Manfred Janssen über Platznot, um neue Unternehmen anzusiedeln, die Anwerbung ausländischer Fachkräfte und den Umbruch im Einzelhandel.
Chef der Wirtschaftsförderung„Es fehlen rund 500 Hektar Gewerbefläche in Köln – das sind 700 Fußballfelder “
Herr Janssen, die weltwirtschaftliche Lage trübt sich immer mehr ein. Wie geht es der Kölner Wirtschaft aus Sicht des Chefs der Wirtschaftsförderung?
Zum Jahresende 2024 häuften sich leider die Hiobsbotschaften aus der Kölner Wirtschaft, und der Ausblick auf 2025 ist auch trüb. Wir spüren in Köln den Umbruch in vielen Branchen, der ein Zusammenspiel aus politischer und wirtschaftlicher Weltlage sowie zunehmender Transformation ist. Daher müssen wir jetzt die Weichen stellen, damit die Kölner Wirtschaft auch weiterhin wettbewerbsfähig bleibt. Denn die Rahmenbedingungen sind weiter gut. Das bestätigten Ansiedlungen wie Miltenyi, Renault oder die EU-Agentur EIT Culture & Creativity die Köln-Business in den vergangenen Jahren unterstützt hat. Köln ist ein gefragter Standort für hoch qualifizierte Dienstleistungen, innovative Immobilienentwicklungen und ein Magnet für Shopping, Tourismus und Fachkräfte. Darauf gilt es aufzubauen.
Köln ist auch eine Universitäts-, Verwaltungs- und auch Garnisonstadt. Wie wichtig ist die Industrie, das Gewerbe allgemein denn tatsächlich für den Wohlstand der Kölnerinnen und Kölner?
Alles zum Thema Einzelhandel Köln und Region
- Handel protestiert Stadt will Parkgebühren in Brühl deutlich anheben
- Fenster, Grün, Wohnungen So wird das Mediamarkt-Gebäude auf der Hohe Straße nach dem Umbau aussehen
- Projekt Die Redaktion Rhein-Sieg startet in die Lokale Zukunft
- Wer kommt, wer geht Das tut sich im Kölner Einzelhandel
- Braunbärchen Wipperfürther Online-Shop setzt auf Nachhaltigkeit
- Genehmigungen umstritten 2025 könnte es 16 verkaufsoffene Sonntage in Köln geben
- Erweiterungspläne vorgestellt Motorworld in Köln-Ossendorf erhält Neubau mit Supermarkt
Die Wirtschaft bleibt das Fundament für den Wohlstand unserer Stadt. Mehr als die Hälfte der städtischen Steuereinnahmen stammen aus der Gewerbesteuer – diese Einnahmen kommen uns allen zugute, sei es durch Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Kultur oder Grünanlagen. In Anbetracht der angespannten Haushaltslage muss die Kölner Wirtschaft weiterwachsen, neue Unternehmen müssen ihre Heimat in Köln finden. Dies schafft wohnortnahe Arbeitsplätze und mehr Wertschöpfung vor Ort. Dafür braucht die Stadt jedoch ausreichend Gewerbe- und Industrieflächen.
Aber Köln ist dicht bebaut, man könnte auch sagen, die Stadt ist voll…
Bis 2046 fehlen laut Regionalplan rund 500 Hektar an Gewerbefläche – das entspricht 700 Fußballfeldern oder rund 50.000 neuen Arbeitsplätzen. Das ist eine enorme Herausforderung, denn ohne genügend Gewerbeflächen kann Köln Anfragen von Unternehmen oft nicht bedienen. Dadurch verlieren wir an Attraktivität gegenüber anderen Regionen.
„Köln bietet viele ausgebildete Fachkräfte“
Wie also kann trotz großer Nachfrage nach Wohnflächen der gewerbliche Flächenbedarf in Köln gedeckt werden?
Was den Mangel an Flächen angeht, gebe ich Ihnen Recht. In einer dicht besiedelten Metropole wie Köln sind großflächige Ansiedlungen wie das Microsoft Rechenzentrum in Bedburg und Bergheim kaum realisierbar. Für Köln ist daher einerseits wichtig, bestehende Gewerbeflächen im Stadtgebiet zu sichern und sie andererseits strategisch weiterzuentwickeln, etwa mit Ansätzen wie dem Deutzer Hafen, I/D Cologne oder Max-Becker-Areal, die Arbeiten, Wohnen, Leben und Konsum verbinden. Denn Köln bietet viele ausgebildete Fachkräfte und eine Vielfalt an Unternehmen, von Startups bis hin zu weltweit bekannten Marken sowie eine innovative Hochschul- und Forschungslandschaft. Wenn Köln und sein Umland noch stärker zusammen gedacht werden, dann sind wir national und international deutlich wettbewerbsfähiger.
Welche Rolle spielt der Zuzug, also auch Migration aus dem Ausland beim Kampf gegen einen Fachkräftemangel in Köln?
Neben Flächen braucht die Kölner Wirtschaft auch gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte. Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel sind große Herausforderungen, insbesondere für wachsende Unternehmen. Ohne verstärkte Anwerbung ausländischer Fachkräfte droht langfristig ein Verlust an Wertschöpfung. Dabei bietet Köln großes Potenzial, etwa durch die mehr als 10.000 ausländischen Studierenden an unseren Hochschulen, die gezielt angesprochen und gehalten werden könnten.
Welche Maßnahmen sehen Sie, um Köln insbesondere für internationale Fachkräfte attraktiver zu machen?
Unser Ziel ist es, internationale Fachkräfte gezielt zu gewinnen und Köln als attraktiven Standort für Arbeit und Leben zu positionieren. Ein Welcome Desk, wie ihn viele europäische Metropolen haben, könnte den Einstieg für internationale Fachkräfte und ihre Familien erleichtern. Zudem bräuchte es eine gezielte Fachkräfte-Ansprache im In- und Ausland. Um das Thema voranzubringen, erarbeiten wir aktuell ein Angebot, um ausländischen Studierende in Köln gezielt mit hiesigen Unternehmen zusammenzubringen.
Was sind aus ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Handel und Gastronomie in Köln? Viele beschreiben eine Verödung der Kölner Innenstadt…
Die Kölner Innenstadt ist ein Magnet für Menschen und Unternehmen. Aber sie befindet sich in einem doppelten Umbruch. Einerseits erleben wir einen Wandel hin zu innovativen Konzepten mit Erlebnischarakter. Andererseits zeigt sich, dass der Einzelhandel künftig zurückgehen wird, während Gastronomie, Freizeitangebote und Dienstleistungen stärker in den Vordergrund rücken. Der Leerstand in der Innenstadt ist niedrig, von Verödung kann keine Rede sein. Die Nachfrage nach Ladenlokalen ist ungebrochen hoch, was die Bedeutung der aktuell laufenden Neubau- und Umbaumaßnahmen unterstreicht.
Wie wird sich die City verändern?
Die Kölner City bleibt ein wichtiger Bürostandort mit einer der geringsten Leerstandsquoten unter den deutschen Top-Städten. Und sie wird gleichzeitig vielfältiger: Das reicht von Dom Carré und Laurenz Carré über die Stadtbibliothek und das Mantelhaus mit 300 Quadratmetern Dachterrasse an der Hohe Straße bis hin zur Kletterhalle an der Schildergasse. Es wird derzeit viel investiert, um die City zu modernisieren. Dadurch entsteht viel Neues, weshalb wir in der Innenstadt auch in den nächsten Jahren an Baustellen vorbei gehen werden.
Welche Rolle spielt das Citymanagement?
Der Wandel lässt sich nur gemeinsam gestalten – Stadt, Wirtschaft und Kultur müssen dafür an einem Strang ziehen. Seit 2020 haben wir mit mehr als einer Million Euro verkaufsfördernde Maßnahmen in der Innenstadt und den Veedeln gefördert. Das Citymanagement haben wir mit der Stadt Köln durch Bundesfördermittel eingerichtet, um uns spezifisch um die Innenstadt zu kümmern. So soll die Aufenthaltsqualität gesteigert und neue Konzepte für die Innenstadt entwickelt werden. Das positive Feedback aus der Wirtschaft bekräftigt uns darin, das Citymanagement, das im Herbst 2025 auslaufen würde, trotz angespannter Haushaltslage langfristig mit eigenen Mitteln fortzuführen. Denn eine lebendige und attraktive Innenstadt ist ein Gewinn für ganz Köln.