Köln – Das erste Schild hängt neben der dunkelroten schweren „Eichi“-Eingangstür: „Bitte warten!“ in roten Buchstaben. Viele weitere Hinweise auf weißen DIN-A4-Blättern folgen, ein Maßband an der Wand im Eingang zeigt noch einmal die wichtigste Zahl der letzten Wochen an: 1,5. Die Einheit: Meter Abstand. Seit etwa zwei Wochen hat das Jugendzentrum „Eichi“, gelegen am Zollstocker Südfriedhof, wieder geöffnet. Kann Jugendsozialarbeit mit Distanzpflicht überhaupt funktionieren?
Nur zu viert ins Spielezimmer
Irgendwie geht’s, sind sich zumindest Sophie (12), Lino (15) und Ryan (14) einig. Die drei Jugendlichen gehörten zu den Ersten, die wieder vor der Tür standen. Die Freunde führen mit Maske durch die Gemeinschaftsräume im ersten Stock, den Hausaufgabenraum, der mit seiner Kreidetafel und den Einzeltischen an ein antikes Klassenzimmer erinnert, das Zimmer mit Airhockey-Tisch und Playstation, in dem man sich aktuell höchstens mit vier Personen aufhalten darf.
Unten zeigen sie die verschiedenen Trampoline, die gerade nur für einen Springer da sind, zwei Tischtennisplatten und ein Jugendcafé mit Büchern und Spielen. „Wir sind alle froh, dass wir wieder reindürfen“, sagt Ryan. Zuhause war es auf Dauer viel zu langweilig, die erste Freude über die schulfreie Zeit sei sehr schnell verflogen. Nun können er und Sophie sogar wieder zum Fußballtraining, auch wenn aktuell nur fünf gegen fünf gespielt werden darf.
Nur ein Drittel der Besucher darf gleichzeitig dort sein
Die drei haben Glück: Das Eichi ist eins der wenigen Jugendzentren der Stadt, das schon wieder weitgehend normal seinen Betrieb aufgenommen hat. Die Räume sind großzügig konzipiert, die Flure so breit, dass Abstand halten auch möglich ist, wenn man sich entgegenkommt. Seit ein paar Tagen darf die Einrichtung sogar wieder Mittagessen anbieten. Die E-Mail mit der Erlaubnis kam morgens, mittags standen schon die ersten Spaghetti mit Tomatensoße wieder auf dem Tisch.
Von den circa 60 regelmäßigen Besuchern dürfen zurzeit nur maximal 22 gleichzeitig rein, erklärt Markus Kern, seit 15 Jahren Leiter der Einrichtung. „Letzte Woche standen sie draußen schon einmal Schlange.“ Der Andrang beweist für ihn, wie groß der Bedarf der Jugendlichen ist. Kern hat in den letzten Wochen beobachtet, dass der Vandalismus in Zollstock während der Schließung zugenommen hat. Weil viele junge Menschen nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, weil sie nirgendwo hinkonnten, wenn es Zuhause zu eng wurde.
Elternfreie Zone
Andererseits sorgt Kern sich auch um einige Besucher, zu denen er den Kontakt während der Corona-Krise verloren hat. „Von vielen haben wir gar nichts mehr gehört, weder digital noch am Telefon“, sagt er. „Jetzt muss sich erst einmal wieder herumsprechen, dass wir wieder da sind.“ Er sucht den Kontakt über Schulsozialarbeiter, weil es über die Eltern meistens noch schwieriger ist. „Wir sind elternfreie Zone.“
Bis aus ein- oder zweimal vorbeischauen ein Stammbesucher wird, dauert es schon unter normalen Umständen lange, sagt Kern. „Dazu müssen wir durch regelmäßigen Kontakt Beziehungen zu den Jugendlichen aufbauen.“ Der jetzt wochenlang nicht möglich war. „Bei vielen Kindern fangen wir also wieder ganz von vorne an.“