AboAbonnieren

„Autogipfel“ mit MerkelAngeschlagene Auto-Branche könnte weitere Hilfen bekommen

Lesezeit 4 Minuten
Auto Symbol

Neuwagen vom Typ VW Bulli T6 stehen am Werk von Volkswagen Nutzfahrzeuge nebeneinander. (Symbolbild)

Berlin – Die angeschlagene Autobranche kann auf zusätzliche Hilfen für den Strukturwandel hoffen. Dabei geht es aber nicht um direkte Maßnahmen gegen die akute Absatzkrise wie eine Ausweitung der Kaufprämien auf moderne Benziner und Dieselautos - sondern darum, das Eigenkapital vor allem von Zulieferern zu stärken.

Eine Arbeitsgruppe soll bis zum nächsten Spitzengespräch im November prüfen, ob und wie ein „marktwirtschaftliches Konzept“ entwickelt werden könnte. Das geht aus einem Ergebnispapier des „Autogipfels“ am Dienstagabend hervor. Es lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Von staatlichen Kaufprämien auch für Autos mit modernen Verbrennungsmotoren ist in dem Ergebnispapier nicht die Rede.

Ladenetz für Elektroautos soll kundenfreundlicher werden

Vor allem Zulieferer sind in der Corona-Krise unter Druck geraten. Zum anderen soll laut dem Papier geprüft werden, welche weiteren Aspekte bei den im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehenen „Zukunftsinvestitionen“ in die Branche berücksichtigt werden sollten.Die Spitzenrunde verabredete außerdem, den digitalen Wandel rund ums Auto voranzubringen sowie das autonome Fahren. Das Ladenetz für Elektroautos soll kundenfreundlicher werden.

Alles zum Thema Angela Merkel

An einer Videokonferenz nahmen am Abend neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesministern und Vertretern von Autoherstellern sowie Gewerkschaften auch Ministerpräsidenten aus „Auto“-Ländern teil.Die Koalition hatte im Juni ein zusätzliches Programm über insgesamt zwei Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und der Zulieferindustrie beschlossen. Damit sollen etwa Investitionen in neue Technologien gefördert werden. Das Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an der Umsetzung.

Das könnte Sie auch interessieren:

IG Metall, Grüne und SPD hatten sich für einen staatlichen Beteiligungsfonds stark gemacht, der Mittelständlern in der Autoindustrie zu Hilfe kommen soll. Viele mittelständische Zulieferer hängen noch am Verbrenner, müssen aber viel Geld in den Strukturwandel investieren.Die CSU hatte Forderungen nach Verbrenner-Kaufprämien erneuert, um die in der Corona-Krise zurückgegangene Nachfrage anzukurbeln. Moderne Benziner und Diesel könnten CO2-Emissionen senken und der Branche aus der Krise helfen. Autos mit Verbrennungsmotoren würden derzeit auf „Halde“ produziert, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag im Deutschlandfunk: „Die müssen vom Hof.“

Scheuer warnte vor einer Massenarbeitslosigkeit in der Autobranche mit Hunderttausenden Beschäftigten. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte, viele hätten den Ernst der Lage noch nicht verstanden. Ein großer Teil des Wohlstandes in Bayern und Deutschland hänge am Auto.

Merkel dämpfte Erwartungen vor der Konferenz

Merkel hatte aber bereits vor der Konferenz die Erwartungen gedämpft. Sie machte klar, dass sie nicht davon ausgeht, dass es eine rasche Entscheidung über weitere Hilfen für die Autobranche geben wird.Im Juni hatte die Autoindustrie - und mit ihr die Regierungschefs der „Autoländer“ Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg - in der Debatte um ein Konjunkturpaket staatliche Kaufprämien auch für Verbrenner gefordert. Das aber war am Widerstand vor allem der SPD-Spitze gescheitert.

Stattdessen beschloss die schwarz-rote Koalition eine Senkung der Mehrwertsteuer sowie deutlich höhere staatliche Prämien beim Kauf von Elektroautos. Die Neuzulassungen von E-Autos sind zuletzt deutlich gestiegen, sie liegen aber immer noch auf einem niedrigen Niveau. Das weitaus meiste Geschäft machen die Hersteller nach wie vor mit dem Verkauf von Benzinern und Dieselautos. Deren Verkaufszahlen aber sinken. Dazu kommt, dass es für E-Autos lange Lieferzeiten gibt.

Die deutsche Automobilwirtschaft stehe vor großen konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen, heißt es im Ergebnispapier des Autogipfels. Damit Deutschland ein „technologieoffener, global führender Standort“ für die Automobilwirtschaft bleibe, sollten die Herausforderungen nun verstärkt angegangen werden - genannt werden neue Antriebstechnologien, Digitalisierung, gute Beschäftigung und Klimaschutz.

So soll Deutschland eine Führungsrolle beim autonomen Fahren einnehmen. Mit dem in Vorbereitung befindlichen Gesetz zum autonomen Fahren wolle Deutschland das erste Land weltweit sein, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt. Ziel sei es, bis zum Jahr 2022 Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen in den Regelbetrieb zu bringen.

Außerdem soll ein „Datenraum Mobilität“ geschaffen werden. Die Automobilwirtschaft will dazu „im Rahmen der Vertragsfreiheit“ Mobilitätsdaten zur Verfügung stellen.

Beim Aufbau eines Ladenetzes für Elektroautos sollen Wirtschafts- und Verkehrsminister „zeitnah“ mit der Energiewirtschaft zu einem zweiten Spitzengespräch zusammenkommen. Dabei sollen konkrete Vereinbarungen über ein einheitliches Bezahlsystem und eine kundenfreundliche Nutzung von Ladesäulen erreicht werden. Verbände wie der ADAC beklagen, dass an öffentlichen Ladesäulen bisher sehr unterschiedliche Preismodelle zum Einsatz kommen.

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte, die E-Prämie wirke. Aber damit sie funktioniere, brauche es mehr Ladesäulen, der Ausbau dauere viel zu lange. „Wir werden die Entwicklung bei den Zulieferern in den kommenden Wochen im Blick behalten. Ich halte Transformationsfonds weiter für sinnvoll, für Unternehmen die sich neu ausrichten können und für den Aufbau neuer Wertschöpfungscluster.“

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic kritisierte, der Autogipfel habe keinen Befreiungsschlag für den kriselnden Fahrzeugbau gebracht: „Die Bundesregierung setzt zwar mit Leitlinien für autonomes Fahren, Mobilitätsdaten und alternative Kraftstoffe auf die richtigen Themen. Es braucht aber mehr Umsetzung und weniger Arbeitsgruppen.“ (dpa)