Fruchtgummi aus KölnWie Hitschler von der Idee zum Produkt im Supermarkt kommt
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Jeden Januar präsentieren die wichtigsten Süßwarenhersteller ihre Neuheiten in der Kölner Messe – an diesem Sonntag geht es wieder los.
Auch aus Köln sind Unternehmen auf der Messe vertreten, darunter der Fruchtgummihersteller Hitschler.
Unsere Autorin hat das Unternehmen 2018 besucht und den Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt, in diesem Fall Spinnenbeinen, verfolgt.
Köln – An diesem Sonntag startet die Süßwarenmesse in Köln. Wenn es gut läuft, landen die Neuheiten, die dort vorgestellt werden, irgendwann im Supermarkt. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Wie werden Süßigkeiten entwickelt? Wir haben hinter die Kulissen des Kölner Fruchtgummiherstellers Hitschler geblickt.
Hitschler ist seit mehr als 80 Jahren in Köln ansässig. Seit Mitte der 1950er Jahren produziert das Traditionsunternehmen auch selbst, die Produktpalette wächst stetig: Schnüre, Ufos, Kaubonbon-Streifen, Mäusespeck. 2018 stellte Hitschler auf der Internationalen Süßwarenmesse Spinnenbeine vor. Wir erklären, wie neue Produkte entstehen.
1. Erste Ideen
Nach dem Ende der Süßwarenmesse im Januar beginnen die Planungen für die nächste: Viermal im Jahr gibt es bei Hitschler in Köln und an anderen Standorten Ideenmeetings von Geschäftsleitung, Vertrieb, Marketing und Lebensmitteltechnologen.
Was verkaufte sich gut, was weniger? Drachenzungen waren zuletzt ein Überraschungserfolg. Wie kann man die Linie ergänzen? Welche Aromen liegen im Trend? Vegetarisch läuft gut. Ein bisschen eklig ist auch nicht schlecht – es polarisiert und macht es für die Hauptzielgruppe Kinder spannend.
2. Produktentwicklung
Mit diesen Anregungen machen sich Entwickler aller Werke an die Arbeit. „Jeder hat den Ehrgeiz, den neuen Verkaufsschlager zu entwickeln“, sagt Markus Tabel, Leiter Marketing/Einkauf bei Hitschler. Farben und Aromen werden getestet, Formen, Textur. Was lässt sich mit bestehenden Maschinen fertigen? Fruchtgummi wird bei Hitschler nicht in Form gegossen wie Gummibärchen. Es ist meist Extruderfruchtgummi: Der heiße, flüssige Grundstoff wird wie durch eine Nudelmaschine gepresst. Erste Proben werden von Verbrauchern getestet – und: oft auch vom Nachwuchs der Hitschler-Mitarbeiter.
3. Preis
„Bevor wir in die Detailplanung gehen, werden die Rahmenbedingungen abgesteckt“, sagt Tabel. Die wichtigste: Der Preis. „Mehr als 99 Cent sollte die 125-Gramm-Tüte den Verbraucher nicht kosten.“ Ein wichtiger Eckpreis. Es wird überschlagen, was Zutaten, Entwicklung, die Produktion maximal kosten dürfen. Und wie viel ist das? „Geschäftsgeheimnis“.
4. Verpackung
Mit den ersten Ideen für „dicke Schnüre“, aus denen am Ende Spinnenbeine werden, machen sich im Sommer Illustratoren ans Werk. Sie schicken Entwürfe für den so genannten „character“ oder „heroe“ – im Fall der Spinnenbeine muss natürlich eine Spinne auf die Tüte. Wichtig ist die Farbwahl: Grün stünde für „sauer“, rot für Beeren. Lila passt für einen Mix. Also: lila. „Die Tüte muss Kunden auf den ersten Blick ansprechen“, sagt Kristina Körfer vom Marketing. „Bei keinem Kunden stehen schließlich Spinnenbeine auf dem Einkaufszettel.“
5. Entscheidung
Jede Entwicklungsabteilung macht schließlich drei Vorschläge, fertigt Prototypen – und schickt diese beim Entscheider-Meeting ins Rennen. Dazu haben sich die Verantwortlichen aus Geschäftsleitung, Marketing, Vertrieb und Produktion in den letzten Jahren oft ins Kloster zurückgezogen.
„Da kann man sich am Besten auf das Wesentliche konzentrieren“, sagt Kristina Körfer. Zwei Tage wird diesmal im Kloster Steinfeld diskutiert, wird probiert und wieder diskutiert– am Ende einigen sich die Teilnehmer auf: Spinnenbeine.
6. Feintuning
Die Produktmanager sprechen ihre Empfehlung aus, es folgen leichte Korrekturen an Rezeptur und Verpackung. Die erste Serie, die Nullserie, wird fertiggestellt mit „Referenzware“. Diese Tüten werden von Vertriebsmitarbeitern mit auf Verkaufstour genommen: Sie verteilen sie zum Probenaschen an Einkäufer von Handelskonzernen.
7. Jahresgespräche
Nun schlägt die Stunde der Wahrheit: Im Herbst finden die so genannten Jahresgespräche mit Einkäufern der großen nationalen Handelskonzerne statt, die ja schon vorab naschen durften. Gesprochen wird vor allem über Mengen und Preise für die schon lieferbaren Klassiker und die Liefertermine sowie besondere Verkaufsaktionen zu bestimmten Ereignissen. Zeit, noch einmal Werbung für die Spinnenbeine zu machen und erste Abschlüsse zu erzielen.
8. Produktion
Damit rechtzeitig zur Süßwarenmesse in Köln Ende Januar genug Ware auf Lager ist, startet die Produktion Ende November. Dafür müssen genügend Rohstoffe verfügbar sein. Acht Wochen Vorlauf braucht die Produktion. Ein gewisses Risiko: Niemand weiß, wie gut das neue Produkt ankommt.
9. Messeauftritt
Wenn die Süßwarenmesse Ende Januar beginnt, sind viele Deals mit inländischen Handelskonzernen im besten Fall schon eingetütet. In Köln aber trifft man auch alle wichtigen Einkäufer aus dem Ausland – die Hälfte des Geschäfts macht die deutsche Süßwarenindustrie mit ausländischen Abnehmern. Niederlande, Frankreich, Österreich, Naher Osten... Hier kann das Fachpublikum erstmals die echten Spinnenbeintüten sehen.
10. Supermarkt und Werbung
Mit dem Einsortieren der neuen Tüten ins Supermarktregal beginnt auch die Werbung für das neue Produkt – auf mehreren Kanälen. Immer wichtiger werden dabei soziale Netzwerke. Nun müssen sich die Spinnenbeine im Regal behaupten: Nur wenn sich ein Produkt gut verkauft hat es die Chance, dauerhaft beim Händler zu landen.
Das schafft aber nur ein Bruchteil der Neuheiten, die auf der ISM gezeigt werden. Dafür wird dann ein Konkurrenzprodukt aus dem Regal entfernt – mehr Platz gibt es dort in aller Regel nicht.