

„Gemäß unseres Leitmotivs, keine starren Konzepte anzubieten, sondern sie im Zusammenspiel mit allen Beteiligten zu erarbeiten, stellte sich auch hier die Frage, was die Kinder und Erwachsenen der Schule Kunterbunt zwischen dem baulichen Stress, den beengten räumlichen Verhältnissen und all den anderen aktuellen Krisen gerade dringend benötigen?“, sagt der Leiter der Offenen Jazz Haus Schule Joscha Oetz. Und seine für das Klangkörper-Projekt verantwortliche Mitarbeiterin Lisa Burgwinkel gibt auch gleich die Antwort: „Schnell stellte sich heraus, dass dieses Jahr statt Ekstase und Energie Entschleunigung und Entspannung angesagt sind.“

Eine Tänzerin, die als Saunameisterin verkleidet ist, wedelt den Grundschulkindern mit einem Tuch Luft zu.

Anca Huma als Saunameisterin.

So gestaltete sich der diesjährige, neu konzipierte „Klangkörper“-Aktionstag dementsprechend als ein „Chill-Art“-Tag, bei dem verschiedene künstlerische Möglichkeiten, sich fallen zu lassen und ruhig zu werden, im Vordergrund standen. Oder, um es mit den Worten der stellvertretenden Schulleiterin Jule Mielzarek auszudrücken: „Um mal wieder durchatmen zu können.“ Statt der geplanten 20, auf das gesamte Schulgebäude verteilten Workshops, boten die 13 Künstlerinnen und Künstler der Offenen Jazz Haus Schule den 263 Grundschulkindern über den Tag verteilt, sieben magische Performance-Kunst-Stationen in der Turnhalle an – zum Zuschauen und Zuhören, Mitfühlen und Mittanzen.

Einige unserer Schülerinnen und Schüler haben einen erschwerten oder gar keinen Zugang zu Kultur, zu Bildungsangeboten und sozialer Teilhabe
Jan Hallensleben, Leiter der Schule Kunterbunt in Vogelsang

So lud ein Cello-spielender Oktopus zum Entspannen ein, verhalf die tanzende Sauna-Meisterin zum Durchatmen, und demonstrierte ein in Seidentücher gehülltes Tanz-Duo, wie man sich „freistrampeln“, sprich: befreien kann. „Unser Ziel war es, die Kinder, die schon lange kaum zur Ruhe kommen, in Sphären zu entführen, in denen sie sich anders erleben und frei fühlen können“, sagt Choreographin Benedetta Reuter, die das Projekt als künstlerische Beraterin im Bereich Tanz begleitet und mitgestaltet. Dass dieses Vorhaben gelungen ist, beweisen die Kinder, die in diesem Moment sichtlich erleichtert und tänzelnd die Turnhalle verlassen.

Klangkörper-Projekt ist „schönste Form der Seelenhygiene“

„Einige unserer Schülerinnen und Schüler haben einen erschwerten oder gar keinen Zugang zu Kultur, zu Bildungsangeboten und sozialer Teilhabe. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass wir mit der Offenen Jazz Haus Schule einen Partner gefunden haben, der zu uns in die Schule kommt und damit allen Jungen und Mädchen die Gelegenheit gibt, auch die sogenannte hohe Kultur zu erleben und ihnen einen spielerischen, leichten Zugang zur Kunst verschafft, der ihnen sonst verwehrt ist“, sagt Schulleiter Jan Hallensleben, an dessen Schule die Anzahl psychisch belasteter Kinder stetig steige – „da bietet so ein Projekt die schönste Form der Seelenhygiene.“

Unser Projekt ist bestes Beispiel dafür, was wir Träger der Freien Jugendhilfe vor Ort leisten, um für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu sorgen
Joscha Oetz, Leiter des Vereins Offene Jazz Haus Schule

„Klangkörper“, der Name ist Programm: Klänge berühren die Seele und den Körper, wohin Worte oft nicht reichen. Musik und Tanz kommen ohne Sprache aus – und geben Kindern eine Chance, durch Klang und Körperbewegung miteinander zu kommunizieren. „Bei unserem Projekt fühlen sich die Kinder ganz anders wahrgenommen als im Unterricht, ohne Kritik und Beurteilungen, was oft dazu führt, dass Fähigkeiten geweckt werden, die sonst kaum zum Tragen kommen“, sagt Benedetta Reuter. Klangkörper schule das Körperbewusstsein, womit mangelndem Selbstvertrauen als einer Quelle aggressiven Handelns entgegengewirkt und dazu beigetragen werden könne, sich und die eigenen Grenzen besser zu schützen.

Selbstwert und Selbstwirksamkeit stärken

Es geht um Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit, also um die innere Überzeugung, schwierige Situationen und die eigene Zukunft aus eigener Kraft heraus gut meistern zu können. „Diesen eigenen Wert zu spüren, ist für viele Kunterbunt-Kinder besonders wichtig. Denn ihr Gespür für den Selbstwert ist aufgrund traumatisierender Erfahrungen, häuslichen Versorgungsdefiziten oder ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung teils stark beeinträchtigt. Das zeigt sich zum Beispiel in einer geringen Bereitschaft, sich anzustrengen, in schwacher Konzentrations-, Aufmerksamkeitsfähigkeit, geringer Ausdauer und der Neigung zu Aggressionen“, sagt Oetz.

Ein Tänzer der Offenen Jazz Haus Schule tanzt auf dem Kopf in eíner Turnhalle

Mohamed Bensalah von der Offenen Jazz Haus Schule als Breakdancer.

Das seit vielen Jahren von „wir helfen“, der Stadt Köln, der Annelie und Uwe Hoffmanns-Stiftung und dem Kolping-Bildungswerk unterstützte Klangkörper-Projekt besteht jedoch aus mehr als dem jährlichen Aktionstag. Vielmehr werden dabei Musik und Tanz immer wieder in den Schulalltag eingebunden. Es gibt fest im Stundenplan verankerte wöchentliche Tanzangebote, einen offenen Geigen- und einen Percussion-Raum, Exkursionen in die Kölner Philharmonie oder zu anderen Kulturorten der Stadt, Tanz- und Musik-Projektwochen – mit anschließenden Auftritten in Tanzstudios oder Theatern der Umgebung.

Wie zehn andere, von der Stadt Köln geförderte, kulturpädagogische Einrichtungen ist auch die Offene Jazz Haus Schule von den geplanten Haushaltskürzungen betroffen. „Unser Projekt, das sich an Kinder richtet, die in Veedeln leben, deren Bewohner zu einem hohen Anteil auf staatliche Leistungen angewiesen sind, ist bestes Beispiel dafür, was wir Träger der Freien Jugendhilfe vor Ort leisten, um für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu sorgen. Leider steht es auch exemplarisch für all das, was benachteiligten Kindern genommen wird, wenn die Stadt nicht nachsteuert“, mahnt Goetz.

Alle am Klangkörper-Projekt beteiligte Künstlerinnen und Künstler der Offenen Jazz Haus Schule sind: Mohamed Bensalah, Sara Blasco, Christiane Budden, Elisabeth Coudoux, Kurt Fuhrmann, Leonhard Huhn, Anca Huma, Dulce Jiménez, Derya Kaptan, Nick Klapproth, Christoph Krieger, Benedetta Reuter, Fang-Yu Shen.


So können Sie helfen

  1. Mit unserer neuen Jahresaktion „wir helfen: dass Kinder wieder mutig in die Zukunft gehen“ bitten wir um Spenden für Projekte und Initiativen in Köln und der Region, die vor allem benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu einer motivierenden Zukunftsperspektive verhelfen und die Kompetenzen, die sie dafür brauchen, fördern und stärken.
  2. Die Spendenkonten lauten: wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.
  3. Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55
  4. Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
  5. Wünschen Sie eine Spendenbescheinigung, geben Sie bitte +S+ im Verwendungszweck an. Sollten sie regelmäßig spenden, ist auch eine jährliche Bescheinigung möglich. Bitte melden Sie sich hierzu gerne per E-Mail bei uns. Soll Ihre Spende nicht veröffentlicht werden, notieren Sie +A+ im Verwendungszweck. Möchten Sie anonym bleiben und eine Spendenbescheinigung erhalten, kennzeichnen Sie dies bitte mit +AS+. Bitte geben Sie in jedem Fall auch immer ihre komplette Adresse an. Auch wenn Sie ein Zeitungsabonnement der „KSTA MEDIEN“ beziehen, ist Ihre Adresse nicht automatisch hinterlegt. Sollten Sie per PayPal spenden, beachten Sie bitte, dass Ihre Spende immer anonym ist. Wünschen Sie eine Spendenbescheinigung, schicken Sie eine E-Mail an uns. Sollten Sie anlässlich einer Trauerfreier, einer Hochzeit oder eines Geburtstags zu einer Spendenaktion aufzurufen, informieren Sie uns bitte vorab per E-Mail über die Aktion. Sehr gerne lassen wir Ihnen dann, zwei Wochen nach dem letzten Spendeneingang, die gesammelte Spendensumme zukommen.
  6. Kontakt: „wir helfen e.V.“, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, Telefon: 0221-224-2789 (Allgemeines, Anträge, Regine Leuker), 0221-224-2130 (Redaktion, Caroline Kron), E-Mail: wirhelfen@kstamedien.de
  7. Mehr Infos und die Möglichkeit, online zu spenden, finden Sie auf unserer Vereinshomepage hier >>