Köln – Sven und Philipp (Namen geändert) waren unzertrennlich. Wie Brüder. Die Siebenjährigen gingen gemeinsam zur Schule. Sie verabredeten sich zum Spielen. Sie waren im selben Fußballverein. Bis Philipp bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Sven trauerte lange und intensiv. „Er hat mich immer zum Training abgeholt. Jetzt kommt mein bester Freund nicht mehr“, erzählte er in einer Gesprächsgruppe von Traube, einem Verein zur Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen.
Seit fünf Jahren unterstützen die Helferinnen und Helfer des Vereins Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und deren Familien auf ihrem Weg der Trauer. Sie alle haben einen ihnen nahestehenden Menschen verloren.
Im Gefühls-Chaos
In den altersgerechten Gruppen erleben sie, dass sie mit ihrer Trauer nicht allein sind. In den Räumen des Vereins an der Aachener Straße werden sie auf ihrem individuellen Weg durch die Trauer beraten, begleitet und betreut. In einem geschützten Umfeld erleben die jungen Menschen, dass sie mit ihrer Trauer, mit ihren unbeantworteten Fragen, mit ihrem Gefühl-Chaos nicht alleine sind. „Sie treffen hier Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Allein das kann schon ein großer Trost sein“, erzählt Trauerbegleiterin und Vorstands-Mitglied Johanna Koslowsky.
Etwa zwei Jahre besuchte der junge Fußballer die Gruppe. Dann ging es ihm besser. Bis zu zwölf Kinder sind in einer Gruppe. Jeder kann so lange zu den Treffen kommen, wie er möchte. Sätze wie „Reiß dich mal etwas zusammen.“ oder „Jetzt müsste es langsam mal gut sein“ sind bei Traube nicht zu hören. Der Tod liegt doch schon so lange zurück.“ nicht.
Das Kind entscheidet selbst
„Durchschnittlich wird ein Kind anderthalb Jahre begleitet. Aber es entscheidet selber, wie lange es bleiben möchte. Wir bedrängen niemanden“, erzählt Johanna Koslowsky. Sie war schon dabei, als der Verein zur Trauerbegleitung 2011 seine ersten Schritte machte. Damals gab es in Köln keine eigenständige Anlaufstelle für trauernde junge Menschen. Sie fanden Unterstützung bei „Domino“, einem Trauerverein für Kinder und Jugendliche in Bergisch Gladbach und Leverkusen. Der Impuls zur Gründung des Kölner Vereins ging von „Domino“ und dem Deutschen Kinderhospizverband aus.
Die Traube-Mitarbeiter starteten mit viel Enthusiasmus, aber ohne eigene Räume. Stattdessen gab es zum Beispiel Gespräche mit Jugendlichen am Bahnhof oder in einem Café. Erst ein paar Monate nach der Vereinsgründung ging es in das jetzige Domizil an der Aachener Straße – unterstützt von der „Kölner Stadt-Anzeiger“-Aktion „wir helfen“.
Neue Kraft und Lebensmut
„Wir haben in den zurückliegenden Jahren natürlich viel Leid und Schmerz miterlebt, aber noch viel mehr Liebe, Freude und Zusammenhalt. Das Schönste ist zu erleben, wie junge Menschen nach einer Weile neue Kraft und Lebensmut schöpfen. Wenn sie sich mit dem guten Gefühl von uns verabschieden, gehen zu können“, zieht Johanna Koslowsky Bilanz.
Die pädagogische Leitung liegt bei Traube in den Händen von Heike Brüggemann und Manuel Schweichler. Beide gehören erst seit kurzer Zeit zum Team. „Es ist wichtig, den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass ihre Trauer eine ganz natürliche Reaktion auf einen schmerzhaften Verlust ist“, sagt Heike Brüggemann. „Trauer bedeutet nicht, dass man auf jeden Fall loslassen muss. Die Verstorbenen sind nicht vergessen“, ergänzt Schweichler. „Trauer ist keine Krankheit. Aber unterdrückte Trauer kann krank machen.“
Ständig Sorgen um die Finanzierung
Der Traube-Geburtstag wurde mit einem großen Familienfest und einer besonderen Premiere gefeiert. Elf Traube-Kinder stellten eine CD vor, die sie gemeinsam mit der Musikpädagogin Sarah Bonnen aufgenommen haben. Die CD heißt „Traube für dich – Lieder zum Trösten“.
Gibt es Wünsche für die Zukunft? „In erster Linie möchten wir unseren Status halten und unsere Arbeit weitermachen können, ohne uns ständig Sorgen um die Finanzierung machen zu müssen“, sagt Johanna Koslowsky. „Als gemeinnütziger Verein, dessen Basis die ehrenamtliche Arbeit ist, freuen wir uns über jeden Euro“, sagt Petra Alefeld, unter anderem zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Etwa 180 000 Euro benötigt der Verein pro Jahr, um seine Arbeit leisten zu können. Er ist vor allem auf Spenden angewiesen.
Mehr Nachfrage, aber nicht genug Platz
Mehr als 30 Frauen und Männer arbeiten ehrenamtlich als Trauerbegleiter. Es gibt fünf Hauptamtliche, alle in Teilzeit oder auf Minijob-Basis. 2017 wird kein leichtes Jahr, glaubt Petra Alefeld. Dann endet die Förderung durch die „Aktion Mensch“ und Traube fehlt ein mittlerer fünfstelliger Betrag. Dabei möchte der Verein eigentlich noch wachsen. „Unsere räumlichen Kapazitäten an der Aachener Straße sind erschöpft. Neue Gruppen können wir nicht anbieten, obwohl der Bedarf da ist.“ Einen großen Wunsch, nein, eher einen Traum, verraten die Mitarbeiter nur zögernd: „Ein Haus mit Garten wäre toll. Eins, das uns gehört. Kaufen fällt natürlich flach, aber vielleicht vererbt uns jemand eins oder erlässt uns die Miete.“