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Biontech-GründerpaarWie Ugur Şahin und Özlem Türeci 2020 Hoffnung geschenkt haben

Lesezeit 4 Minuten
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Ugur Şahin und Özlem Türeci haben den Impfstoff-Hersteller Biontech gegründet.

Köln – Ein Junitag im Jahr 1984. In der Aula des Erich-Kästner-Gymnasiums (EKG) wartet eine Bühne auf die Abiturienten. Als Jahrgangsbester wird Ugur Şahin nach oben gebeten. Er ist der erste türkischstämmige Absolvent, der in dem nüchternen Betonbau nahe der Friedrich-Karl-Straße im Kölner Stadtteil Niehl die Hochschulreife erlangt – und zwar mit Bravour.

Ugur Şahin, schulischer Überflieger, avancierte nicht nur zum Professor für Krebserkrankungen an der Uniklinik Mainz. Vielmehr schreibt der Mittfünziger nebst seiner Frau Özlem Türeci an einer neuen Erfolgsstory: Vor zwölf Jahren gründete das Paar das Technologie-Start-Up Bion-tech in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt. Inzwischen heben Börsenanalysten das Unternehmen in den Himmel.

Geschichte mit Hollywood-Potenzial

Denn in Rekordzeit gelang Türeci und Şahin die Entwicklung eines hochwirksamen Impfstoffs gegen das Coronavirus. Seit vergangenem Sonntag erhalten auch die ersten deutschen Bürger das Vakzin.

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Ugur Şahin hat diesen Tag herbeigesehnt. Man sei sehr glücklich, in dieser kurzen Zeit einen wirksamen und verträglichen Impfstoff entwickeln zu haben, erklärte der Vorstandsvorsitzende kurz nach der Zulassung seines Mittels in der Europäischen Union.

Die Geschichte des Forscherpaars hat sicher das Zeug für einen Hollywoodstreifen. Mario Althans, ein schulischer Weggefährte, erinnert sich heute noch, wie er Şahin überredet hatte, in der Oberstufe am Erich-Kästner-Gymnasium mit ihm den Chemieleistungskurs zu belegen. „Sonst wäre der nie zustande gekommen“, sagt Althans rückblickend. Bereits dort brachte der Schüler Ugur seinen damaligen Lehrer manches mal mit seinen bohrenden Fragen in Erklärungsnöte.

„In Mathe machte ihm keiner etwas vor“

„Auch in Mathematik machte ihm keiner etwas vor“, erinnert sich Althans, der heute das gleiche Fach an genau der gleichen Schule lehrt. Drei der vier anspruchsvollen Aufgaben der Matheolympiade löste Ugur bereits auf dem Heimweg mit dem Fahrrad.

Mit „summa cum laude“ schließt der Musterschüler sein Medizinstudium ab. An der Universitäts Klinik im saarländischen Homburg lernt er seine spätere Frau Özlem Türeci kennen. Die Ärztin ist Wissenschaftlerin durch und durch. Das Paar konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Mittel gegen Speiseröhren- und Magenkrebs.

2001 gründen die Beiden eine neue Firma namens Ganymed. Obschon der Biotech-Markt 2006 zusammenbricht, finden sich neue Geldgeber. Im Jahr darauf investieren die Hexal-Erben Thomas und Andreas Sprüngmann 150 Millionen in das neue Projekt der Krebsmittelentwickler Sahn/Türeci. Die Firma Biontech ist geboren.

Nach 24 Stunden stand der Entwurf für den Impfstoff

Fortan experimentieren die Biotech-Tüftler vor allem mit dem Botenmolekül mRNA. Damit werden menschliche Zellen gesteuert. So fertigen die Wissenschaftler für Hautkrebspatienten passgenau eine mRNA für das Genom des Tumors an. „Wir sehen uns als Immun-Ingenieure“, erläutert Şahin, „wir möchten das Immunsystem dazu anleiten, uns vor bestimmten Krankheiten zu schützen.“

Am 24. Januar 2020 liest der Krebsforscher einen Artikel in einer Fachzeitschrift über eine chinesische Familie, die nach Wuhan reiste und sich dort mit dem Coronavirus infizierte. Da das Virus von asymptomatischen Trägern übertragen werden konnte, schien es aus seiner Sicht wahrscheinlich, dass die Infektionswelle weit über China hinaus gehen werde. „Die Mathematik dahinter zeigte mir, dass es passieren wird, es ist nur eine Frage von ein paar Wochen“, erläutert Şahin im Rückblick.

Der Krebsspezialist gibt bei Biontech die Devise aus, einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln. Binnen 24 Stunden hat Şahin einen groben Entwurf des neuen Gegenmittels skizziert. Das Projekt Lightspeed startet. Die Forschungsabteilung, geleitet durch Özlem Türeci, begibt sich an die Feinheiten. Mit dem US-Pharma-Konzern Pfizer schließt Biontech eine Kooperation ab, die 184 Millionen Euro Forschungszuschüsse in die Kasse spült.

Die Anfänge nie vergessen

Es sollen aber noch knapp zehn Monate vergehen, ehe Biontech am 9. November des nun endenden Jahres 2020 mit der Nachricht herauskommt, das erste Anti-Corona-Serum sei startklar. Demnach regt das Botenmolekül mRNA im Körper die Bildung eines Virus-Eiweißes an. Dieser Effekt löst eine Immunreaktion aus, die den Menschen vor dem Virus schützen soll.

Der globale Jubel kannte keine Grenzen. Vor allem an den Börsen überall auf der Welt. Der Biontech-Marktwert schießt in enorme Kurshöhen, und reißt andere Aktienwerte mit. So schnellen auch die Aktienkurse von Öl-Multis wie British Petroleum, diversen Autobauern oder der Deutschen Lufthansa in die Höhe. Die Welt der Wirtschaft hofft dank des Wirkstoffs aus der Schöpfung des Forscherehepaares endlich wieder auf eine Normalisierung der Welt. Eben auch in Bereichen wie Transport, Verkehr und Tourismus. Die Tatsache, dass der Aktienindex Dax in dem Jahr tiefster Krise seinen Höchststand vom Jahresbeginn nun sogar überboten hat, ist zu einem Teil auf die Entwicklung des Impfstoffs zurückzuführen.

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Ugur Şahin hingegen wirkt nicht wie ein Unternehmer, dem der Erfolg zu Kopf gestiegen ist. Er hat seine Anfänge nie vergessen. Seine Eltern, die nach Deutschland gekommen sind. Jeden Morgen um 4.30 Uhr ging es los, um ihren Kindern etwas Besseres zu bieten. Der Vater arbeitete bei Ford am Band.

Kürzlich erst hat der Biontech-Chef verlauten lassen, dass nach dem Corona-Hype wieder die Forschung zu Krebsheilmitteln mittels mRNA im Vordergrund stehen werde. Die nächste medizinische Revolution bahnt sich an.