Daniel Thelesklaf von der Financial Intelligence Unit (FIU) über die Methoden der Geldwäscher und die Sinnhaftigkeit eines Bargeld-Verbots.
Chef der deutschen Anti-Geldwäsche-BehördeWarum gilt Deutschland als Geldwäsche-Paradies?
Daniel Thelesklaf ist seit Sommer 2023 Chef der deutschen Anti-Geldwäsche-Behörde Financial Intelligence Unit (FIU). Die dem Zoll zugeordnete Einheit galt lange als das Sorgenkind diverser Finanzminister, weil sie ihren Aufgaben nicht gerecht wurde. Thelesklaf gilt als sehr erfahrener Experte auf dem Gebiet der Geldwäschebekämpfung. Er war zuvor Leiter der Schweizer FIU.
Herr Thelesklaf, Sie sind Chef der Financial Intelligence Unit – das klingt ein wenig nach James Bond. Welche Lizenz haben Sie?
Daniel Thelesklaf: Es liegt sicherlich an der englischen Bezeichnung, dass Sie diese Assoziation haben. Tatsächlich haben fast alle deutschsprachigen Länder versucht, einen deutschen Ausdruck für unsere Tätigkeit zu finden. Aber niemand ist fündig geworden – wahrscheinlich, weil es sich um ein angelsächsisches Konzept handelt.
Worum geht es?
In den 70er Jahren setzte sich in den USA die Erkenntnis durch, dass man bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität nicht an die führenden Köpfe herankommt, wenn man nur die kleinen Dealer auf der Straße schnappt. Deshalb hat man überlegt, welche Spuren zu den Bossen führen. Die Antwort: Follow the money. Die Spur des Geldes führt zu den Tätern an der Spitze. Um die geht es.
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Die Informationen dafür liefern vor allem Banken. Was genau macht dann eine Organisation wie die FIU?
Es ist nicht das primäre Ziel einer Bank, Straftaten aufzudecken oder zu verhindern, aber die Banken können wertvolle Hinweise liefern. Banken sehen aber immer nur einen kleinen Ausschnitt der Finanzströme – professionelle Geldwäscher setzen nicht alles auf eine Karte. Nötig ist also eine Instanz, die Informationen in einem größeren Maßstab erfasst, verdichtet und analysiert. Hierfür wurden die Financial Intelligence Units entwickelt. Wir filtern Rohinformationen und fügen die Puzzlesteine so zusammen, dass ein Gesamtbild entsteht.
Den Begriff Geldwäsche kennt jeder, aber kaum jemand kann ihn erklären. Können Sie helfen?
Ein Verbrecher will mit kriminellen Methoden Geld verdienen und dessen Besitz genießen. Das kann er nur, wenn nicht nachweisbar ist, dass das Geld illegal erworben wurde. Dafür braucht er einen Geldwäscher. Alles, was der nötigen Verschleierung dient, ist Geldwäsche. Sie macht Verbrechen erst richtig lukrativ.
Wie gehen Geldwäscher vor?
Organisiert. Geldwäsche ist dann schwierig nachzuweisen, wenn Staatsgrenzen überschritten werden. Manchmal reichen schon Grenzen zwischen den Bundesländern, damit Zuständigkeiten bei den Ermittlern wechseln. Zur Verschleierung versuchen Geldwäscher auch, Vermögenswerte in eine andere Form zu bringen, also Bargeld in Bankguthaben, Bankguthaben in Edelmetalle, Edelmetalle in Immobilien, Kryptowährungen in Bargeld und so weiter. Das erschwert das Aufspüren enorm.
Sind Kryptowährungen das große Schlupfloch?
Geldwäscher nutzen alle Möglichkeiten, auch Kryptowerte. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass reale Währungen bevorzugt werden. Das liegt auch daran, dass die Kurse unberechenbar sind und Kryptowerte rasch an Wert verlieren können. Je stabiler Kryptowährungen werden, desto höher die Gefahr.
Wie würden Sie Geld waschen?
Ich stelle in Workshops gerne die Aufgabe: Wie wasche ich eine Milliarde? Das ist gar nicht so einfach. Auf den Märkten für Kunst oder Antiquitäten bekommen sie so viel Geld nicht so leicht unter. Immobilien sind da besser. Das ist im Übrigen auch ein Bereich, auf den wir in Deutschland besonders aufpassen. Hier gibt es einfach viel Masse, die von Geldwäschern genutzt werden kann.
Jüngst ist hierzulande der Kauf von Immobilien mit Bargeld verboten worden. Ein Durchbuch?
In diesem Bereich auf jeden Fall. Aber selbst unter Expertinnen und -experten ist umstritten, ob darüber hinaus Bargeld-Verbote bei der Bekämpfung der Geldwäsche wirklich helfen. In Ländern mit sehr tiefen Bargeldobergrenzen ist die Geldwäsche jedenfalls nicht verschwunden.
Italien verlangt von Immobilienbesitzern den Nachweis, dass ein Haus mit legalem Geld erworben worden ist. Im Zweifel zieht der Staat es ein. Ist Deutschland zu lasch?
In Deutschland stellen sich hier mit Blick auf das Grundgesetz einige Fragen. Was nicht heißt, dass hier nichts geht. Ich spüre einen starken Willen in der Politik, das Thema anzugehen, und ich würde das begrüßen. Wir sehen an aktuellen Fällen, wie zurückhaltend Gerichte mit der geltenden Gesetzeslage umgehen.
Sie meinen eine Entscheidung aus Berlin, wo der Staat beschlagnahmte Immobilien an Angehörige eines Clans zurückzugeben musste, weil aus Sicht des Landgerichts eine legale Finanzierung nicht völlig ausgeschlossen werden konnte.
Das zeigt doch klar den Handlungsbedarf.
Angeblich sind viele Pizzerien Niederlassungen der Mafia. Stimmt das eigentlich?
Man sollte mit Generalisierungen vorsichtig sein. Was stimmt, ist, dass die Vermischung von illegalen und legalen Geschäften ein beliebter Weg der Verschleierung ist. Wenn Gastronomen auf dem Papier mehr Pizzen verkaufen, können sie die zusätzlichen Umsätze zur Legalisierung von Geldern aus kriminellen Quellen nutzen. Im Blick haben wir auch die anderen bargeldintensiven Gewerbe wie Automaten-Casinos oder Barber-Shops, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Immer dann, wenn es plötzlich massenhafte Angebote gibt, bei denen sich die Nachfrage nicht sofort erschließt, müssen wir misstrauisch werden.
Deutschland gilt als Geldwäsche-Paradies. Zu Recht?
Vor 20 Jahren war das Problembewusstsein hierzulande noch wenig ausgeprägt. Bei Gesprächen mit deutschen Kollegen hatte ich den Eindruck, sie glauben, Geldwäsche gebe es nur in der Schweiz, in Liechtenstein oder in der Karibik. Inzwischen aber ist das Bewusstsein gewachsen, dass Deutschland mit seinem großen Finanzmarkt besonders gefährdet ist.
Umso besser muss doch aber die Geldwäsche-Bekämpfung funktionieren.
Richtig. In Deutschland besteht ein breiter politischer Konsens, Finanzkriminalität und Geldwäsche noch konsequenter zu bekämpfen. Dafür soll es künftig das Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität geben. Es gibt also viel zu tun, aber von einem Geldwäsche-Paradies zu sprechen? Nein, das ginge mir zu weit. Die internationale Anti-Geldwäsche-Organisation FATF, die Deutschland äußerst genau geprüft hat, ist jedenfalls nicht zu diesem Ergebnis gekommen, sonst stünden wir jetzt auf einer grauen oder schwarzen Liste.
Was muss verbessert werden?
Die Polizei und die Justiz machen ihren Job ganz hervorragend. Unser Problem ist die mangelnde Fokussierung auf das Wesentliche. Es besteht die Gefahr, dass man sich verzettelt. Nochmal: Wir müssen der Organisierten Kriminalität an den Kragen. Es geht also um die schweren Straftaten, die besonders hohe gesellschaftliche Schäden verursachen.
Welche meinen Sie?
Für mich weit oben auf der Prioritätenliste ist die Bekämpfung des Menschenhandels. Das Ausmaß und die dort erzielbaren Gewinne sind enorm - viel größer als allgemein vermutet. Und die Schicksale der Opfer sind dramatisch. Ich denke da an das Beispiel von Timea Nagy aus Ungarn. Sie wurde als junges Mädchen nach Kanada gelockt und dort von einem Menschenhändlerring in einen Keller eingesperrt und zur Prostitution gezwungen. Sie konnte sich befreien und hat ihren Peiniger angezeigt, doch am Ende stand Aussage gegen Aussage und er wurde freigesprochen.
Kein guter Ausgang der Geschichte.
Warten Sie! Jahre später hat sie auf der Tagung beschrieben, wie der Zuhälter die von ihr verdienten 400.000 Dollar über Geldautomaten auf Konten eingezahlt hat. Dieses Wissen hat dann der kanadischen Anti-Geldwäsche-Behörde und der dortigen Justiz geholfen, ähnlich gelagerte Fälle aufzuklären, die Geldwäscher ins Gefängnis zu bringen, Millionenbeträge einzuziehen, und die Opfer zu entschädigen. Wenn das gelingt, haben wir unseren Job gut gemacht.
Wie ist es mit der Terrorfinanzierung?
Die Herausforderung war nie weg, aber seit den Hamas-Attacken vom 7. Oktober ist das Thema aktueller denn je. Zusammen mit den FIUs aus anderen Ländern haben wir eine Taskforce gebildet, die von Deutschland, den Niederlanden, den USA und Israel geleitet wird. Die Hamas finanziert sich überwiegend über Spenden. Das können auch Kleinbeträge sein, aber unterm Strich kommen hohe Summen zusammen. Zudem verfügt die Hamas über gut ausgestattete Investmentfonds.
Wie konnte es vor einigen Jahren zu dem immensen Stau bei der Bearbeitung von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen kommen?
Fehlende Fokussierung. Nachdem die Bekämpfung der Geldwäsche 2016/2017 in Deutschland neu geregelt wurde, haben die Verpflichteten angefangen, jeden noch so kleinen Verdachtsfall zu melden, weil sie Geldbußen vermeiden wollten. Die Meldungen prasselten nur so herein, schon die dreimalige falsche PIN-Eingabe bei einer Bargeldabhebung war manchmal ein Verdachtsfall! Die FIU ist in der Flut regelrecht ertrunken. Später ist dann versucht worden, die wirklichen Risikofälle per Software auszusieben.
Warum hat das nicht geklappt?
Das hat geklappt - technisch gesehen. Aber die Staatsanwaltschaft in Osnabrück hat ein Ermittlungsverfahren gegen FIU-Mitarbeiter wegen Strafvereitelung im Amt eingeleitet, weil nicht mehr jede einzelne Verdachtsmeldung einer tieferen händischen Analyse unterzogen wurde. Dabei ist es doch genau die Aufgabe der FIU, die Informationen risikobasiert herauszufiltern um die großen Fische zu finden. Dies zeugt von einem mangenden Verständnis der Aufgabe einer FIU.
Der Fall erregte bundesweit Aufsehen, denn mitten im Wahlkampf ließen die Osnabrücker Ermittler das damals von Olaf Scholz geführte Finanzministerium durchsuchen.
Seit November 2023 steht wörtlich im Gesetz, dass die FIU den Risiken entsprechend priorisieren soll und darf. Aber bis dahin wurde auch zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Strafverfolgung alles händisch ausgewertet, ohne automatische Filter.
Und heute?
Der Rückstau ist beseitigt. Das ist aber nicht mein Verdienst, weil das schon vor meinen Amtsantritt durch den Einsatz von zusätzlichem Personal aus dem Zoll geschafft wurde. Und mit der neuen gesetzlichen Grundlage, die automatisierte Verfahren zulässt, wird es auch keine neuen Rückstände mehr geben.
Setzen Sie auch Künstliche Intelligenz ein?
Ich habe ein hochmotiviertes Team von Spezialistinnen und Spezialisten, die ein sehr gutes Konzept ausgearbeitet haben, das nun auch zum Einsatz kommt. Näheres dazu will ich nicht sagen, weil ich unsere Methoden verständlicherweise nicht verraten will. Aber klar ist, dass die KI nicht plötzlich alle Probleme lösen wird. Sie ist eines von vielen Instrumenten. Und es bleibt dabei, dass konkrete Entscheidungen am Ende immer von Menschen getroffen werden.