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Alarmierende ZahlenSchaden durch Wirtschaftskriminalität hat sich in NRW verdoppelt

Lesezeit 3 Minuten
Die Tastatur eines Laptops spiegelt sich auf dem Bildschirm des Computers.

Viele Betrugsstraftaten werden im Internet angebahnt.

Wirtschaftskriminelle fühlen sich durch ein vermeintlich geringes Entdeckungsrisiko ermutigt. Zahlen zeigen: Sie wiegen sich in falscher Sicherheit.

Der Gesamtschaden durch Wirtschaftskriminalität in NRW ist im Jahr 2023 auf 768.884.395 Euro gestiegen und hat sich damit mehr als verdoppelt. Das geht aus dem „Lagebild Wirtschaftskriminalität“ des Landeskriminalamts (LKA) hervor, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. „Fast 40 Prozent der Schadenssumme aller Straftaten geht auf das Konto von Wirtschaftskriminellen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul unserer Zeitung. Der Schaden, der durch diese Delikte entstehe, sei enorm. „Das zeigt, wie wichtig es ist, dass die Polizei auch dieses Feld beackert“, so der CDU-Politiker.

Die hohe Summe wirft ein Schlaglicht darauf, dass den Ermittlern im vergangenen Jahr viele dicke Fische ins Netz gegangen sind. Denn: Die Anzahl der Fälle ist im Vergleich zum Vorjahr um gut ein Viertel auf 5.935 Delikte gesunken. „Im letzten Jahr haben die Ermittler viele Tatverdächtige identifiziert. Das werte ich als guten Erfolg, aber das ist nichts, worauf man sich jetzt ausruht“, betonte Innenminister Reul.

Gerade bei der Wirtschaftskriminalität hätten es die Ermittler mit Fällen zu tun, die sich über mehrere Jahre erstrecken könnten, oft beobachte man international Verflechtungen. Wie in den Vorjahren lag die Aufklärungsquote bei Wirtschaftsdelikten mit 83,56 Prozent auf einem hohen Niveau und deutlich über der Gesamtaufklärungsquote aller für NRW erfassten Straftaten (54,17 Prozent). Nicht erfasst werden Straftaten, die ausschließlich in die Zuständigkeit des Zolls oder der Finanzverwaltung fallen, wie zum Beispiel Steuerdelikte.

Alles zum Thema Herbert Reul

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sitzt im Plenum des Landtags.

„Fast 40 Prozent der Schadenssumme aller Straftaten geht auf das Konto von Wirtschaftskriminellen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

Den höchsten Anteil bei den Fallzahlen haben nach wie vor die Betrugsdelikte, die in 2.527 Fällen ans Licht kamen. So ermittelte das Polizeipräsidiums Düsseldorf gegen einen 59 Jahre alten Mann, der in den Jahren 2019 bis 2022 in 61 Fällen Subventionen des Bundesamtes für Logistik und Mobilität beantragt hatte, um unrechtmäßig an Fördermittel zu gelangen. Dabei wurden über mehrere Firmen Zahlungen und Lieferungen fingiert - die ermittelte Schadenssumme beträgt 560.000 Euro.

Im Deliktbereich Untreue wurden 444 Fälle registriert. Beispielsweise wurde gegen einen 49 Jahre alten Geschäftsführer aus Düsseldorf ermittelt, der in der Zeit von 2012 bis 2023 erhebliche Vermögenswerte seines Arbeitgebers auf sein eigenes Konto überwies, indem er Scheinrechnungen fertigte und Vergleichsvereinbarungen fingierte. Der Vermögensschaden des Unternehmens beläuft sich auf mehr als 15 Millionen Euro, sechs Millionen Euro konnten gesichert werden.

Digitale Varianten helfen beim Verschleiern

Wirtschaftskriminelle fühlen sich durch Aussicht auf hohe Gewinne und ein vermeintlich geringes Entdeckungsrisiko ermutigt. Bei Betrug, Untreue und Anlagebetrug entwickeln sich immer mehr digitale Varianten. Die Täter können nahezu von jedem Ort der Welt agieren und ihre Spuren weitestgehend verschleiern. Seit dem Jahr 2022 erfolgt eine Sondererhebung der Delikte, die von betrügerischen Online-Trading-Plattformen begangen werden. Der durch Betrugsdelikte entstandene Schaden ist um gut die Hälfte auf 204.618.235 Euro (2022: 135 091 969 Euro) gestiegen.

Auch die Aussicht auf staatliche Hilfen in der Coronakrise hat viele Geschäftsleute auf kriminelle Abwege gebracht. Zu den herausragenden Strafverfahren, die im Lagebild aufgeführt werden, zählen auch Fälle von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen. Die Kreispolizeibehörde Rhein-Erft-Kreis ermittelte ab Juli 2022 gegen einen 38 Jahre alten Geschäftsführer einer in Kerpen ansässigen Firma sowie dessen Lebensgefährtin. Ihnen wird vorgeworfen, ab März 2021 in NRW insgesamt 14 Corona-Testzentren eröffnet und gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein Tests abgerechnet zu haben, die tatsächlich nicht durchgeführt wurden. Der entstandene Schaden beträgt nach den Ermittlungen zirka 16 Millionen Euro. Der Geschäftsführer sitzt in Untersuchungshaft. Bei der Festnahme wurden hochpreisige Pkw im Wert von mehr als 500.000 Euro gepfändet. Das Verfahren wird derzeit vor einer Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln verhandelt.